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Buchtipp: Marcus Hammerschmitt – Pension Barbara

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„Eine ätzende Novelle aus dem Herzen der deutschen Gesellschaft.“

So bewirbt der eBook-Verlag Das Beben den Roman Pension Barbara von Marcus Hammerschmitt. Der Autor erzählt aus dem Leben von Felix Walter, einem neurotischen Mann, der seiner just entbindende Frau beistehen will und sich dafür in die spießige Pension Barbara im Dörfchen Kesslingen einmietet. Hammerschmitt schafft es mit seiner präzisen Beoachtungsgabe genau den Horror zu beschreiben, der einen in deutschen Provinzstädten zuweilen befällt.
„Die Hölle, das sind die anderen“, so sagte Sartre, und brachte damit ein Grundgefühl der Moderne auf den Punkt. Kaum verlässt der Mensch seine Hood, schon muss er sich mit dem Elend und der baren physischen Realität von Menschen befassen, die nicht so sind wie er und seinesgleichen. Hierzulande hat u.a. Franz Kafka diese Art von neurotischen Realismus geprägt. Und tatsächlich drängen sich auch Vergleiche mit dessen Romanfragment „Das Schloss“ auf, in dem K. als „Landvermesser“ eingeführt wird, der Schwierigkeiten hat sich dem Schloss und seinen Bewohnern zu nähern. Bei Hammerschmidt heißt es:

„Der Kocher hatte noch kaum angefangen zu arbeiten, da fragte mich Lessing: „Und was machen Sie so, beruflich?“ – „Ich bin Vermessungsingenieur.“ Er nickte nur. Frau Lessing goss den Tee auf und stellte mir die Tasse auf den Tisch, setzte sich selbst aber nicht. „Mein Mann hatte früher einmal eine kleine Baufirma. Wir sind aber lange nicht mehr aktiv.“ (…) Ich musste also davon ausgehen, in Herrn Lessing einem Menschen gegenüberzusitzen, der während seines aktiven Berufslebens Leute wie mich schon aus Prinzip gehasst hatte, und dies aus Gründen, die vor allem mit der Trägheit der menschlichen Seele zu tun haben, wahrscheinlich auch heute noch tat. Kein Zweifel, mein Aufenthalt in der Pension Barbara begann auf dem völlig falschen Fuß. (…) „Und da können Sie“ brachte Lessing hervor, „einfach so in der Weltgeschichte herumfahren, als Vermessungsingenieur?“ Genau wie vermutet: Hass. Blanker Hass, kaum durch die Erfordernisse der Zivilisation gebändigt. Wie hätte ich bei dieser Sachlage die Wahrheit erzählen können, nämlich, dass ich temporär arbeitslos war und bis zum Antritt meiner neuen Stelle in zwei Monaten tun und lassen konnte, was ich wollte?“

Ich finde es vergnüglich wie Felix Walter schon auf den ersten Seiten hysterisch-neurotisch durch die Welt von Pension Barbara stolpert und sich an seinen Befindlichkeiten weidet. Im weiteren Verlauf des Romans entpuppt sich die Waltersche Neurose dann mehr und mehr als nützliche Sensibilität gegenüber den Scharaden der Dorfbevölkerung. Wer denn nun eigentlich stranger ist, Objekt oder Subjekt des Romans, bleibt dem Leser überlassen.
Jakob Schmidt, einer der Verleger, lobt außerdem

„(e)ine seltene sprachliche Exaktheit, eine paranoide Grundstimmung, die auf dem schmalen Grat zwischen Bedrohlichkeit und Absurdität wandelt, die schonungslose Nachzeichnung eines spießigen, beengenden Millieus …“

und das klingt gut. Auch die Leseprobe macht Lust auf mehr …
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Buchtipp: Stefan Adrian – Bluffen

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Popliteratur war gestern, es lebe die Zugezogenenliteratur. Stefan Adrian ist mein Jahrgang und teilt mit mir einige Wendepunkte in der Biografie: Nach dem Abitur Umzug in die mittelgroße Stadt (in seinem Fall Wien in meinem Fall Köln) und in den frühen Nullerjahren nach Berlin. Als Gelegenheitsjobber, McDonald’s-Küchenkraft, Journalist, Barkeeper, Chefredakteur und Ghostwriter schreibt er davon wie es ist sich als prekärer Medienarbeiter durch das Leben zu schlagen. Und da es immer schön ist über Menschen zu lesen die so sind wie man selber, finde ich das Buch natürlich schon gut ohne es gelesen zu haben. Eine kleine Kostprobe:

„Ich flog Freitag um sechs Uhr morgens nach Zürich, um für Holgers Magazin ein Interview mit einem Architekten zu machen, und wie meistens traf ich mich aus diesem Anlass mit Tim, dem Fotografen, mit dem ich ein Duo gebildet hatte. Wir postierten uns dann wie die lässigen Freigeister vor der jeweiligen Empfangsdame, was ein etwas antiquierter Ausdruck für die multilingualen Schönheiten ist, die in solchen Büros anzutreffen waren, und unserem Auftreten war nicht zu entnehmen, dass wir die billigsten Verkehrsmittel genommen hatten, um hierher zu gelangen, und noch weniger war uns anzusehen, dass wir nach der Produktion unsere letzten Geldscheine für ein Bier am Flughafen zusammenkratzen würden, während wir feststellten, wie sehr diese Menschen, die wir gesprochen hatten, es in einer Sprache der Zuversicht taten, an der es uns mangelte, Designer und Architekten, die unterschiedliche Auffassungen haben mochten, inwieweit ihre Arbeit nur ein kleiner Beitrag zur Veränderung des Alltags oder ein subtiler Beitrag zur gesellschaftlichen Revolution war, aber die sich alle in einem riesigen Ehrgeiz und vor allem einem noch viel größerem Glauben an die Zukunft einig waren, den Tim und ich in diesen Momenten künstlich generieren mussten, weil uns die Rechnungen am Monatsende entgegengeschleudert kamen wie Enterhaken.“

Bluffen ist im sympathischen eBook-Verlag mikrotext erschienen. 2013 von Nikola Richter gegründet hat der Verlag sich die Emanzipation des eBooks auf die Fahnen geschrieben.

„Wir glauben, dass das E-Book neue literarische Formate hervorbringen und verbreiten wird. Dass es Formen sprengen kann, obwohl es aus Formeln besteht. Dass es Original sein kann, wenn es sich nicht vom Hardcover emanzipieren muss. (…) Ein Strahlen, das sich ausbreitet. Leichteste Ware, so schnell wie ein Mausklick. Machen Sie mit bei der Literatur von morgen!“

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