Artikel
0 Kommentare

Westbam – The Early Years

Maximilian Lenz aka Westbam aka Westfalia Bambaataa wurde in Münster geboren. Bevor er der „Avantgardist der Raving Society“ (sic!) wurde, hat der umtriebige DJ eine Reihe von richtig coolen Cut n‘ Paste und House-Trax produziert.

Nach dem Paul Hardcastle-RipOff 17 – This Is Not A Boris Becker Song unter dem Pseudonym Cowboy Temple folgte der – trotz oder gerade wegen des offensichtlichen Kraftwerk-Samples – extrem funkige Low Spirit-Release Monkey Say Monkey Do.
Monkey Say, Monkey Do (Remix) [Vinyl]

Kurz nach Monkey Say Monkey Do folgte die durchaus inspirierende LP Westbam mit einem sehr interessanten Cover.

Westbam LP Cover

Einer der ersten deutschen Cut n‘ Paste-Charthits war The Roof Is On Fire 1990, der seinen großen Brüdern aus UK in nichts nachsteht. House-Piano, Robo-Voice, Oldschool-HipHop-Samples und Trillerpfeifen. Party On!

The Roof Is On Fire [Vinyl]
The Cabinet [CD]

Westbam sieht sich nach eigener Aussage auch als eine Art Avantgardist und postmoderne Konzepte wie die Zerstörung des überholten bürgerlichen Autoren- oder Genie-Begriffs oder der Mißbrauch der Technik durch z.B. Schallplattenmanipulationen sind ihm wohlbekannt:

„Das kann man schon als Jazz begreifen, als Improvisation mit Technik, die ihren spezifischen Groove entwickelt.“

Schade, dass es Westbam später nicht mehr so richtig gelang diese interessanten Ansätze explizit in seiner Musik umzusetzen. KLF beispielsweise haben auf diesem Gebiet wesentlich mehr überzeugen können.

Eine sehr interessante Kollaboration hatte der frühe Westbam 1987 mit der westrussische Avantgardeband Popularnaja Mehanika oder Pop Mechanics.

„Die Pop Mechanics sind in Riga an mich herangetreten, als sie dort während ihrer Tournee auftraten. Sie fragten mich, ob ich Lust hätte, bei ihrem Konzert in der Schule der Aeronauten Platten aufzulegen. Von diesem Auftritt ist ein Mitschnitt auf Kassette gemacht worden, der dann bei What’s So Funny About erschien.“

Die dekonstruktivistischen Scratch-Phrasen über dadaeskem Gesang, Free-Piano, Folklore und Jazz – alles schön nacheinander – sind ein echtes Sammlerstück mit dem Titel Westbam – Live at Riga [Vinyl].

Den hypnotischen Groove von Chicago House entdeckte Westbam in den frühen Neunzigern mit einer Reihe von Veröffentlichungen, unter denen für mich vor allem Hold Me Back hervorsticht.

Hold Me Back [Vinyl]

Auch an Skacid im weiteren Sinne hat sich Westbam mit dem Track Cold Train [Vinyl] versucht.

Es zeigt sich also, dass der frühe Westbam eine erstaunliche musikalische Bandbreite und konzeptionelle Reife hatte, die über die Mayday-Jahre peu à peu verlorenging und später nur noch manchmal mit obskuren Veröffentlichungen wie dem Merve-Band Mix, Cuts und Scratches mit Rainald Goetz aufblitzte.

Artikel
0 Kommentare

Paul Rutherford – Get Real

Einen der merkwürdigsten Side-Steps ins Genre Acid House hat wohl Paul Rutherford, Tänzer und Background-Vocalist der Gruppe Frankie Goes To Hollywood, abgeliefert.

Er war einer der beiden „geouteten“ Schwulen der Band und somit wohl an hedonistischer Dance-Musik interessiert. Durch seine Beziehung mit Holly Johnson, sowie eines der ersten öffentlich sichtbaren Nipple-Piercings und einem Herz-Tattoo am Arm, gelangte er zu gewisser Berühmtheit und einer sehr kurzen Solo-Karriere.

Aber im Gegensatz zu anderen hastig zusammengeschusterten Acid House-Mixen – von Stars wie Samantha Fox oder Paula Abdul – ist der Track Get Real von 1988 ein Burner. Phatte Acid-Bassline, rauchig-samtige Vocals, Reggae-Soundsystem-Billo-Effekte und ein knallhartes Drumpattern.

Get Real (Happy House Mix) [Vinyl]

Artikel
0 Kommentare

Jammin‘ Unit – Chemical Dub

Geboren als Sohn eines türkischen Vaters und einer finnischen Mutter, begann Cem Oral aka Jammin‘ Unit seine musikalische Karriere mit einem 4-Spur-Rekorder und einem Synthesizer, bevor er dann erst als audio engineer und später als Produzent von u.a. B.V.S.M.P. und George McCrae arbeitete. Selbst die Berliner Fake-Frankophilo Popband Stereo Total liess ihre garagige Soundästhetik durch Jammin‘ Unit elektronisch veredeln.

Jammin‘ Unit ist Cem Orals Hauptprojekt und fusst in der Tradition der Dub-Produktion. Beeinflusst von King Tubby und Lee Scratch Perry, mag Jammin‘ Unit lieber Dub als Ambient, weil der digitale Sound ihn eher abstösst: „Wenn es nicht so viel Arbeit wäre, dann würde ich sogar wieder mit Bandmaschinen arbeiten.“

So werden auch schon mal Bassline & TR-808 über einen Fender- Gitarrenverstärker abgenommen um den Sound dreckig zu machen und sich vom traditionellen TR-909/TB-303-Strickmuster abzuheben.

Witchman vs. Jammin‘ Unit – Inferno [CD]

Mit seinem Partner Roger Cobernus aka Kerosene hat Cem Oral das Projekt Ultrahigh und das Label Pharma ins Leben gerufen. Der Pharma-Sound war ein Hybrid von Electro, Techno und Dub-Styles zuweilen mit merkwürdigen Vocal-Samples. Auf Pharma haben vor allem bekannte Produzenten wie Cems Bruder Can Oral aka Kahn, DMX Krew und Air Liquide unter Pseudonymen veröffentlicht. Im Jahre 2000 wurde der Laden dann wieder dichtgemacht.

Air Liquide hat Cem Oral zusammen mit Ingmar Koch aka Dr. Walker gegründet und ihr erstes Album 1991 hiess „Neue Frankfurter Elektronikschule“ auf dem Blue-Label, das sie zusammen mit Jörg Burger aka The Bionaut betrieben. 1995 folgte als viertes Album nach Liquid Air und Mandragora der Guns n‘ Roses-Kalauer Abuse your Illusion auf Harvest, dem Label auf dem schon die Kölner Elektroniker Can veröffentlicht haben.

Air Liquide – Let Your Ears Be the Receiver [CD]
Let Your Ears Be the Receiver [Vinyl]

Air Liquide bewegen sich als Speerspitze der Electronic Avantgarde stilistisch zwischen Acid, Dub, Electro, Funk, House und Ragga.

Digital vernetztes produzieren ist dabei nichts für Air Liquide, für sie gehört das gemeinschaftliche Biertrinken, die Späße und das Testen der Tracks auf der Tanzfläche zum Produktionsprozess. Rock n‘ Roll als materialästhetisches Konzept, im Studio wird gejammt und dann werden die Tracks zerschnitten, gemixt und overdubbet. Teststrecke ist u.a. eine eigene Partyreihe im Kölner Camouflage „Bassphemic Village“, in der schon Michael Rother, Holger Czukay, FM Einheit, Christopher Just und Tok Tok zu Gast waren.


Chemical Dub Albumcover

Jammin‘ Unit – Discovers Chemical Dub (UK-Import)

Der legendäre Sound der Jammin‘ Unit LPs Discovers Chemical Dub und Deaf, Dub and Blind findet sich in lysergsäurehaltiger Form auf dem zweiten Sideprojekt von Walker und Cem Oral Madonna 303 wieder.

Artikel
0 Kommentare

Luke Vibert / Wagon Christ / Plug

Luke Vibert aka Wagon Christ aka Plug hat sein soziales Milieu nie in Richtung Club verlassen und pflegt eher ein musikalischen Nerdtum wie Kollege Aphex Twin. Das enthebt ihn von den ungeschriebenen Gesetzen der Grooves und Beats und sorgt für ein überraschungsreiches Springen zwischen den Sounds um der Sounds willen. Ob OldSchool-Acid, Downbeat, Mescalin-Jazzfunk oder 70ties-BigBeat-MashUp, von allem gibt es etwas bei Luke Vibert.

Wagon Christ – Receiver
Wagon Christ – Musipal [Digipack]
Wagon Christ – Musipal [Vinyl LP]

Die geographische Nachbarschaft zu Aphex Twin in Cornwall, führte Luke Vibert von den Abwegen in einer Punkband zu den Möglichkeiten der elektronischen Musik. Ein eher relaxtes Album ist Throbbing Pouch auf Rising High, zwei Jahre später gefolgt von Drum n Bass For Papa, wo Wagon Christ die Techniken und Attitüden von Drum and Bass ausprobiert.

Drum n Bass For Papa Albumcover
Plug – Drum n‘ Bass For Papa

Das 97er Album Big Soup ist das Audio-Äquivalent eines Jungen, der sein Zimmer seit Jahren nicht mehr aufgeräumt hat. Auf YosepH entdeckt Luke Vibert dann die TB-303 wieder und verquickt den Zwitschersound mit phatten Dope-Beats.

Luke Vibert – Yoseph [Vinyl LP]

Und auch Live jammt Luke Vibert überzeugend:

Luke Vibert Presents: Further Nuggets [Vinyl LP]

Artikel
0 Kommentare

Like A Tim – Into The Nature Remix

Der Niederländer Like A Tim, der seine kranken Grooves, superschnellen Tonband-Scratches und quiekenden Industrial-Soundcollagen auf u.a. DJAX-Records veröffentlicht hat, hat auch einen Remix für Hardfloor und deren Killer-Album Hardfloor – TB Resuscitation [Vinyl] gemacht.

Tim van Leijden hat seinen ganz eigenen Weg den Funk zu phreaken und man findet diese seltsamen Grooves bei kaum einem anderen Künstler. Wenn ein Track von Like A Tim einen erstmal hat, ist es zu spät. Keine Chance dazu zu tanzen aber nach kurzer Zeit bemerkt man, dass sich Arme und Beine wie von selbst bewegen und wilde Kreise und Rechtecke in die Luft zeichnen…

Like A Tim – Live
I Like It When You Don’t… [Vinyl]
I’m Serious [Vinyl]