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Kettel – Myam James Part I

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, auf realvinylz.de eben nicht genau die Platten abzufeiern, die auch in allen anderen Musikmedien gerade für Furore sorgen, weshalb ich auch immer wieder über noch relative unbekannte Artists und Veranstaltungen wie JaHrlatan, Neurosis Orchestra, Friedrich Liechtenstein, Berlin Bass Sessions u.ä. berichte. Auch die CD „N“ der Schweizer Formation Neuromodulator liegt zu meiner Schande noch unrezensiert auf meinem Schreibtisch, was ich jedoch in Kürze nachholen werde.

Im Falle des Niederländers Reimer Eising aka Kettel und seinem neuen Album Myam James Part I auf Sending Orbs muss ich allerdings mal wieder eine Ausnahme machen. Schon nach den ersten Takten von The Wombat ist klar, dass dieses Album mich süchtig machen wird. Alle heißgeliebten IDM-Zutaten in 3.6-Version auf einmal: flockige Breakbeats, kleine Melodielinien aus deren Ausarbeitung die Kings Of Convenience ganze Alben machen könnten, knackige 303-Basslines und ein Pling-Plong-Bleep-Clonk-Meer, in dem man gerne ertrinken möchte.

Myam James Part 1

Da ich gerade von einem Freund große Teile des Backkatalogs von Mille Plateaux geschenkt bekommen habe, inkl. des Albums 4E4ME4YOU von 4E aka Kahn aka Can Oral und einem gewissen DJ Snax, stelle ich ganz zufällig und folgerichtig fest, das Kettels neues Album genau die richtige Mischung zwischen dem NY/Kölsch-Phunk von Temple Records und dem Mittneunziger-IDM von The Black Dog, Plaid oder B12 darstellt und der offizielle Sound meines Sommers werden wird.

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realvinylz: School of Stylez [Vol.1 – IDM]

Als Urban Electronic Music-Blogger werde ich (Sub_Kid) es ab heute als meine Aufgabe betrachten in loser Folge die Reihe School of Stylez zu bloggen. In jeder Folge wird ein elektronischer Musikstil beleuchtet und den Anfang macht wohl eines der umstrittensten Genres der Neunziger: IDM aka Intelligent Dance Music aka Braindance aka Electronic Listening Music.

Der schon von Beginn an polarisierende Begriff IDM bezeichnet eine Form der distinguierten elektronischen Musik der frühen Neunziger-Jahre, die sowohl auf dem Dancefloor als auch zuhause funktionieren sollte. Natürlich beleidigte der Begriff gleich tausende von Dance-Produzenten, weil er ihre Musik implizit für stupide erklärte.

„I hate IDM and its elitist champions. It makes the music sound so much more than it actually is. It’s a label invented by PR companies who need catchphrases. I like sounds, but hate what people attach to sounds.“
Kid 606

Der Begriff IDM macht jedoch vor dem Hintergrund Sinn, dass er eine Fusion des harten Dance-Sounds der Raves und großen Clubs und der Downtempo-Tracks der Chill-Out-Areas darstellte und somit das missing link zwischen zwei sozialen Praxen bildete.

So lässt sich der frühe IDM-Sound auch als eine Mélange aus Chicago House, soften Synth-Sounds, Ambient und unglaublich mittigen Breakbeats beschreiben und meiner Meinung nach am Besten bei The Black Dog oder B12 nachhören.

Das stilbildende Label des IDM ist wohl Warp Records aus Sheffield und dessen Compilations Artificial Intelligence Vol.1 & 2 featuring Aphex Twin, The Orb, Plastikman und Autechre. Aber auch Rising High, R&S, Rephlex und Astralwerks haben hochwertige IDM-Trax releaset.

In Nordamerika hatte der IDM-Sound gegen Ende der Neunziger-Jahre seinen zweiten Frühling auf Labels wie Drop Beat, Isophlux, Suction, Chocolate Industries und Cytrax.

Die Genre-Bezeichnungen (a) Electronic Listening Music oder (b) Braindance konnten sich nie gegen den Begriff IDM durchsetzen, sind jedoch ebenfalls recht geläufig und irgendwie auch (a) sympathischer oder (b) in einigen Fällen treffender.

Liste aller IDM-Musiker
IDM-Radio bei last.fm

We Are Reasonable People (Warp 100) [Vinyl]
Book of Dogma – Collection of The Black Dog

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Dntel – (This Is) The Dream Of Evan and Chan / Umbrella

Es gibt Tracks –Nein!– Songs, die einen ein Leben lang begleiten. Sie sind wie der erste Kuss im Sommergewitterregen unter der Eisenbahnbrücke oder die aus Liebeskummer durchsoffene Nacht, die verzweifelt im Sonnenschein auf dem Vorplatz des Düsseldorfer Hauptbahnhofes endet.

(This Is) The Dream Of Evan and Chan, von Jimmy Tamborello aka Dntel und Ben Gibbard – Gründer von Death Cab For Cutie – zusammen als The Postal Service, ist so ein Song.

Aus weißem Rauschen und verzerrten Drones schält sich langsam eine warme Synthesizer-Fläche und eröffnet einen Dubby Indietronics Love-Song. Dabei bleibt der Track über voller Länge in der Ästhetik, die ich an anderer Stelle schonmal HarddiscSampleGlitch-Experimentaltrash genannt habe und erinnert mich an eine noch zu schreibende musiktheoretische Abhandlung über die Frage, warum ein genialer Popsong wie beispielsweise There’s A Light That Never Goes Out von The Smiths gerade in der Reduktion bzw. Destruktion (Schneider TM versus KPT.Michi.Gan mit The Light 3000), eine noch höhere Ebene der Perfektion erreicht.

High Definition Clip

(This Is) The Dream of Evan and Chan [Vinyl]

Um es mit Mary-Ann Hobbs zu formulieren: This Massive Track Will ABSOLUTELY Blow Your Mind!

Auf dem Dntel-Album Life Is Full of Possibilities finden sich weitere „absolutely wicked“ Tracks/Songs wie Umbrella mit Vokalist Chris Gunst oder Anywhere Anyone mit Mia Doi Todd.

Neues Album von Dntel: Dumb Luck
Dumb Luck [Vinyl]

The Postal Service-Album: Give Up
Give Up+B-Sides [Vinyl]

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Cadence Weapon – Afterparty Babies [Big Dada]

Roland ‚Rollie‘ Pemberton aka Cadence Weapon aus dem kanadischen Edmonton – u.a. auch Geburtsort von Marshall McLuhan – ist ein Grime-Rapper der außergewöhnlichen Sorte. Sein Rhyme-Stil erinnert an UK-Grime-Artists wie Kano oder Dizzee Rascal, jedoch scheinen seine musikalischen Wurzeln eher im IDM, House und UK-Breakbeat zu liegen. Auch ist er nicht sonderlich an Bling-Bling-Eskapaden interessiert, sondern eher an Partys mit Freunden und hedonistischem GrandmasterFlasheskem (puh!) Duktus.

Cadence Weapon

Nach seinem HipHop-Album Breaking Kayfabe [Vinyl] ist Cadence Weapon mit Afterparty Babies [Vinyl], einer Verbeugung vor seinem ersten Einfluss Teddy Pemberton, zurück. Teddy Pemberton ist Rollies Vater und hat die Black Sound Experience Radio Show an der Universität von Alberta gehostet, eine missionarische NY-HipHop-Show.

Nichstdestotrotz fühlt sich Cadence Weapon mehr der Uptempo Electronic Music und dem europäischen Daft Punk-Sound verpflichtet als dem ghettoisierten Underground-HipHop. So ist Afterparty Babies auf Big Dada Recordings eine testosteron- und adrenalingeschwängerte, clevere Electronic-HipHop-Platte, die mich beim ersten Hören etwas an die Shadow Huntaz gemahnt, wenn auch deutlich lebenbejahender und mit mehr Schampus im Abgang.

Afterparty Babies [Vinyl]
Breaking Kayfabe [Vinyl]

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Telefon Tel Aviv – I lied

Telefon Tel Aviv? Im Frühling des letzten Jahres führte mich meine Reisebummelei über Ägypten, den Sinai und Jordanien nach Israel. Dort landete ich letztendlich in Tel Aviv und bin seitdem vom maroden Bauhaus-Charme der weltlichen Hauptstadt Israels fasziniert.

Tel Aviv Schild gr

Wieder daheim konsumierte ich so ziemlich alles, was es in Bezug auf diese Stadt gibt, u.a. das schöne Büchlein Tel Aviv. Eine Stadterzählung von Katharina Hacker und die Krautrock-House Kuriosität Tel Aviv & Eleven Other Originals [Vinyl] von FSK.

Auch die Alben des Chicagoer Electronica / IDM / Ambient-Projekts Telefon Tel Aviv von Joshua Eustis und Charles Cooper gehörten dazu. Ursprünglich 1999 in New Orleans gegründet, landeten die beiden schnell auf dem Experimental Electronic Label Hefty Records, wo sie ihre erste LP Fahrenheit Fair Enough [Vinyl] releasten.

Irgendwie fand ich nie wirklich die Zeit mir die Alben von Telefon Tel Aviv in Ruhe anzuhören und so brauchte es auch erst den dezenten Hinweis von Christine Vaccine in ihrem letzten Mix – in Form des alle zu Euphorie-Zwecken begangenen BTM-Verstösse überflüssigmachenden Stückchen Himmelreichs I Lied mit dem Gastsänger Damon Aaro – um mich anzufixen.

I Lied ist eine elektronisch-laszive R’n’B-Nummer – von der zweiten LP Map of What Is Effortless [Vinyl] – die sich durchaus mit (This Is) The Dream of Evan and Chan von Dntel oder dem wunderschönen Track Disquiet von Static mit Christof Kurzmann messen lassen kann.

Telefon Tel Aviv haben auch zahlreiche Remixes angefertigt, die auf der CD Remix Compiled vereint sind.

Die knarzenden Electro-Rhythms, warmen analogen Instrumentierungen, souligen Vocals und der zeitweilige Breitwand-Orchester-Sound, machen alle Alben zu einem Erlebnis und auch Live machen die beiden einen guten Eindruck.

Telefon Tel Aviv – Fahrenheit Fair Enough [Vinyl]
Telefon Tel Aviv – Remixes Compiled
Static – Flavour Has No Name [Vinyl]
Dntel – Life Is Full of Possibilities

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Prefuse 73 – Point To B

Prefuse 73 (mit bürgerlichem Namen Guillermo Scott Herren) begann seine Karriere in einer Werbe-Postproduktion in Atlanta. Prefuse 73 benutzt die menschliche Stimme als Instrument und transferiert so die Idee der Human Beatbox ins nächste Jahrtausend.

Stotternde Raps, die von einer Platte gesampled sein könnten, auf der die Nadel wie zufällig herumtanzt, zu einem tighten Glitch-Sound oder CutandPaste-Beat. Die Resultate sind keineswegs experimentell, sondern frisch groovende Tunes mit dem gewissen Extra, wie schon auf seiner ersten LP Vocal Studies + Uprock Narrative zu hören ist.

Wenn Autechre sublimer, abstrakter HipHop sind, dann bringt Prefuse 73 den nerdigen Harddisk-Rock von Autechre zurück auf die Strasse!

Prefuse 73 – Vocal Studies & Uprock Narratives

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Wax Stag – Short Road

Braindance der klassischen Warp/Rephlex-Schule ist gar nicht so leicht zu finden. Umso erfreuter war ich, auf der ebenfalls sehr empfehlenswerten DJ Kicks-Ausgabe von Hot Chip den Track Short Road der Pop/DiscoHouse/FolkRock-Gruppe Wax Stag aus St. Albans, UK zu finden.

Dieses kleine Stück Candy steht Tracks seiner grossen Brüder Aphex Twin oder Michael Paradinas µ-ziq in nichts nach und spült die verfeierten Synapsen mal ordentlich durch.

Braindance Coincidence [Vinyl]

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Autechre – Tri Repetae

Die Musik vom WARP-Labels war bis Mitte der Neunziger eine feste Konstante, ein Ort an dem die Diskussion Club-Music versus Home-Listening ihren Sinn verloren hat. Und an diesem Ort liegt auch die Universalität – ich habe diese Musik einem Sharp Skin, einem Berliner Vorgartenproll mit leicht faschistischen Ansichten, einem Bong-Raucher und einem HipHop-Kid vorgespielt und allen blieb die Spucke weg – und der Genius von Autechre.

Es ist sehr schwer diese Musik mit Worten zu beschreiben, aber ich werde es versuchen: Dubinfizierte-HarddiscSampleGlitch-ExperimentalTrash-Beautiful-
NeoClassical-AnalogueBubblebathProducing-Nieendensollende Musik, die eine ewige Ruhe in die Herzen der Ungläubigen pflanzen und eines Tages (nach dem Dritten Weltkrieg) über die von nuklearem Fallout bedeckten Ruinen gleiten wird…

Zwei youtube-User (Hirnduebel und Crawler23) haben ihre Visionen zu Tri Repetae-Tracks auf vormagnetisiertem Datenträger gebannt:

Autechre – Tri Repetae

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Oval – Textuell

Die Musik von Oval aka Markus Popp, Sebastian Oschatz und Frank Metzger ist höchst abstrakte elektronische „Zukunftsmusik“. Die Band bedient sich einer komplett anderen Soundästhetik als vergleichbare Zeitgenossen. Oval sind eher von chinesischer Gong-Musik oder Zen-Meditation beeinflusst als von elektronischen Standards, was sich besonders auf ihrem Album „94 Diskont“ auf Mille Plateaux zeigt.

Vielleicht sind Oval und die vergleichbaren Mouse On Mars deswegen so erfolgreich in China. Der Track „Do while“ vom Album „94 Diskont“ ist eigentlich für eine Ich-Weiss-Nicht-Wieviele-Lautsprecher-Umgebung komponiert worden und ist unfassbar meditativ. 24 Minuten hypnotischer Sound aus dem Jahre 3000, der einem den Atem raubt.

Wie wird sich Musik in der Zukunft anhören? Listen to Oval’s Vision…

„Textuell“ vom 94er Album „Systemisch“ auf Thrill Jockey, kurz bevor sich Oval 1996 trennten und Markus Popp alleine das Ruder übernahm…

Oval – Textuell
Oval – 94 Diskont.