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Diary of an Unpublished Author 10 (Kritische Ausgabe)

… und weiter geht es im ersten Akt von »Die Maßnahme«:

Angela: (verbindlich eröffnend) »Jaaa, ich denke wir fangen dann mal an. (Kunstpause) Ich möchte mich zunächst noch einmal vorstellen. (deutet in Richtung Thorsten, der zuckt leicht mit den Achseln) Mein Name ist Angela Pfeiffer. Ich bin 38 Jahre jung und studierte Diplom-Psychologin. Nach meinem Studium habe ich eine Weile in der Erwachsenenbildung und später dann in einem Assessment-Center gearbeitet, für die Firma PriceWaterhouseCoopers.«
(legt die Fingerspitzen Joachim Bublath-mäßig zusammen)

»Ich habe aber feststellen müssen, dass ich dort nicht an meinen Stärken gearbeitet habe und freue mich seit Anfang des Jahres hier im Jobtrainingscenter Leute fit für den Arbeitsmarkt zu machen.«
(Pause)
»Wir haben uns in den nächsten Wochen einiges vorgenommen und ich freue mich darauf mit euch oder Ihnen ein paar interessante Tage zu verbringen. Ich möchte euch oder Sie auch herzlich dazu einladen jederzeit Fragen zu stellen und bei mir gilt ganz klar: Dumme Fragen gibt es nicht.«
Thorsten: (provokant) »Wenn ’se son tollen Job hatten, warum sin‘ se dann da weg? Die ham‘ doch sicher besser gezahlt als dit Arbeitsamt.«
Angela: (bleibt betont diskussionsbereit) »Nun, zunächst mal heißt das ja Jobcenter und unser Institut wird von einem privaten Träger im Auftrag des Jobcenters geführt. Ich sehe einen vielfältigen Lebenslauf und unterschiedliche Erfahrungen als unbedingte Stärke an. Darüber werden wir in den nächsten Tagen …«
(Handflächen zusammen, an den Handgelenken nach links abknickend – Zurück-auf-den-Pfad-Gestik)
»… sicherlich auch noch genauer sprechen. Bevor wir uns jetzt alle untereinander vorstellen fände ich es toll, wenn wir uns auf ein paar Regeln einigen. Ich lade euch alle dazu ein das Essen und Trinken auf die Pausen zu beschränken und möchte euch bitten auch keine Laptops oder Mobiltelefone auf dem Tisch zu haben. Wir wollen eine angenehme, offene und konzentrierte Arbeitsatmosphäre schaffen.«

Nadine packt schuldbewusst das Handy weg, auf dem sie gerade eine SMS anfangen wollte. Die Tür geht auf, ein zerzauster Berufsjugendlicher (Markus), Anfang/Mitte Dreißig, mit Kopfhörern um den Hals, schaut herein.

Markus: »Bin ich hier richtig in Klasse D?«
Angela: (betont einladend) »Ja, richtig, wir haben gerade schon angefangen. Setzen Sie sich doch.«

Markus wählt nach einem kurzen Blick in die Runde den Platz neben Nadine. Er schmeißt salopp seine Umhängetasche auf den Boden, ein Buch fällt heraus.

Angela: »Nachdem jetzt ja alle – mehr oder weniger pünktlich -« (gespielt vorwurfsvoller Blick auf den bereits wegdämmernden Markus) eingetroffen sind, können wir ja mit der Vorstellungsrunde beginnen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir da am besten nach dem Alphabet vorgehen, viele Teilnehmer brauche ja immer eine Zeit bis sie auftauen, nicht? Wenn es euch oder Ihnen nichts ausmacht würde ich euch einfach beim Vornamen nennen …«
(sucht mit dem Finger in einer Liste)
»Ja, Nadine, das wären ja wohl sie?«
Nadine: (ergreift spürbar mitteilungsbereit das Wort) »Ja, also ich bin die Nadine. Ich bin 27 Jahre alt und habe letztes Jahr im Juli meinen Magister in Regionalwissenschaften Lateinamerika gemacht. Nebenbei habe ich immer als Köchin gearbeitet, habe jetzt aber nach meinem Umzug keinen Job mehr und möchte mich ganz auf meine Bewerbungen konzentrieren.«
Angela: (nach einer kurzen Pause) »Ja, interessant. Hast du irgendwelche Hobbys oder Talente die du uns mitteilen möchtest?«
Nadine: »Ja, wie gesagt, ich koche sehr gern und … ja, geh halt gern auf den Flohmarkt oder ins Museum … was man halt so macht …«

Markus dreht sich betont neugierig und mit einem leichten Lächeln zu Thorsten und Peter um, die das ganz sicher nicht ‚halt so machen‘.

Angela: »Schön … (nestelt herum) … Markus?«

Markus dreht sich wieder um.

Markus: »Na ich heiße Markus, bin 34 Jahre alt und Musiker. Nebenbei arbeite ich als Beleuchter, beim Film, und hab mich jetzt aber Hartz-IV gemeldet, weil die Jobs in letzter Zeit ausbleiben.«
Angela: »Ach, Musiker? Interessant! Dann möchtest du sicher auch mal in einer Band spielen?«
Markus: »Mach ich ja schon.« (Pause) »In zwei Bands. Einmal als Schlagzeuger und einmal Gitarrist.«
Angela: »Ach? Und hat man vielleicht schon mal was von Ihnen gehört?«
Markus: »Weiß ich nicht, kann sein, wir heißen Team Cord.«

Nadine wendet sich ihm interessiert zu.

Nadine: »Echt? Die kenn ich!«
Markus: »Ja, wir ham halt schon zwei Alben veröffentlicht …«
Nadine: »Ja! Ich war auf dem Immergut-Festival …«
Markus: (routiniert) »Ja, da ham wir glaubich gespielt …«
Angela: »Das ist ja interessant. Na, da wissen wir ja jetzt schon eine ganze Menge … (Pause) Peter, möchten Sie weitermachen?«

Markus und Nadine drehen sich zu den hinteren Bänken um.

Peter: (erschrocken, ringt sichtlich um Fassung, dann soldatisch) »Peter Grimschitz, 51 Jahre alt, Lehre zum Buchbinder, noch in der DDR, dann inner NVA zwee Jahre, dann zehn Jahre innem Buchverlag …« (dramatische Pause) »nacher Wende dann innem Westbetrieb und seit jetze zwee Jahren arbeitslos …«
Angela: (professionell mitfühlend) »Oh, das ist ja ne lange Zeit. Und was interessiert Sie noch so?«
Peter: (etwas lauter, gepresst) »Ja, da fängt dat Problem ja schomma an: Wat soll ich denn da sagen?«

Angela schaut ihn fragend an.

Peter: (etwas leiser) »Ick interessiere ma ja nich‘ für so viele Sachen …«
Angela: (ehrlich erstaunt) »Na, Sie werden doch ein Hobby haben oder eine Sache die Sie besonders interessiert?«
Peter: (gequält) »Na, eben Biologie und so …«
Angela: »Biologie, na DAS ist doch interessant. Was denn genau?«
Peter: »Na, Ornithologie, aber da interessiert sich ja ooch keen Schwein für.«
Angela: »Also ich finde es sehr interessant …«
Nadine: »Ich auch!«
Angela: (philosophierend) »Also ich glaube ja ganz fest daran, dass jeder Mensch etwas hat wofür er brennt …«

Markus zieht die Augenbrauen hoch und mustert Peter ironisch. Es klopft an der Tür …

(Sollte sich im erlauchten Kreise der LeserInnen ein(e) RegisseurIn oder sonstwie Interessierte(r) befinden: Das Stück ist fertig, inszenierungs-ready, bereit für die harte Hand des Regietheaters. Einfach Kommentar hinterlassen, dann kommt es email-wendend in euer Postfach! … Oder ihr wartet bis ich den Mitgliederbereich im Blog eingerichtet habe … Mehr dazu später!)

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