Artikel
0 Kommentare

Von Istanbul nach Beirut – Tag 20 bis 22: Refugee Camp, Mezze, Sidon and Airport

Die Menschen haben hier nichts und leben von der Unterstützung des Roten Kreuzes und diverser Hilfsorganisationen. Während unseres Spaziergangs verfolgt uns ein Motorrad, wir wissen nicht ob es Neugier ist oder ob es sich um einen Beobachter der Hisbollah handelt.


Wie dünn die Oberfläche aus fetten Autos und Take Away Food ist, durfte ich schon am ersten Tag in Beirut erfahren. Beim improvisierten Frühstück in einem Hauseingang, mit meinen neuen Freunden Alejandro, Philipp, Stefanie und Linda, erwischte uns der Besitzer und anstatt sauer zu sein bot er uns an in das palästinensische Flüchtlingslager in Beirut zu fahren.



Ich war eigentlich auf dem Weg in ein Internet Cafe und so kam es, dass ich mit FlipFlops und meinem Laptop in der Tasche durch Sabra & Shatila lief, einem unfassbar ärmlichen Lager in dem 1982 das furchtbare Massaker der Phanlange-Milizen stattgefunden hat: Am Abend des 16. September drangen etwa 150 phalangistische Milizionäre in die Lager ein um zwischen 460-3300 Zivilisten, Kinder, Frauen und Alte zu töten und zu vergewaltigen. Besonders schrecklich ist die Erkenntnis, dass die israelische Militärführung zu dieser Zeit genaustens über die Vorgänge im Lager informiert gewesen sein soll …

In den Hauseingängen spielen Kinder mit ihren Post-Ramadan-Geschenken Strassenkampf, sowie sie es bei den Erwachsenen abgeschaut haben. Wir spazieren munter durch die Strassen, obwohl mir schon sehr mulmig ist bei der Sache. Wie Alejandro bemerkt, wären wir in einem vergleichbaren Viertel in Paris oder Madrid schon längst all unserer Habe beraubt worden.


Die Menschen haben hier nichts und leben von der Unterstützung des Roten Kreuzes und diverser Hilfsorganisationen. Während unseres Spaziergangs verfolgt uns ein Motorrad, wir wissen nicht ob es Neugier ist oder ob es sich um einen Beobachter der Hisbollah handelt.

Um die Kontraste der Stadt geradezu lächerlich stark zu betonen essen wir danach in einem Luxus-Restaurant für Libanesen, da wir es unserem neuen Freund John nicht abschlagen können. Er hat wegen uns den Lunch mit seiner Familie abgesagt und wir essen ein unfassbar ausführliches Menü mit Mezze (Babaganousch, French Fries, Hummus), dazu Arak (ein Anislikör vergleichbar mit Pastis) und libanesisches Bier. Dann gibt es Kabab, gefüllte Weinblätter und weitere undefinierbare Leckereien. Zum Dessert werden ein Caramelpudding mit Honig, türkischer Kaffee, mehrere Platten Obst und Minzlikör auf Eis gereicht, einzig die Nargileh können wir uns verkneifen und während die Sonne untergeht lädt John uns ein in seinem Appartement zu schlafen. Alejandro, Steffi und Philipp sagen nach langem hin-und-her zu und wir finden uns mit einer Pfeife frischem Libanesen in seinem Flat wieder.

Der Abend beginnt in einem Pub in Gemmayzeh, dem Partyviertel von Beirut und nach einer Flasche Vodka wollen ich und Linda uns auf den Weg ins Hotel machen. Linda stoppt aber in einer alternativen Bar namens Tequila und während ich mich mit einem jungen Rasta-Libanesen unterhalte, knutscht sie mit seinem Kumpel rum. Mein Gesprächspartner hat in sehr jungen Jahren seinen Vater verloren, sich zu Jah bekehrt und Schauspiel studiert. Er möchte nach Mailand auswandern und dort Schauspieler werden und seine Augen leuchten, während er von seiner neuen Liebe erzählt. Er hat 32 Stunden nicht geschlafen.

Ich bin absolut erstaunt wie unglaublich euphorisch und lebensfroh meine Gesprächspartner angesichts der unglaublich krassen Lage im Libanon sind. ‚Was sollen wir denn deiner Meinung nach sonst machen?‘ fragt mich ein Palästinenser, der in der derzeitigen Situation keine Chance hat je ein Visum für ein anderes Land zu bekommen, geschweige denn einen qualifizierten Job im Libanon.

Nach diesem Tag brauchen wir eine Pause. Linda fährt zurück nach Damascus und wir restlichen Vier chillen in meinem Hotel und gucken Predator.

Der letzte Tag ist einem Ausflug nach Sidon (Saida) im Süden Libanons gewidmet. Hier gibt es das gefährlichste Flüchtlingscamp im Libanon, in dem Alejandro unbedingt fotografieren möchte. Wir gehen in das Sea Castle, einer von den Mamluken halbzerstörten Tempelritterfestung. Dort macht Alejandro Kontakte mit einigen Palästinensern, die ihn ins Lager bringen können. Meinen Segen hat er, er ist unerschrocken, aber ich muss mich zurück nach Beirut machen, wo ich diese Zeilen vier Stunden vor Abflug in mein Netbook hacke und den Trip nochmal Revue passieren lasse…

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.