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Diary of an Unpublished Author 7 (Kritische Ausgabe)

Habe dann trotzdem angefangen die Novelle vom »Dorfimbiß« (der Duden kennt die Schreibweise mit »ß« ignoranterweise nicht) zu schreiben:

Am Eingang des Dorfes machte die Bundesstrasse eine Kurve, die Absicht des Erbauers sein musste. Nicht nur war es unmöglich die Kurve mit mehr als 30 km/h zu nehmen ohne aus selbiger hinausgetragen zu werden. Nein, es säumten auch gleich zwei Dorfschenken den Weg, die eine großspurig als »Landgasthof Schmitz« ausgeschildert, die andere erratisch mit »Bei Knipping« betitelt.

Ob der mittelalte Mann im Hausmeisterkittel, der müde das Grün des Türgitters erneuerte, der Namensspender war? Andreas lenkte den Wagen vorsichtig in die Kurve um hinter dieser sogleich wieder den Ausgang des Dörfchens zu erblicken. Bevor er diesen erreichte, parkte er seinen Wagen auf eine kleinen Pflastersteininsel, die durch eine marode Umzäunung als Parkplatz ausgewiesen war.

Die Bäckerei, die wohl der allzu optimistische Anlass dieses Parkplatzes war, fand er verschlossen vor. Ein Schild verkündete die unsympathischen Öffnungszeiten: 7:00 – 11:30 Uhr.

Das erinnert sofort an ehrliche Arbeit und Menschen die mit den Hühnern zu Bett gehen, was Andreas – in der typischen Gehässigkeit eines ehemaligen Provinzlers – immer wortwörtlich verstanden hatte. Schon das Autobahnschild »Sachsen-Anhalt – Land der Frühaufsteher«, das potenzielle Investoren auf Sachsen-Anhalt neugierig machen sollte, hatte leichten Abscheu in ihm hervorgerufen. Hungrig und genervt setzte er sich wieder ans Steuer, trank den letzten Rest einer Halbliterdose Energy Drink und zündete sich eine Zigarette an. Dann also sofort ins Hotel. Später konnte er ja noch zu einem Lebensmittelmarkt fahren und sich für die nächsten paar Tage eindecken. Im Handschuhfach steckte der Auftrag, samt Hotelreservierung, und Andreas stellte amüsiert fest, dass er die nächsten vier Tage im »Landgasthof Schmitz« residieren würde. Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen und so trottete er, die Papiere in eine Plastikfolie gezwängt, mit eingezogenen Schultern die Dorfstrasse hinab. Der Landgasthof hatte keine Klingel, weder eine elektrische noch irgendeine pseudo-authentische Kuhglocke oder einen Messingklopfer, den eh niemand hören würde. Genervt stiefelte er an den geschlossenen schmutziggrauen Jalousien vorbei, wobei ihn der Maler von gegenüber gleichmütig beobachtete. Die Genugtuung ihn nach Auskunft zu fragen, wollte Andreas ihm nicht geben.

Wahrscheinlich würde das nur in irgendwelchen katastrophalen Animositäten enden, an deren Ende er sich gezwungen sehen würde jeden Abend im »Bei Knipping« zu speisen und damit den Wirt des »Landgasthof Schmitz« zu vergrätzen.

Überhaupt hatte er nicht vor irgendwo zu speisen oder sich mehr als irgendwie nötig mit irgendeinem sächsischen Hinterwälder gemein zu machen.
»We go in. We get what we want. We come out.«
Um nicht den Argwohn des Malers zu erregen, zog sich Andreas eine Schachtel Zigaretten an der Seitenwand des Landgasthofs und zündete sich eine an. Der Regen hatte etwas nachgelassen. Während er da nun so stand und überlegte was als nächstes zu tun sei, kam ein uringelber Mercedes auf den kleinen Parkplatz gefahren, dessen Nummernschild mit dem übereinstimmte das schon am Kopfende des Parkplatzes montiert worden war. Der Fahrer trug einen grünen Filzhut und griff umständlich mit der linken Hand in seine Strickjacke, während er mit der anderen Hand den Wagen auf den Parkplatz lenkte. Er wirkte wie ein als sächsischer Landgasthofwirt verkleideter Russe, der gleich einen unliebsamen Zuhälter erledigen würde. Und tatsächlich zog er ein kleines schwarzes Ding aus seiner Strickjacke, das in etwa die Größe eines Sturmfeuerzeugs hatte. Er zielte auf einen Punkt neben Andreas und die Jalousien begannen sich, begleitet von einem elektrischen Summen, träge zu heben.

»Sie sind geschäftlich hier?«, fragte ihn Herr Schmitz, während er sich offenbar nicht zwischen drei verschiedenen Lesebrillen entscheiden konnte die neben ihm auf der rauhen Stofftischdecke lagen.
»Jawohl!«
Mit Dorfbewohnern, so hatte Andreas lernen müssen, musste man immer knapp, direkt und ohne Umschweife reden, damit sie einen ernst nahmen.
»Es ist wegen der Kurtaxe«, beeilte sich Herr Schmitz – inzwischen bebrillt und mit deutlich größeren Augen als vorher – hinzuzufügen.
Andreas fragte sich mit leichtem Unbehagen wer wohl hier Urlaub machen würde. Automatisch fiel ihm das Cover eine alten Porno-VHS-Kassette ein, auf dem ein Mann mit Schnurrbart einer Frau mit lauter Hautlappen seinen errigierten Penis entgegenstreckt.

Hier endet der fulminante Auftakt der Novelle …

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