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Martin Brandlmayr – Werner Dafeldecker – Christian Fennesz – Till the old world’s blown up and a new one is created [m=minimal, mm011]

Spätestens nach dieser EP wird eines klar. Man braucht keinen Gott oder die Evolution, sondern einfach nur Musik. Natürlich ist es nicht schwer, sich die Welt untergehend vorzustellen, aber eine neue? Die drei Musiker Martin Brandlmayr, Werner Dafeldecker und Christian Fennesz haben hier lauter Versatzstücke anzubieten, die zwar auch nicht die ganze Musikwelt umkrempeln werden, aber zumindest ein Stückchen weiter in Richtung „Hörgewohnheiten ändern“ gehen.

Mit Gitarre, Rauschen, Streichern, Klavier und Glocken verzaubern sie eine Minimalwelt, die so verstörend wirkt, wie einst die Charaktere in Twin Peaks. Musik, die man oft hören muss und die zur Belohnung immer wieder neue Facetten an ihr zeigt. Super.

Coming soon: Anhören und kaufen bei m=minimal

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Area – Absence EP [Wave Music 50213]

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Ein ruhig-minimal-verhallter Technotrack in stark verzögerter Kühle, dessen Melodien ruhig durch den Orbit fliegen und zwischendurch von ein paar Sonden gekreuzt werden ist ‚LLOPD‘, der im Remix von Benjamin Brunn in ein warmes orgelig-verspieltes Housemonster mit Hammond-Charme verwandelt wird, von dessen Sorte man sich mehr wünscht.

Mit ‚Missing A Few” ist das Set-Einstieg-Intro des Monats mit auf der EP: leicht angfrickelt, dennoch warm mit viel Raum drin. Das langweilige ‚Response‘ hätte man zwar weglassen können, es vermindert die Freude an dieser guten EP aber keinesfalls.

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DS – All of you [Overdrive 178]

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Mit einer abgehackten Rauschfahne, tief von unten kommend, beginnt die A-Seite, die sich kurze Zeit später in ein humoriges Minimal-Monster verwandelt. Auf den groovenden Grund-Beat setzt Daniel Steinberg das alte Roland-Piano, dass einem noch aus Tekkno-Zeiten im Ohr nachhallt und schreckt auch nicht davor zurück, ein Staubsauger-Break in die Mitte zu setzen. Das macht genauso Laune wie es zum Ausrasten einlädt. Großartig diese Oldskool-Reminiszenz.

Auf der B1 stampft der Beat ein wenig mehr und bekommt dazu abgehackte Vocals verpasst. Nach diesen beiden CutUp-Tracks darf es beim dritten Track housiger zugehen – schließlich schadet nach der Verausgabung auch eine gute Portion Deepness nicht. Super 12”, wie fast jede DS.

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Heinrichs & Hirtenfellner – Down EP [Dekadent 011]

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Typisch Berliner Minimalsound der hier doch positiv überrascht. Mit einer Choir-Sound-Melodie, bei der jeder auf jeden zweiten Beat ein Ton kommt und den zwischendurch einsetzenden Streichern, vermittelt das die Wärme im Club, die sonst nur ein Ofenfeuer gibt. Passt deshalb perfekt zum miesen Wetter dieser Tage.

Mit ‚Soap‘ bringen H&H den eigentlichen Hit dieser EP. Trompeten, eine bauchfellkitzelnde Bassline und ein melancholischer Chor grooven das Herz warm. Die Endlosrille am Schluss bringt dann den nötigen Spaßfaktor aufs Vinyl.

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Italoboyz – Bla Bla Bla [Mothership 023]

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Techno und Humor gehen oft getrennte Wege. Bei den Italoboyz glücklicherweise nicht. Schon im ersten Track ihres Club-Albums mischt sich die gesamplete Big-Ben-Glocke mit Flamenco-Gitarre und Klavier. Das klingt an vielen Stellen improvisiert – wobei das spontane ‚mit-dem-Klavier-drüberspielen‘ das Debut durchzieht – und vor allem humorig. Da wird dann ein Speak-and-Spell-artiges ‚I don’t speak Chinese‘-Sample um chinesische Folkloreklänge ergänzt oder unverständliche Umlaute ins Jomox-Gewand gekleidet und immer wieder ertönt das Klavier, manchmal auch die jazzige Trompete. Die groovigen Beats darunter sind eh nur die Spielwiese, auf der sich die Improvisationen ausbreiten. Mit ‚The Pink Unicorn‘ bekommt das Album ein Outro, das gleich einer tanzende Schönheit an sich klingt.

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Stratis – Musica da Ballo [Integrated Circuits 1985]

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“Musica da Ballo” des griechischen Künstlers Antonio Stratis wäre eine typische Minimalkassette (und Minimal wurde damals noch deutsch ausgesprochen), die nach einer Mischung aus Wave- und Ambientanleihen klingt, wäre da nicht das eine herausragende Stück “Herzlos” mit seinem direkten Wavebeat das es einem immer wieder kalt den Rücken runterlaufen lässt.

Dort wo andere Deutschrockbands gegen Ausländerfeindlichkeit singen, ohne direkt damit konfrontiert zu sein, erzählt Stratis von einem Angriff auf ihn und klingt dabei so angepisst, dass es erstens überhaupt nicht zu den anderen Stücken passt und zweitens so als ob er gerade halbblutend von Pflastersteinen aufgestanden wäre und ins Mikro gesungen hätte. Mit das härteste Lied, dass ich kenne und man spürt, wie krass manchmal das Leben für Woandersgeborene hier sein muss.

Das Video zeigt die gemasterte Version von Hells New-Deutsch-Compilation, das – falls die MC gut überspielt wurde – heruntergepitcht ist, da es auf der Original-EP viel schneller läuft. Auf LastFM ist er immer noch aktiv und hörbar.

Stratis – Herzlos

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Harry Axt / Daniel Steinberg: Friede, Freude, Techno

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Friede, Freude, Techno

von Bastian Thüne aus De:Bug 130

Techno ist neben der Musik vor allem auch eine Art des Feierns. Spaß, Hedonismus und Unvernunft treibt uns viele Wochenenden in die Clubs. Dabei geht es mitunter ganz schön humorlos zu, wenn dann im Endeffekt viele mit Sonnenbrille am Rumposen sind. “Im Techno nehmen sich manche auch immer sehr ernst und man kann das auch ein bisschen von der spaßigen Seite sehen”, erzählt uns ein gut gelaunter Harry Axt, der in einem Grand-Petrol-Video auch gerne mal einen Ein-Mann-Balkon-Rave inszeniert und dessen Name so unverfroren bodenständig klingt, als müsste er aussehen wie das deutsche Pendant zu Albert “Al” Borland aus der Serie “Hör mal, wer da hämmert”.

Hämmern tut es natürlich schon bei ihm, aber längst nicht so grobschlächtig, wie es der Name vermuten lässt. Das rote Karohemd, dass zwar wieder gut zu einem grundkonservativen Lebensstil passen würde, wird eben nicht durch einen wohlgenährten Bauch ausladend nach vorne zur Schau gestellt, sondern durch eine viel zu kleine Lederjacke aufs Korn genommen, die man sich gerne als Karnevalskostüm wünscht. Die knallenge Lackhose tut ihr übriges.

Aber Harry Axt ist ja auch Daniel Steinberg, der dem tranfunzeligen Minimal dieser Tage einen ordentlichen Schuss Chicago, Cut-Up und locker-hüftschwingende Housegrooves hinzufügt. Das funktioniert und hat Humor. Ob als DS auf Overdrive, als Daniel Steinberg auf Frontroom und Style Rockets oder eben als Harry Axt auf Grand Petrol und Kiddaz.fm. Da wundert es nicht, dass seine frühen Einflüsse neben den ersten Acidhouse-Platten, Phuture und Strictly Rhythm auch die gängige Dancemusic der frühen 90er war, wie Black Box, Technotronic oder Bizarre Inc.

Jedenfalls sind die beiden Alter Egos des 32-Jährigen derzeit auf vielen Tanzflächen anzutreffen und auch als DJ will sich der Berliner nicht nur auf einen Namen festlegen: “Ich lege meist unterschiedlich auf. Als Daniel Steinberg spiele ich eher einen nicht so harten, mehr techhousigeren Sound und bei Harry Axt wird es dann schon härter und technoider.” Beim Produzieren verlässt er sich ebenfalls auf diese Dichotomie, die es ihm ermöglicht zwei Seiten auszuleben. “Harry Axt ist dann immer ein bisschen doller, technoider und wirkt düsterer. Bei Daniel Steinberg fluffig, housig. Mit Samples … so Friede, Freude … (lacht).”

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Auf seinem Debutalbum Planet Axt, das er jetzt als Harry Axt veröffentlicht, fügt Daniel glücklicherweise beide Seiten zusammen und nimmt uns mit auf seinen Planeten, auf dem schon sehnsüchtig die ravenden Weltraumgeschöpfe mit den Äxten in ihren Händen rumwedeln. Mit düsteren Basslines unterlegte Tracks, die die Melancholie mit Vocalfetzen auf ein funkiges Level anheben, und drohnigen Tunneln, durch die einzelne Klaviertöne hindurchschwirren, baut sich Daniel sein Universum zusammen. Das darf dann auch elektronische Big Band im Slowmotion-Tempo sein oder voll auf die Zwölf gehen. Schließlich geht es um Techno und dabei vor allem um den Spaß.

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DJ Food – Raiding The 20th Century Mix

Ich hatte in meinem letzten Post – über das Buch Words and Music von Paul Morley – schon den MashUp-Pastiche-Mix Raiding the 20th Century von DJ Food erwähnt, der quasi die musikalische Version des Buches von Morley darstellt und tatsächlich von einem Alvin Lucier-Sample eröffnet und von Kylie Minogues ‚Can’t Get You Out Of My Head‘ beendet wird.

Gleichzeitig fasst dieser Mix vieles, was auf der letztwöchigen Veranstaltung Recyling_Sampling_Jamming verhandelt wurde, besser zusammen, als es eine minutiöse Wiedergabe der Fülle an Vorträgen, Diskussionen und Musikbeispielen leisten könnte. (Wer dies trotzdem will, kann sich auf der Website die umfangreichen Podcasts anhören.)

Strictly Kev hat den Mix am 18ten Januar 2004 auf XFM’s The Remix Show in London gesendet und damit einen auditiven Katalog der Geschichte der Cut-Up Musik erstellt. Part 1 beginnt mit einem Rundumschlag bekannter Bastardpop Mash-Ups um den Sachverhalt vorzustellen und leitet über zur Historie in Part 2: Avantgarde Tape Manipulation, Minimal Musik und Musique Concrète.

Part 3 featured mit Turntable-Megamixen und Cut n‘ Paste-Tracks von u.v.a. Bomb The Bass, Coldcut, M/A/R/R/S, Mantronix und Steinski die Old School der Samplekunst, während Part 4 gewissermaßen die New School repräsentiert. Part 5 stellt dann die Synthese in Form populärer Bastardpop Mash-Ups – wie in Part 1 angerissen – dar.

Eine Reise die den auditiven Cortex neu formatiert. Let’s Begin!

[audio:https://media.sas.upenn.edu/pennsound/authors/DJFood/DJ_Food_-_Raiding_the_20th_century.mp3]
DJ Food – Raiding the 20th Century – Words & Music Expansion
[via ubu.com]

Tracklist:
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Platte des Tages: 3 FS – Crackerjack Stitch [FIM 095]

Nie hat House härter oder metallischer geklungen als auf dieser 12″. Während ich mich an drei Tracks kaum noch erinnere, ist der Sneak Mix von Slali Window einer dieser Alltime-Classics, der nirgends gespielt wird und wohl auch auf keiner Top Ten jemals vertreten sein dürfte.

Mit direktestem 909-Beat und den ständig reinhauenden metallischen Claps, schaffte es der Track nicht nur die gemietete Anlage im Niersteiner Jugendheim und meine Ohren in der Wiesbadener Hasengartenstraße zu zerfetzen, sondern macht auch heute noch neben totkomprimierten Tracks eine sehr gute Figur. Zwei Sounds und ein Drumcomputer reichen Sneak, um einen unheimlich knallenden Groove zu entwickeln, der in seiner Härte besser mit Nitzer Ebbs ‚Let Your Body Learn‘ mixbar ist, als mit van Heldens ‚Phunk Phenomenon‘. Großgroß, groß, sicherlich auch noch in 2017.

Sollte man allen aktuellen Minimalisten und DeepHousern kräftig um die Ohren hauen, bis sie wieder rohe Technik walten lassen.

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Neuromodulator – N [ER CD 023]

Schon vor einiger Zeit hatte ich versprochen, das komplex-akademische Oeuvre der Schweizer Formation Neuromodulator mit dem schlicht-prosaischen Titel N zu reviewen.

Seitdem lag die seltsame Unfähigkeit, diese Musik angemessen zu rezipieren, schwer auf meinem musikalischen Gewissen. Irgendwie fühlte ich mich unzuständig für die avantgardistischen Bestrebungen der Züricher Musiker Erich Hunziker, Christoph Grab, Ephrem Lüchinger und Marius Peyer, die leere Zeit mit abstrakt-dekonstruktivistischen Klangcollagen zu füllen. Hierzu steht den Künstlern ein reiches Instrumentarium (Gitarre, Saxophon, Hacked Toys, Keyboards, Drums, Percussions, DSP und allerlei selbstgebasteltes) zur Verfügung.

Der Waschzettel beschreibt das Vorgehen der vier Instrumentalisten als ‚Instant Compositing‘, was bedeuten soll, dass sie an Ort und Stelle „komponieren und improvisieren“ (sic) und dabei aktuelle Clubmusik, Avantgarde, Ethno und Jazz zu einer Einheit verschmelzen.

Sehr sympathisch mit welchem fast schon arroganten Mut zur Entschleunigung Neuromodulator sich der Flut an Releases im elektronischen Bereich entgegenstellen.

Das gleichberechtigt-experimentelle Arrangieren von Sound und das ständige modulieren der Klänge vom jeweils anderen, erfordert maximale Konzentration vom Hörer, etwas, das ich schon lange verlernt habe.

So kann ich mir das Album auch am ehesten als Soundtrack zu einem expressionistischen Film wie Das Kabinett des Dr. Caligari oder Metropolis vorstellen.

Die mystisch-industrialistischen Tradition von Bands wie Zoviet*France, an die sich Neuromodulator – übrigens auch vom Artwork her – vielleicht anlehen, hat durchaus große Alben wie Monomishe oder Norsch hervorgebracht, aber auch schon zu Beginn der Neunziger eine heftige Sinnkrise erlebt.

Ich mag ignorant sein, aber ich finde die guten klangliche Momente – wie z.B. den Bordun in dem Track Pass-Age – zu heterogen-beliebig eingestreut und das Album für einen interessierten digitalen Bohemien einfach zu schwer zugänglich.

Vielleicht wollen sich ja mal ein paar gute Remixer – ich denke da beispielsweise an Patrick Pulsinger – des Albums annehmen, die dem klanglich-ausufernden eine loophafte Strenge verordnen. Ansonsten übergebe ich an die Spezialisten von jazzthing oder jazzthetik.