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In The Mix: Kelpe – Crispy Juice

Manchmal – eher selten – geschieht es, dass man in einer Bar, einem Plattenladen, einem Club, einen Track hört, der so geil ist, dass man sich – allen Hemmungen zum Trotz – selber dabei beobachtet wie man zum Plattenhändler respektive der Bardame rennt und sich nach dem Urheber des Glücksgefühls erkundigt. Ich habe dies in voller Intensität zweimal erlebt, einmal im Groove Attack in Köln, als ich gerade mit einem Freund auf der Couch gechillt habe und einmal in der Berliner Bar Haliflor in Mitte. Einmal war es der Aphex Twin Remix von DMX Crew’s You Can’t Hide Your Love und das andere Mal Kelpe’s Album Sea Inside Body.

Das ich, angeschubst durch die Musik, auch noch eine interessante Frau kennengelernt habe, ist eine andere Geschichte, die Tatsache itself aber ein Indiz dafür, dass bei mir (und anderen) das Interesse an Menschen dem an der Musik untergeordnet ist. Wie sonst sind solipsistischen Headphone-Nerds in der U-Bahn zu erklären, die mit entrücktem Blick zu einem für andere unhörbaren Beat rocken, in diesem Fall eben dem von Kelpes göttlichem Mix Crispy Juice, der das Release seines neuen Albums Cambio Wechsel flankiert, welches am Montag erscheinen soll.

Der Mix beginnt mit einer Dabryeesken BrokenBeats-Etüde von den Heralds of Change, die im einzigen Vocal-Scratch gleich Rob Base UND Busta Rhymes featuren und ein wenig meine Instrumental-HipHop-Müdigkeit herausforderten. Doch diese zum Herbstwetter passenden Gedanken werden sogleich von einem strammen Rockbeat hinweggefegt, der ausgerechnet vom – zuweilen anstrengenden – Koushik of Stones-Throw-Fame stammt. Beep 06 heisst das Stück und leitet übergleitend in Bibios S’Vive eine 50minütige Mixorgie mit Cutting-Edge-Glitch-Hop ein.

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Kelpe scheint mein favorisiertes Musikgenre über Jahre beobachtet zu haben und liefert eine (fast) perfekte Komposition aus mir größtenteils unbekannten Artists, die aber alle so klingen, als würde Flying Lotus für den persönlichen Geschmack Auftragsbeats produzieren.

Mal treffen TangerineDreameske Synthesizerfragmente auf hinterherstolpernde Beats die nur eine Millisekunde von totaler Kakophonie entfernt sind (Kona Triangle), mal erklingen selbstverliebte Orgel-Herzwärmer aus Wien (Dorian Concept) oder Visual Kei Ambient (Teebs). Ein Mix der Menschen glücklich macht, mich zumindest, für Tage, für Wochen und die Playlist lohnt intensives Googeln…

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Burial – Autoren-Dubstep

2006 hat ein mysteriöser Produzent namens Burial auf Kode 9’s Label Hyperdub ein eigenbetiteltes Killer-Album veröffentlicht. Burial vereint die somnambulen Synkopen von UK Garage, das gecrackle von Clicks n‘ Cuts, und subsonisch grummelnde Bassmonster zu einer einzigartigen Form von Autoren-Dubstep. Er lotet die Grenzen des Genres, durch eine dichte William Gibsoneske Soundästhetik, die Bilder einer futuristischen Techno-Metropole wie die paranoid-eingeschlossene Atmosphäre von Blade Runner heraufbeschwört, neu aus.

Blade Runner – Final Cut Special Edition (2 DVDs)

Burials schmuddelige Dubstep-Variante, sein körperloser Soul, ist die musikalische Entsprechung des Cityspeak in einem ethnisch und religiös gemischten Slum in einem London des späten 21ten Jahrhunderts.

Aufgrund der Basic Channel-Verwandheit des Namens vermuteten viele Kritiker, dass das Umfeld des Berliner Minimal-Tech-Dub Labels hinter Burial steckt. Doch, soviel ist bekannt, Burial kommt aus Südlondon und sein Debütalbum wird mittlerweile in einem Atemzug mit Boards Of Canada’s Music Has The Right To Children genannt.

Die SciFi-Mystik und Darkness der Tracks, erzeugt durch die prasselnde Statik von Piraten-Radiosendern und pulsierenden Echokammern, beschreibt Burial selbst als “when you come out of a club and there’s that echo in your head of the music you just heard“. Die Liebe zur Bearbeitung von Drums, der unterirdische Blues von Distant Lights und die Offstep-Organ Stabs von Wounder machen aus dem Album einen hypermodernen Klassiker eines hypermodernen Genres.


Burial Albumcover

Burial – Burial [CD]
Burial [Vinyl]

Auf dem neuen Album Untrue nähert sich Burial wieder dem eigentlichen Geburtsort des Dubsteps, dem Dancefloor, an. Und wer einmal Endorphin gehört hat, weiss was Burial meint, wenn er von Echos der Clubnacht spricht: Die amphetamingeschwängerte Euphorie des Happy-Hardcore-Sirenengesangs wird erst in der Echokammer von Burial zum alltäglichen Begleiter in deinen Headphones.

Burial – Untrue CD
Untrue [Vinyl]
Dubstep / Grime Releases