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Christian Prommers Drumlesson Vol.1

Christian Prommer, of Trüby Trio-, Fauna Flash– and Voom:Voom-Fame, hat es gewagt: Massive Klassiker der Techno- und House-Geschichte im Jazz-Quartet-Gewand.

Wie viele Fehler man bei diesem Cover-Vorhaben machen kann, haben unzählige Synthesizer-Classics, Jazz goes Pop und Acid-Jazz-Compilations vorgemacht. Von verdaddelter Beliebigkeit bis zu stupider Harmonisierung der Loop/Hookline/Sample-Ästhetik des Track-Formates.

Christian Prommer hingegen hat alles richtig gemacht: Grossartige Ausgangsstücke (Anthems wie Can You Feel It?, Strings Of Life, Higher State of Consciousness oder Beau Mot Plage sind fest im kollektiven Gedächtnis der Liebhaber elektronischer Tanzmusik verankert), kompetente Jazz-Grössen wie den Allround-Schlagzeuger Wolfgang Haffner oder Pianist Roberto di Gioia und die eigenen Hipster-Nase.

Das Christian Prommer – Drumlesson Vol. 1 [CD] auf Sonar Kollektiv kein Novelty-Gag ist, merkt man allein daran, dass man die Originale nicht kennen muss (zwei oder drei Stücke sind selbst mir unbekannt :-)) um die musikalische Stringenz zu begreifen. Alle Tracks sind freejazzig in ein anderes musikalisches Medium transkribiert worden und funktionieren dort ohne grossen musikalischen oder theoretischen Hintergrund.

Inwieweit die Transformation auch umkehrbar ist, wird sich im Herbst auf der Drumlesson Vol.2 zeigen, auf der Techno-Produzenten Jazzkompositionen interpretieren werden.

Christian Prommer – Drumlesson Vol. 1 [CD]
Strings of Life / Space Jam [Vinyl]
Beaut Mot Plage / Rex Drums [Vinyl]

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Prosumer & Murat Tepeli – Deep Analogue House

Der aus dem Saarbrücker Hardwax-Umfeld stammende Achim Brandenburg aka Prosumer ist ein wahrer Experte im klassischen Chicago House und Detroit Techno. Soulful House Music mit rohen Maschinenbeats und analoger Wärme, die er als Resident-DJ in der Panorama Bar, sowie im Watergate und im Weekend erklingen lässt.

Die Figur des Prosumer ist Alvin Toffler’s Sci-Fi-Studie The Third Wave entlehnt. Toffler sagte vorraus, das die Rollen von Produzenten und Konsumenten verblassen und zusammenwachsen würden, da die Massenproduktion von Standardgütern die Konsumenten übersättigen werde. Der Prosumer müsse dann Teil des Produktionsprozesses werden, um neue hochspezialisierte und bedarfsgerechte Produkte zu designen.

Dies macht Prosumer, in Form von Musik, zusammen mit seinem Freund und Kollegen Murat Tepeli, neuerdings auf dem Berliner Label Ostgut Ton. Die beiden vereint eine Liebe zum roughen, direkten Sound der eine gewisse Unmittelbarkeit suggeriert, die viele in elektronischer Musik ja zu vermissen meinen. Unterstützt werden sie dabei auch von der Sängerin Elif Bicer, Barfrau in der Panoramabar, die mit ihrem soulgetränkten Gesang die Synthetik weiter „humanisiert“.

Das gerade erschienene Album Serenity [Vinyl] ist das Ergebnis ausgiebiger Jam-Sessions der Dreien.

Serenity [Vinyl]
Serenity [CD]

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Larry Heard aka Mr. Fingers – Chicago House

Larry Heard aka Mr.Fingers aka Loose Fingers aka House Factor aka Fingers Inc. (zusammen mit Robert Owens und Ron Wilson) etc. ad libitum, der Mann, der den Maschinen den Soul beigebracht hat, wurde 1960 in Chicago geboren und begann unter dem Einfluss seiner Eltern schon früh Schallplatten zu kaufen.

Nach einer beeindruckenden Anzahl von Bands in denen er als Schlagzeuger mitwirkte, kaufte er sich eine Roland TR-707 und einen Roland Jupiter 6-Synthesizer, mit denen er 1986 innerhalb weniger Tage die Tracks Mystery Of Love und Washing Machine produzierte. Mystery Of Love enterte die Nummer 10 der Billboard-Charts.

Der absolute Durchruch gelang Larry Heard mit Can You Feel It, einem Instrumental-Stück, zu dem später die Acapella-Vocals von Chuck Roberts hinzugefügt wurden. Dieses Acapella-Stück wurde zuerst auf My House von Rhythm Controll verwendet, aber die zeitloseste Stimme in der Geschichte der Dance-Musik, passt wesentlich besser zu Can You Feel It.

Can You Feel It [Vinyl]
Washing Machine [Vinyl]

Jack, die mythisch aufgeladene Initationsfigur von House, wurde hier unsterblich gemacht. Der phatte Bassline-Sound, der von Larry Heard live eingespielt wurde, ist dem Alpha Juno-2 von Roland zu verdanken. Mit seinem smoothen, warmen Produktionsstil, den soulschwangeren Vocals und langen Instrumentalpassagen prägte Mr. Fingers das Subgenre Deep House, zusammen mit den damals konkurrierenden Labels Trax Records und DJ International, auf denen er veröffentlichte.

Die vielen Monikers, die Heard benutzt, gehen ihm zufolge auf George Clinton zurück, der auch unter unzähligen Namen veröffentlicht hat. Sein Spitzname Loose Fingers wurde ihm von seinem Bruder verliehen, da Larry immer gefaket hat ein Instrument zu spielen, indem er die Finger schnell darüber bewegte.

Die Vocals auf dem zweiten grossen Hit What About This Love? kommen übrigens von Larry Heard selber, da David Hollister nicht im Studio erschien und Heard den roughen Vocal-Track einsingen musste, um die Melodie zu erinnern. Aus der Notlösung wurde ein Klassiker des Deep House.

Introduction [Vinyl]

Die spezielle Produktionsweise, das Aufnehmen eines Tracks in ein oder zwei Takes, ohne Overdub, der four-to-the-floor-Drumbeat als universelle Rythmussprache, der weitgehende Verzicht auf Samples und die „The First Cut Is The Deepest'“-Philosophie sind seitdem das Markenzeichen für den speziellen Sound von Larry Heard.

Ein aktueller Track The Sun Can’t Compare ist 2006 erschienen. Ein wunderschöner, aufs wesentliche reduzierter, subtiler Acid House-Track mit souligen Vocals.