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Bryan Ferry – The Jazz Age

Der Grand Seigneur des scheinbar leicht und mühelos dahinplätschernden, sublimen Popsongs mit gut getarnt reflektierten Texten, Bryan Ferry, hat seinen nächsten großen Wurf gemacht. Während man ihn bei einigen TV-Auftritten schonmal mit einem attraktiveren Udo Jürgens verwechseln kann, hat der Mann doch einiges an Format und wächst noch über sich selber hinaus:

Mit The Jazz Age wird am 26. November ein Album erscheinen, das Bryan Ferrys Hits mit dem Sound der Roaring Twenties fusioniert. (Gerade für Berliner dürfte diese Mixtur aus Moderne, Dekadenz und konservierter Jugend extrem interessant werden!)
Im Stile der 1920s und dem Geiste von Louis Armstrong und Bix Beiderbecke werden seine Kompositionen mit Champagner aufgefüllt.

“I started my musical journey listening to a fair bit of jazz, mainly instrumental, and from diverse and contrasting periods … I loved the way the great soloists would pick up a tune and shake it up – go somewhere completely different – and then return gracefully back to the melody, as if nothing had happened. This seemed to me to reach a sublime peak with the music of Charlie Parker, and later Ornette Colman. More recently, I have been drawn back to the roots, to the weird and wonderful music of the 1920s – the decade that became known as The Jazz Age”

Tracklisting:
1. Do The Strand.
2. Love Is The Drug.
3. Don’t Stop The Dance.
4. Just Like You.
5. Avalon.
6. The Bogus Man.
7. Slave To Love.
8. This Is Tomorrow.
9. The Only Face.
10. I Thought.
11. Reason Or Rhyme
12. Virginia Plain.
13. This Island Earth.

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Platte des Tages: Bajka – Just the Truth [Raw Tape Records]

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Auf den Beats von Rejoicer formt die Nu-Jazz-Soul-Sängerin Bajka bei „Just The Truth“ ihre Stimme von Spoken Word zu Rap und wieder hin zu fast Gesungenem, das, zusammen mit den wildgewordenen Digitaltelefoninterludes, einem wunderbaren Ritt durch eine hoffnungsvolle afrofuturistische Landschaft gleichkommt.

Mit „Pyramid Tips“ auf der Flip dieser 7“ gibt es ein wenig mehr Melodika mit einem gewissen Odskoolgroove im Beat. Vor allem sind es Rejoicers Flächen die Bajkas Stimme auf das richtige Fundament setzen. Schade, dass der Trip so kurz ist. Verdammt, sowas will man öfter hören. Groß.

Anhören und Kaufen
Raw Tape Records

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Lavajaz – Debut [Spontan Musik, SMV018]

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Lavajaz aka Tobias Lorsbach aka Keinzweiter veröffentlicht zwei Jahre nach seiner ‚Globus Cassus‘-LP erneut ein Album. Und das Alter lässt seine Ambivalenzen auch nicht weniger werden. Statt Sci-Fi- und Singularitätsattitüde nun der Überfall auf das Binger Jazzfestival. Kein Problem als Altrheinbewohner mit eigenem Boot.

Und so klingt das Album dann auch, als ob er das Festival samplete, die Aufnahmen durch einen Hecksler jagte und anschließend in akribisch-mainzer Microfunk-Manier wieder zusammengeklebt hätte. Bis auf zwei tanzbare Tracks, ist das “Debut” bewusst ruhig gehalten und lässt den Jazz für sich sprechen. Manchmal schon stark mit elektronischen Sounds versetzt, sind es bei den anderen Tracks fast ausschließlich Originalsamples, die neu arrangiert wurden und das Ganze organischer einfärben.

Höhepunkte sicherlich ‚The weird Wire‘, die – und wieder – Orgel bei ‚Flyin‘ und das an französisches Cut-Up erinnernde ‚Missing‘. Mein Album des Monats und trotz des Alters mancher Tracks um vieles frischer als die Konkurrenz.

Spontan Musik

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Compilation des Monats: Tokyo Dawn Records – The Heat

Die erste Compilation des Frankfurter Labels Tokyo Dawn, die mich restlos begeistert. Tokyo Dawn, die eigentlich aus der Demoszene kommen und vor 7 Jahren mal einen Track für einen Imagefilm von mir beisteuerten, scheinen nach ihrem Relaunch im Jahre 2009 das von Dego McFarlane und Marc Mac aka 4Hero begonnene Projekt eines 21st Century Soul konsequent weiterführen zu wollen. Das hier klingt nach Motown, nach Roots Manuva Dub, nach Urban Beats und ganz viel brennendem Chrom.

Jimetta Rose eröffnet die Compilation mit einem kleinen musikalischen Veuve Cliquot, dicht gefolgt von dem Tanzbodenfeger ‚Wake 2.0‘ von Kris Mars, dessen treibender Funk-Lick-Groove auch von Timbaland, Common oder Kanye West stammen könnte.

Soulparlor knüpfen dann wieder an das Eröffnungsstück an, sind mir aber etwas zu ‚Jamiroquaiesk‘ im Abgang. Auch der spirituelle Rosenaktivismus-Song von Georgia Anne Muldrow hat mich erstmal genervt, gewinnt aber nicht zuletzt dank dem exzellenten (Free)Jazz-Piano bei jedem neuen Hören an Qualität. Der heimliche Star dieser Compilation! Mos Def ist von der Dame so begeistert, dass er sie im Interview mit der New York Times gar mit Ella Fitzgerald und Nina Simone verglich.

Mit Black Consciousness geht es dann auch weiter: Wallis Bird lässt die Männer auf sanfte Art wissen, was eine Frau wirklich braucht. Etwas zu verspult ist mir dann der Jay Scarlett-Joint ‚Gentle Persuasion‘. Der Passauer Swede:art versucht sich ebenfalls an Black Consciousness mit einer philosophisch angehauchten Linguistikkritik.

An zentraler Stelle befinden sich meine Lieblingstracks: Addiquit mit ‚Open Eyes‘ und Exes4Eyes ‚Blow You‘. Beide gehen unglaublich (neo)funky nach vorne und grooven den Hörer in eine Art sexy Trance, die mich schon fast in einen Fahrradunfall hineinbefördert hätte.

So geht es hochqualitativ weiter und eigentlich jeder Trank enthält mindestens eine nette Überraschung, wie die freshe Loop-Perkussion in Donn Ts ‚Kisses‘ oder die Minnie Ripperton-Fender Rhodes in Ronnie Vindahls ‚Head Over Heels‘.

Bis auf wenige etwas schwächere Tranks hinterlässt ‚The Heart‘ ein ähnlich euphorisches Gefühl der Verliebtheit wie einst das Chapter 1 von ‚Two Pages‘, was schön ist, denn anders als das damals geliebte Mädchen ist die Musik ewig und dazu auch noch käuflich. Ein absoluter Herzwärmer für den Herbst.

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Platte des Tages: The Souljazz Orchestra – Rising Sun [Strut Records 058]

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Jazz ist bekanntermaßen nicht nur immer noch der Teacher, sondern auch mein persönlicher Soundtrack des langsam aber sicher beginnenden Frühlings. Dafür verantwortlich ist das kanadische Souljazz Orchestra mit seinem passend betitelten dritten Longplayer Rising Sun. Die Namensähnlichkeit mit dem Londoner Label und Plattenladen ist rein zufällig, doch musikalisch trennt das Sextett aus Ottawa weit weniger als ein schnödes Leerzeichen von den Briten. Denn so wie letztere sich für ihre Compilations immer wieder tief in die Wurzeln vorzugsweise afrikanischer und karibischer Soundkultur eingraben, schöpft auch das Souljazz Orchestra aus dem reichen Fundus von Ethnojazz und Afrobeat.

Pate gestanden haben für Rising Sun natürlich in erster Linie Mulatu Astatke und Fela Kuti, doch bleibt die Interpretation des Orchestras so zeitgemäß wie eigenständig. Selten hört man Jazz so frei von Daddeligkeit und Klischees und so durchgehend rhythmisch und deep. Hier ist alles gleichzeitig wie aus einem Guss und dabei so voller betörender kurzweiliger Momente vor denen man einfach huldigend niederknien muss, wie die Sonnenanbeter auf dem Cover.

So wie bei ‚Negus Negust‘, in dem lateinamerikanisch anmutende Bläsersätze kongenial mit dem glasklaren Vibraphon harmonieren oder dem kinematographischen Kleinod ‚Lotus Flower‘, das mit dem Cadillac direkt vor der Hotelbar parkt. In ‚Serenity‘ tappst schließlich ein schüchternes Pianointro in die Szenerie, bevor es in einen samtenen Umhang aus Saxklängen gehüllt wird. Ein wenig freier und weniger groove-orientiert gestaltet sich das letzte Drittel der Platte, das mit ‚Rejoice‘ eine Coverversion des Sun Ra-Kompagnons Pharaoh Sanders enthält.

Die Art und Weise, in der die sechs Musiker jedem Element den nötigen Raum zur Entfaltung geben, erinnert nicht nur an den klassischen Minimalismus eines Steve Reich, sondern an jazz-geschulte Detroiter House- und Techno-Legenden wie Theo Parrish oder Carl Craig. Hier schließt sich dann wieder der Kreis ins heute. Und genau da ist Rising Sun ab jetzt Pflichtprogramm.

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Igor And The Rattlesnake – Solar Sound System

„I quite like the Strokes as a comedy group, and I very much like the Strokes when their music is mixed up, in a bootleg sense, with the music of pole-dancing pop fiasco Christina Aguilera (…) The stupid sublime stitching together of heated machined pop dripping with money and reheated NY punk scratched out of the fake history books creates a ravishing blur of signals, signatures, speeds and gaps in time (…) at the end of the twentieth century (…) it was commercial pop that was more exciting than commercial rock.“
Paul Morley – Words And Music

Diese erschütternden Sätze gingen mir durch den Kopf, als ich heute die Ausstellung ‚Igor And The Rattlesnake – Solar Sound System‚ verließ. Was Morley da feststellt, geht nicht nur blutjungen ‚The‘-Band-Hörern und Intro-Lesern an den Kragen, sondern auch all denjenigen die immer noch an einen NY-Mythos der späten Siebziger Jahre – Blondie, Burroughs, Warhol, Patti Smith (just to name a few) – glauben. Das dies aber nicht zwangsläufig einen Sieg des Punk/Hyperpop-Mashups bedeutet, habe ich heute durch das Solar Sound System gelernt.

Igor And The Rattlesnake sind die Künstler Nik Nowak aus Berlin und Thomas Chapman aus Brooklyn und ihre Installation Solar Sound System ist noch bis zum 15. Mai in der Galerie Infernoesque zu sehen.

heidestrasse

Im strömenden Regen erreiche ich das East Village von Berlin, die Heidestrasse, wo Galerien, Labels und Clubs eine Industriebrache mit kulturellem Mehrwert versehen. Im Erdgeschoß des Aufgangs II, im Vorraum der Installation, treffe ich den Künstler Nik Nowak, im IR$$$$ MINIMART. Hier kann man in einer Asia-Gemüseladen-Atmosphäre alles von Klopapier über Fake-Kokain, Tampons, Apfelsinen bis hin zur CD ‚Igor and the Rattlesnake Solar Sound System‘ erwerben.

Letztere stellt den auditiven Teil der Installation dar, die mich im nächsten Raum erwartet:

soundsystem-i.jpg
Mother Sculpture

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Male Satellite

Die Installation besteht aus drei miteinander vernetzten Teilen, der Mother Sculpture (Verstärker und Subwoofer) und zwei Speaker-Satelliten die visuell männlich und weiblich codiert sind. Durch Materialien, Farbgebung und collagiertem Fotomaterial vermittelt die Installation erstmal ein Gefühl von Blackness und Alienation. Dies ist m.E. eine Basisstimmung, die den Hauptteil der Installation transportiert: Die Musik.

Produziert von Nik Nowak – der auch Beats und Tenor-Klacnisphniton spielt – ist die CD ‚Solar Sound System‘ das Werk von Niks Freundin Ronel Doual und Thomas Chapman als Vokalisten bzw. Lyricisten und dem Multi-Instrumentalisten Chris Gertges.

Schon in der Produktionsweise schwingt die Idee des Wild Bunch-Kollektivs aus Bristol mit, ein Referenzpunkt der auch in der schleppenden Dubbyness und Open-Mindness der Musik ankert (ich glaube sogar in den Drums des ersten Stückes ein Reminiszenz an Massive Attacks Blue Lines zu hören).

Auf diesem Grundgroove werden Spoken Words, jazzig bis freejazzige Saxophon-Einlagen, Clicks-n-Cuts und wunderschöne Conscious-Vocals collagiert. Alles in einer gutproduzierten Roughness, die einerseits DIY und andererseits hochprofessionell klingt.

Das hier ist das Retro von etwas, was vielleicht in dieser Konsequenz nie war: Brooklyn-Multitude, Hip-Hop, Post-Punk, State-Of-The-Art Beatprogramming, Jazz und Politik. Vielleicht ist Retro zu Unrecht als Nabelschau und Nostalgie verschrien, denn, wenn wie hier, an längst noch nicht ausformulierten Konzepten und Standards gearbeitet wird, macht das alles wieder Sinn…

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DJ Food – Raiding The 20th Century Mix

Ich hatte in meinem letzten Post – über das Buch Words and Music von Paul Morley – schon den MashUp-Pastiche-Mix Raiding the 20th Century von DJ Food erwähnt, der quasi die musikalische Version des Buches von Morley darstellt und tatsächlich von einem Alvin Lucier-Sample eröffnet und von Kylie Minogues ‚Can’t Get You Out Of My Head‘ beendet wird.

Gleichzeitig fasst dieser Mix vieles, was auf der letztwöchigen Veranstaltung Recyling_Sampling_Jamming verhandelt wurde, besser zusammen, als es eine minutiöse Wiedergabe der Fülle an Vorträgen, Diskussionen und Musikbeispielen leisten könnte. (Wer dies trotzdem will, kann sich auf der Website die umfangreichen Podcasts anhören.)

Strictly Kev hat den Mix am 18ten Januar 2004 auf XFM’s The Remix Show in London gesendet und damit einen auditiven Katalog der Geschichte der Cut-Up Musik erstellt. Part 1 beginnt mit einem Rundumschlag bekannter Bastardpop Mash-Ups um den Sachverhalt vorzustellen und leitet über zur Historie in Part 2: Avantgarde Tape Manipulation, Minimal Musik und Musique Concrète.

Part 3 featured mit Turntable-Megamixen und Cut n‘ Paste-Tracks von u.v.a. Bomb The Bass, Coldcut, M/A/R/R/S, Mantronix und Steinski die Old School der Samplekunst, während Part 4 gewissermaßen die New School repräsentiert. Part 5 stellt dann die Synthese in Form populärer Bastardpop Mash-Ups – wie in Part 1 angerissen – dar.

Eine Reise die den auditiven Cortex neu formatiert. Let’s Begin!

[audio:https://media.sas.upenn.edu/pennsound/authors/DJFood/DJ_Food_-_Raiding_the_20th_century.mp3]
DJ Food – Raiding the 20th Century – Words & Music Expansion
[via ubu.com]

Tracklist:
[Weiterlesen]

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Squarepusher – Just A Souvenir

Der Squarepusher oder – wie Bodenständig 2000 es kongenial formulierten – der Klangklötzchenschieber war der Prototyp des Musiker in den 90igern. Tom Jenkinson aka Squarepusher hat seinerzeit die Meßlatte der Clicks n‘ Cuts per Minute mit seinem Jazzrock / Fusion / Ernest Borgnine-Cut-Up um Meilen höher gesetzt und als Mitglied des inoffiziellen Quartetts Aphex Twin, Michael Paradinas µ-ziq und Luke Vibert die Stilrichtung Drill n‘ Bass erfunden.

Auf seinem Debütalbum Feed Me Weird Things twistete er den Jazzrock und reißt mich damit heute noch vom Stuhl:

Im Dictionary findet man unter Squarepusher die Definition ’someone who likes the ladies‘, was bei der Interpretation von Jenkinsons umfangreichen Werk erstmal wenig weiterhilft.

In der einen Minute quetscht Squarepusher Miles Davis-infizierten Jazz in einen Drum n‘ Bass Tracks, in der nächsten verliert er sich in Reverb-Schleifen und lässt die Melodie in einer dubbigen Fusion verschwinden. Auf dem Album Music Is Rotted One Note überraschte er dann 1998 mit live eingespielten Drums, Keyboards und Bass ohne jegliches Sequenzing: Bitches Brew on Acid

Just a Souvenir [Vinyl] ist Squarepushers dreizehntes Album und basiert auf einer Vision, die der Künstler auf einem Rockkonzert hatte:

„This album started as a daydream about watching a crazy, beautiful rock band play an ultra-gig. At first, a giant fluorescent image of a coat hanger appeared at the back of the stage. A couple of seconds later a full size replica of the Camden Falcon backroom materialised around the glowing coat hanger. Upon the stage was a group composed of five musicians. They seemed to be of differing ages, some young, some old. I noticed that the drummer was an Eskimo.“

„They played instruments either of their own design or conventional ones that were modified such that they could be used to generate a range of sounds not typically associated with a rock band.“

What to do after an experience of that order? As the room around me regained its familiar shape, I was left with an urgent sense of responsibility that I do honour to this vision of a remarkable ensemble. My memory of it was the only souvenir, and I feared its vulnerability with only a skull to protect it. I ventured forth to the studio shortly after the New Year. I emerged on July 15th. This is the result. I hope you enjoy it.“

Das Album wird am 27. Oktober erscheinen und bildet eine wilde Mischung aus Trans Ams Album Futureworld, Experimental Rock, Future Jazz, den Drill n‘ Bass-Eskapaden früherer Platten und Vocoder-Quatsch.

Die Clubtransmediale präsentiert am 26. November 2008 um 21 Uhr in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg Platz das erste und einzige Deutschlandkonzert von Squarepusher zum neuen Album. Im Zusammenspiel mit einem Schlagzeuger und aufwändiger Videoshow wird Tom Jenkinson alias Squarepusher mit einem spektakulären Aufführungskonzept die große Bühne des Theaters in einen brodelnden Dancefloor verwandeln.

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Neuromodulator – N [ER CD 023]

Schon vor einiger Zeit hatte ich versprochen, das komplex-akademische Oeuvre der Schweizer Formation Neuromodulator mit dem schlicht-prosaischen Titel N zu reviewen.

Seitdem lag die seltsame Unfähigkeit, diese Musik angemessen zu rezipieren, schwer auf meinem musikalischen Gewissen. Irgendwie fühlte ich mich unzuständig für die avantgardistischen Bestrebungen der Züricher Musiker Erich Hunziker, Christoph Grab, Ephrem Lüchinger und Marius Peyer, die leere Zeit mit abstrakt-dekonstruktivistischen Klangcollagen zu füllen. Hierzu steht den Künstlern ein reiches Instrumentarium (Gitarre, Saxophon, Hacked Toys, Keyboards, Drums, Percussions, DSP und allerlei selbstgebasteltes) zur Verfügung.

Der Waschzettel beschreibt das Vorgehen der vier Instrumentalisten als ‚Instant Compositing‘, was bedeuten soll, dass sie an Ort und Stelle „komponieren und improvisieren“ (sic) und dabei aktuelle Clubmusik, Avantgarde, Ethno und Jazz zu einer Einheit verschmelzen.

Sehr sympathisch mit welchem fast schon arroganten Mut zur Entschleunigung Neuromodulator sich der Flut an Releases im elektronischen Bereich entgegenstellen.

Das gleichberechtigt-experimentelle Arrangieren von Sound und das ständige modulieren der Klänge vom jeweils anderen, erfordert maximale Konzentration vom Hörer, etwas, das ich schon lange verlernt habe.

So kann ich mir das Album auch am ehesten als Soundtrack zu einem expressionistischen Film wie Das Kabinett des Dr. Caligari oder Metropolis vorstellen.

Die mystisch-industrialistischen Tradition von Bands wie Zoviet*France, an die sich Neuromodulator – übrigens auch vom Artwork her – vielleicht anlehen, hat durchaus große Alben wie Monomishe oder Norsch hervorgebracht, aber auch schon zu Beginn der Neunziger eine heftige Sinnkrise erlebt.

Ich mag ignorant sein, aber ich finde die guten klangliche Momente – wie z.B. den Bordun in dem Track Pass-Age – zu heterogen-beliebig eingestreut und das Album für einen interessierten digitalen Bohemien einfach zu schwer zugänglich.

Vielleicht wollen sich ja mal ein paar gute Remixer – ich denke da beispielsweise an Patrick Pulsinger – des Albums annehmen, die dem klanglich-ausufernden eine loophafte Strenge verordnen. Ansonsten übergebe ich an die Spezialisten von jazzthing oder jazzthetik.

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Cobblestone Jazz b/w Jamie Lidell – 23 Seconds / JIM

Die Kanadier Tyger Dhula, Mathew Jonson und Keyboarder Danuel Tate von Cobblestone Jazz krochen kürzlich via last.fm in meinen Aufmerksamkeitshorizont und blieben dort erstaunlicherweise über Wochen hängen.

Zwar verhandeln Cobblestone Jazz auf dem Album 23 Seconds nichts, was nicht auch schon in den Mid-90ies von Carl Craigs Innerzone Orchestra, dem grandios bescheuerten Pulsinger-Projekt The Private Lightning Six auf dem Album They Came Down oder der wegweisenden UR-2×12″ Dark Energy touchiert wurde, aber die klassische Art Synthesizer-Texturen mit Fender Rhodes-Chords und jazzigen Tunes zu würzen hat ihren Reiz immer noch nicht verloren.

Jazz Cover

Auf dem Album gibt es einige wundervollen Momente u.a. eben der Titeltrack 23 Seconds oder Lime In Da Coconut, die dem Sound der oben genannten Vordenker ein freshes, extrem tanzbares Tech-House-Gewand verpassen.

23 Seconds
23 Seconds [Vinyl]

Ein anderer Wiedergänger des vertrackten 90ies Elektrofunk ist Jamie Lidell, der seinerzeit zusammen mit Christian Vogel das potentiell und hypothetisch geniale Projekt Super_Collider (bereits Ende der 90er mit modischem Unterstrich) betrieb.

Potentiell und hypothetisch deshalb, da ich mich nie so richtig mit dem leicht sperrigen, trockenen, antiessentialistischen Funk der beiden anfreunden konnte. Meine Schuld!

Noch weniger begeisterte mich allerdings der Wandel von Lidell zur britischen Version von Jan Delay oder zum „the best album that Prince never made“-Produzenten. Der Sound des neuen Albums JIM ist mir bisher denn doch zu untight und verdaddelt, aber im Sat.1-Frühstücksfernsehen von der ahnungslosen Sprecherin als „sonniger Gute-Laune-Soul mit Klimper-Piano und sanfter Stimme“ bezeichnet zu werden, das hat der Gute nun auch wieder nicht verdient.

Super Collider – It Won’T Be Long [Vinyl]