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Feature: 20 Jahre Overdrive Records / Andy Düx

20 Jahre und kein bisschen leise

Dass Mainz mit Overdrive Records das älteste noch aktive Technolabel hierzulande beherbergt ist eine Sache. Dass dessen Betreiber Andy Düx seit 30 Jahren DJ ist, eine Andere. Doch würde es ihm im Traum nicht einfallen, dies groß zu verkünden. Ausgestattet mit einer guten Portion Understatement, Gelassenheit und Humor, wirkt er als DJ frischer denn je. Als Gastgeber zum Auftakt der 20 Jahre Overdrive Clubtour Mitte März im 50Grad feuerte er das Publikum ebenso an wie seine DJs und ließ sich auch nicht durch einen defekten Kopfhörer aus der Ruhe bringen, den er zwischen den Übergängen McGyver-mäßig reparierte.

Ein echter Raver und Mainzer halt. So gerät er immer wieder in lustige Situationen:

„Letztes Jahr war ich gerade mit meinem Set fertig, als ein Mädel auf mich zukam und fragte, ob ich vor 20 Jahren im Limburger Easy aufgelegt hätte. Ich schaute sie an und meinte, dass sie das mit ihren 18/19 Jahren kaum erlebt haben dürfte. Daraufhin sagte sie, dass es ganz witzig sei. Denn damals fuhr ihre Mutter auf mich ab und heute sie, als ihre Tochter … auch nicht schlecht, oder?“ (lacht).

Doch provoziert er diese auch selbst. Wenn er etwa stolz die selbstgebastelten Fastnachtskostüme seiner Kids präsentiert und, mit aufgesetztem Pappmascheehelm und Hand auf der Brust, den Gladiator mimt oder mit seinem neuen Podcast (Overdrive Podcast 003), der mit einer musikalischen Hommage an den Rhein beginnt, bevor straighter Techno einsetzt. Und besucht man ihn in seinem Platten- und DVD-Laden ‚Overdrive Entertainment Store‘, muss man keine Angst vor einem autoritären Geschmacks-Gralshüters haben, sondern bekommt seit 1992 neben feinstem Techno immer auch gute Unterhaltung geboten.

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Dabei hat alles eine Dekade früher mit dem Gewinn eines DJ-Wettbewerbs angefangen, bevor er diverse Residencies inne hatte und über das Produzieren ein Label gründete:

„Zusammen mit Udo Niebergall habe ich damals Musik gemacht und es war total hip ein eigenes Label zu haben. Und dadurch, dass ich Resident im Dorian Gray war, bot uns jemand an, sein Tonstudio in Darmstadt zu betreiben. 1991 gründeten wir das Label, um unsere eigenen Tracks zu veröffentlichen, bevor dann andere Produzenten auf uns zukamen.“

Inzwischen sind daraus 180 Veröffentlichungen geworden und Overdrive diente vielen Artists als Sprungbrett ­– wie Tom Wax, Norman Feller (aka Terry Lee Brown Jr.), Daniel Stein­­berg, Mark N.R.G.

Ausruhen will er sich deshalb nicht:

„Seit Anfang des Jahres ist Sophie Nixdorf mit im Boot und wir betreiben das Label gemeinsam. Vinyl wird es weiterhin geben, aber auch digitale Releases auf Whatpeopleplay. Als Tourspecial erscheint demnächst eine neue Compilation mit zwölf Stücken unserer Artists, von denen die besten sechs auf zwei Vinylsingles ausgekoppelt werden.“

Verändert hat sich auch vieles im Geschäft:

„Früher habe ich um 11 Uhr den Laden aufgemacht und da standen schon 20 Teenies davor, die Schulpause hatten. Heute reicht es auch, wenn um 14 Uhr geöffnet wird. Momentan sind die Geschäfte sehr stabil. Der Vinylmarkt geht nicht mehr weiter zurück. Und wenn es so bleibt, bin ich zufrieden.“

Business ist wichtig, das Umfeld aber auch. Besonders die Stadt:

„Ich finde Mainz klasse. Nicht zu groß, nicht zu klein. Wenn es so wäre wie in Berlin, wo man auf dem Weg zum Bäcker in zehn Minuten 35 DJs trifft, obwohl man nur in Ruhe frühstücken will, wäre mir das zu krass.“

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Wer so aktiv ist, braucht schon einen guten Ausgleich zum Nachtleben. In erster Linie ist dies ein fast schon ’spießiges‘ Dasein mit Haus und Familie:

„Ich habe zwei Kinder und das ist für mich ein ganz anderer Bereich, die Familie tut mir sehr gut. Ich trenne das auch strikt. Sobald ich hier die Tür rausgehe, führe ich ein anderes Leben, sozusagen ein Doppelleben.“

Einzig die Fitness wird im Nachtleben eher einseitig bedient:

„Beim Feiern immer nur die Hand zu heben ist ja okay, aber man muss sich auch mehr bewegen, deswegen besuche ich inzwischen einen Fitnesskurs“ (grinst).

Overdrive (Laden & Label)
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Elisa Biscotti

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