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Diary of an Unpublished Author (Nachwort von Dr. Christhardt B. Etzenkirchen)

Prolegomena zu einem künftigen Tagebuchband, der als Literatur wird auftreten können

Als mich Herr Schwertgen gebeten hat das Nachwort zur Kritischen Ausgabe des ersten Bandes »Diary of an Unpublished Author« zu schreiben war ich zunächst geneigt abzulehnen. Mir waren die stark biografisch geprägten literarischen Versuche von Herrn Schwertgen noch aus meinem Seminar »Erzählprosa in abgehacktem Nominalstil« in Erinnerung.
Nun ist es aber an der Universität der Künste gute Tradition, dass die Meister ihre Schüler noch einige Zeit bei ihrem beruflichen Werdegang kritisch begleiten.

Mir ist bewusst, dass die ersten Schritte von jungen AutorInnen in dem dichten Gespinst aus Lügen, Filz, Feuilleton, schlechter Ernährung, diabolischer LektorInnen und publikationsunwilliger Verlage schwer genug sind.

Deswegen möchte ich die folgenden Einlassungen als destruktives Lektorat verstanden wissen, aus deren verbrannter Erde Neues und Gutes erwachsen möge.

Herr Schwertgen verärgerte mich schon auf der Universität mit seiner unkritischen Verehrung der Autoren Rainald Goetz und Joachim Lottman, die das sogenannte Loslabern in die deutsche Gegenwartsliteratur einführten. In falscher Affirmation des stream of consciousness eines James Joyce oder der überbordenden Charaktercluster eines David Foster Wallace wird hier versucht die eigenen Befindlichkeit zum literarischen Kosmos zu erklären. Zuerst stirbt dabei freilich das Interesse am Kant’schen »Anderen« und danach – so paradox das klingen mag – der literarische Realismus.

Nehmen wir beispielsweise das Stückfragment »Die Maßnahme« in dem der Autor sich geografisch nur wenige Kilometer und gedanklich gar nicht aus seinem Milieu herausbewegt. Was folgt ist ein angenehm formuliertes Transkript einer beliebigen Nachmittags-Talkshow. Das Bestehende wird hier in kritischer Absicht gleichsam verdoppelt und zur Tautologie geschmiedet.

Bewegt sich der Autor in ein anderes Genre – beispielsweise in seinen Bemerkungen zu den Manuskripten »Quantum Suicide« oder »Das Turing Continuum« – so wird die gedankliche Einkerkerung ins postmodern-zersplitterte Ich sowohl inhaltlich als strukturell sichtbar.

Der menschliche Geist ist von Anfang an nicht mehr als ein Automat, der durch physikalische Manipulationen beherrschbar wird. Eine Dialektik zwischen Geist und Natur – in der der Geist immer auf eine Leerstelle im wissenschaftlich-technischen Weltbild verweist – ist dem Autor unbekannt. Er macht sich somit zum Schergen eines Denksystems, das er zu bekämpfen vorgibt.

Besonders traurig macht mich die Prosa des Autors dort, wo rasch angelesene Fachartikel zu Literatur gedrechselt werden. Nie ist ein Schriftsteller weiter von sich entfernt als dort wo er seine Sprache dem Diktat der Technokratie unterwirft. Literatur als notwendiger – wenn auch unverlässlicher Kompass durch die Weltläufte – macht sich hier sekundär, ja ephemer.

Hoffnung – um die Sprache auf den potentiellen Keim des künftigen Werkes zu bringen – lässt sich allein in dem kafkaesken Fragment »Der Dorfimbiß« finden. Die originelle Chiffre des Imbiss als Ort der niedrigsten Bedürfnisse des Fleisches ist ein bestechender Versuch die Kernfrage der großen Weltreligionen zurück auf die literarische Bühne zu bringen. Der Autor selbst:

»Nach und nach scheint es, als sei die Imbißbude das Zentrum des Universums. Der Platz an dem alle Belange des Dorfes (und hat es je etwas anderes gegeben als das Dorf?) zusammenlaufen.«

Näher ist Herr Schwertgen dem großen deutschen Gegenwartsroman nie gewesen. Wenn der Autor diese Tendenzen verfolgt und konzentriert ausarbeitet so blicke ich freudig-wohlwollend hin auf ein Nachwort im zweiten Band von »Diary of an Unpublished Author«.

Köln im Februar 2015
Dr. Christhardt Balthasar Etzenkirchen

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