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Feature: Lynx & Kemo

Drum and Bass in Moll

Bastian Thüne in De:Bug 132

Tot ist Drum and Bass noch lange nicht, auch wenn es die letzten Jahre stark danach aussah und viele schon vom Ende redeten. Doch mit The Raw Truth, dem Debut von Steve Lynx und Jimmy Blitz (aka MC Kemo), erscheint mit fast einjähriger Verspätung der passende Soundtrack zur Krise dieser Tage. Düster und melancholisch in der Stimmung, minimal und reduziert im Sound, dürfte das Album für einige der nötige Arschtritt sein, ihr (Drum-and-Bass-)Weltbild neu zu ordnen.

Lynx bringt seine Beats genau auf den Punkt, schafft Raum und ausreichend Platz für Kemos – manchmal beschwörend wirkenden – Sprechgesang. Selbst bei dem souligen Gänsehaut-Stück ‚All You Own feat. Spoonface‘ halten sich die Streicher angenehm zurück. Aber beide sind ‚Ultraperfektionisten‘, die mit dem Ziel antreten, ein Album herauszubringen, das der Hörer ‚vom Gefühl und der Langlebigkeit her‘ zwischen Massive Attack, Burial und dem Wu Tang Clan in seiner Sammlung einordnet. Deswegen auch die Verspätung. Ihr Labelchef Marcus Intalex war von Lynx & Kemo jedenfalls so begeistert, dass er sie bereits nach der zweiten Maxi um ein Album bat. Ob das die Wende ist?

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Debug: Euer Album ist nicht nur eklektisch, sondern es klingt auch sehr reduziert. Für Drum and Bass eher ungewöhnlich.

Kemo: Gott sei Dank geht es wieder dahin. Es ist eine kleine Revolution, eine Wiedergeburt hin zum ursprünglichen Sound. Seit ungefähr sechs Jahren wurde alles immer schneller, härter und voller. Seitdem Lynx vor gut drei Jahren angefangen hat, in einem eher minimalen, deeperen Stil zu produzieren, gibt es andere, die in diese Richtung gehen. Mittlerweile geht das quer durch die Bank. Sogar DJs wie Andy C oder Hype, die dafür bekannt sind, einen schnellen, harten und vollen Sound aufzulegen, spielen inzwischen minimalere Sachen.

Debug: Der Krisenstimmung, die zurzeit in der Gesellschaft herrscht, kannst du zumindest im Drum and Bass also nichts abgewinnen?

Kemo: Drum and Bass stagnierte lang. Statt Lieder produzierten alle nur funktionale DJ-Tools und hatten Angst zu experimentieren. Doch die letzten zwei, drei Jahre gab es einen Aufschwung. Insofern hat der dunkle Zeitgeist unsere Musik positiv geprägt. Es gibt viele politische Tracks und deepere Sounds. Deshalb habe ich das eben auch als kleine Revolution bezeichnet. Wenn es diese Revolution auch in der Gesellschaft gäbe, würde unsere Zukunft wesentlich besser aussehen.

Debug: Nun ist ja eure Musik recht düster. Entspricht das auch eurer Persönlichkeit?

Kemo: Ich bin melancholisch und düster …, aber wie definiert man einen düsteren Menschen?

Debug: Eher ängstlich sein, Dinge negativ sehen …

Kemo: Das passt schon bei uns beiden. Wir bemühen uns, stets positiv und ausgeglichen zu sein. Aber auch nur, weil ich vor ein paar Jahren arge Probleme mit Angststörungen hatte. Gott sei Dank konnte ich mich voll darauf konzentrieren. Ich habe ungefähr sechs oder neun Monate nichts gemacht, also nicht gearbeitet, kaum rausgegangen. Seitdem mache ich es mir zur Lebensaufgabe, mich möglichst viel mit der seelischen oder spirituellen Welt zu beschäftigen. Bei mir im Haus leben zwei neugeborene Christen. Das ist zwar nicht mein Weg, aber ich respektiere das. Mich zieht es eher zum Thaoismus und Zen-Buddhismus. Ich lerne Wege, meine Gedanken zu kontrollieren und auch die Thematiken, mit denen ich mich beschäftige. Ich liebe düstere Sachen wie David Lynchs Filme oder düstere Serien und Bücher. Allerdings beschäftige ich mich nicht mehr zu viel damit.

Lynx & Kemo – The Raw Truth ist auf Soul:r erschienen

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