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Arcade Fire – City With No Children

When you’re hiding underground / The rain can’t get you wet / But do you think your righteousness could pay the interest on your debt? / I have my doubts about it
Arcade Fire – City With No Children

Was mir an dem Song ‚City With No Children‘, den ich auf Anhieb gerne mochte, nach einiger Zeit auffiel war diese Songzeile. Darf man so etwas singen? Also nicht nach den ungeschriebenen Gesetzen einer Indie-Geschmackspolizei, sondern in dem Sinne: Wird man als Band noch ernst genommen, wenn man die Warenförmigkeit des musikalischen Outputs damit begründet man müsse ja auch seine Schulden bezahlen? Die größten Momente im Indepent-Rock sind ja immer dann, wenn Probleme thematisiert werden die sich im elektronischen Sektor selten auftun.

Den eingangs zitierten Satz habe ich in den letzten Jahren öfter gehört, wenn es um die Vereinbarkeit von Lebensentwurf und Job, Theorie und Praxis ging. Die dialektische Antwort lautet meist: In einer Gesellschaft, die so ist wie sie ist, hat man nur die Wahl zu schweigen oder zu den Bedingungen zu sprechen die das System vorgibt. Natürlich, wenn niemand mehr singen würde, wäre offensichtlich, dass an diesem System etwas fundamental nicht in Ordnung ist. In der Realität gäbe es allerdings nur noch unreflektierte Deppenmusik. Aber warum meinen Arcade Fire sich erklären zu müssen, in einem Song, der von enttäuschter Liebe, entfremdetem Leben und dem Wunsch handelt es ‚Richtig‘ zu machen?

Righteousness bezahlt keine Schulden, außer den symbolischen, aber sie lässt einen besser schlafen. Müssen sich Arcade Fire rechtfertigen? Hat jemand einen Vorwurf gegen sie erhoben? Oder wollten sie sich von vorneherein gegen den überragenden Erfolg des Albums absichern? (Was zumindest ein interessantes Konzept wäre.)
Der ‚Underground‘, das New Yorker Pendant der San Franciscoer ‚counterculture‘, entwickelt gegen die spezifischen künstlerischen Ideen des Modernismus, wird in dem Song ja noch an anderer Stelle symbolisch aufgeladen:

Dreamed I drove home to Houston / On a highway that was underground / There was no light that we could see / As we listened to the sound of the engine failing

Win Butler spricht ja hier nicht von einem Tunnel, sondern einem richtigen Underground-Highway. Was bedeutet das? Das Symbol der (nicht nur) amerikanischen (speedlimitierten) Freiheit ist unter der Erde, näher an der mythischen Hölle, dem Erdkern, geschützt vor den Augen des Superioren. Ist es der Traum der Bands im Underground zu den eigenen Bedingungen erfolgreich zu werden? Und kann dies nur ein Traum bleiben? Muss man zwangsläufig den ’sound of the engine failing‘ hören? Ich denke Arcade Fire haben die Frage zu schnell für sich beantwortet. Oder ein Thema aufgeworfen das vorher keines war.

In keinem anderen Song des Albums klingt die Band so sehr nach ‚reheated New York Punk‘ wie in ‚City With No Children‘. Mir gefällt das, ich bin ja auch von elektronischer Musik und Hip-Hop sozialisiert.

Und vielleicht gefällt mir der Song ja deshalb so gut, weil Arcade Fire im Gegensatz zu e.g. den Strokes zumindest ein Bewusstsein dessen habe, was immer und immer wieder geschieht: Die Privilegien der Bürgerlichkeit strecken ihre Fühler nach dem Bohemien aus. Lieber Gott, lass mich kein bürgerliches Wesen werden. Am Ende entdeckt man dann:

I used to think I was not like them but I’m beginning to have my doubts / My doubts about it

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