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Platte des Tages: Sugalo – Disco

„Wenn Disco alle Tage wär‘, dann wär‘ das Leben halb so schwer.“

Aus der tiefsten niedersächsischen Provinz in der Pferdestadt Verden entstand der funkigste 303-Poptrack – und ich bin mir total sicher, dass dies eine TB ist – der auch heute noch beim Weggehen funktionieren würde. Wohl Anfang der 80er singen die Mädels und Jungs davon, wie eine Disco-Nacht in der Reiterstadt aussieht und dass dies abseits der subkulturellen Großstadtzentren John Travoltas ‚Saturday Night Fever‘ noch das Nonplusultra war.

Feiertechnisch vielleicht unterlegen sind sie der blasierten Untergrundelite musikalisch um Jahre voraus. Nicht in Berlin, nicht in Frankfurt, sondern auf dem Land wird die 303 für das eingesetzt, das sie am besten kann. Funkig sein, auch ohne Resonanzfiltergedrehe, dazu ein hüftschwingender Fast-Electrobeat, der durch ein paar Westerngitarren-Parts genau das Quentchen an Provinzialität bekommt, um den eigenwilligen Hitcharakter zu unterstreichen.

Sugalo – Disco

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Stratis – Musica da Ballo [Integrated Circuits 1985]

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“Musica da Ballo” des griechischen Künstlers Antonio Stratis wäre eine typische Minimalkassette (und Minimal wurde damals noch deutsch ausgesprochen), die nach einer Mischung aus Wave- und Ambientanleihen klingt, wäre da nicht das eine herausragende Stück “Herzlos” mit seinem direkten Wavebeat das es einem immer wieder kalt den Rücken runterlaufen lässt.

Dort wo andere Deutschrockbands gegen Ausländerfeindlichkeit singen, ohne direkt damit konfrontiert zu sein, erzählt Stratis von einem Angriff auf ihn und klingt dabei so angepisst, dass es erstens überhaupt nicht zu den anderen Stücken passt und zweitens so als ob er gerade halbblutend von Pflastersteinen aufgestanden wäre und ins Mikro gesungen hätte. Mit das härteste Lied, dass ich kenne und man spürt, wie krass manchmal das Leben für Woandersgeborene hier sein muss.

Das Video zeigt die gemasterte Version von Hells New-Deutsch-Compilation, das – falls die MC gut überspielt wurde – heruntergepitcht ist, da es auf der Original-EP viel schneller läuft. Auf LastFM ist er immer noch aktiv und hörbar.

Stratis – Herzlos

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Weltuntergangswoche

Was mir bei der ganzen Techno-Geschichtsschreibung immer schon aufgestoßen ist, ist die Tatsache, dass es immer besondere Anlässe gegeben haben soll (die sogenannte Stunde Null oder Blueprints) die als Momentum an Innovationen gelten, die es aber so nicht gegeben hat oder die auch nur auf anderes aufbauen. Beispielsweise wird dann nach dem ersten Technotrack überhaupt gesucht (wahlweise Number of Names – Shari Vari oder Model 500 – No U.F.O.). Obwohl es – wie wir inzwischen wissen – Techno schon im akademischen Umfeld der 60er Jahre gegeben hat, also ohne die Einflüsse von Kraftwerk und Co.

Doch das soll hier nicht weiter verfolgt werden, sollte dies nur ein kurzes Intro sein, um zu zeigen, dass Musikentwicklung nicht linear oder gar Black-Box-like verläuft, sondern es immer wieder abseitige oder vergessene Wege gibt, die nach n Jahren wieder auftauchen, und manchmal braucht es auch eine Dekade um persönliche missing links zu finden, die einiges mehr erklären als das kanonisierende Durchschnittswissen bereithält.

Beim Techno gab es lange zwei Versionen, die auch heute noch im Umlauf sind. Entweder ist es die Geschichte dreier junger Männer in Detroit, die sich mit Hilfe europäischem Synthie-Pops und amerikanischen Funks, plus einer Prise Alvin Tofflers Schriften ihr Techno-Universum schufen.

Zweite Variante: DAF schufen eine ziemlich harte elektronische Musik, die in Belgien zu EBM umgemünzt wurde, darüber den Weg nach Deutschland zurückfand und schließlich durch einen damaligen Frankfurter Plattenverkäufer das Label Techno verpasst bekam und sich im Umfeld des Technoclubs/Dorian Grays zum heutigen Techno entwickelte.

Allerdings fragte ich mich seit Ewigkeiten wie so mancher Produzent auf seine abgedrehten Sounds kam. Zwar halbwegs vertraut mit Kraftwerk, Jarre, dem ganzen Synthpop, Wave und auch EBM (belgischer als auch deutscher Spielart) brauchte es bis zur Lesung Jürgen Teipels (“Verschwende deine Jugend”) und dem ersten Hören von Der Plan und artverwandtem, bis mir einige Lichter aufgingen.

Seit dem Abend und einigen Startschwierigkeiten ist die unkommerziellere Variante der Neuen Deutschen Welle (NDW) von einer Unbekannten zur zweiten Lieblingsmusik nach “Techno” aufgestiegen. Dank Frank Apunkt Schneider, der neben einem fantastischen, kritischen Buch zur NDW („Als die Welt noch unterging„), auch fast eine Komplettdiskographie aller NDW-Platten aufschrieb, ist es auch als arg Zuspätgekommener möglich an den Raritäten teilzuhaben, bzw. sie ersteinmal entdecken zu können. Diese Woche wird es dann ein kleines NDW-Spezial geben.