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transmediale 10: Atemporality – A Cultural Speed Control

Meine erste Konferenz auf der diesjährigen transmediale: Atemporality – A Cultural Speed Control. Der Referent ist Bruce Sterling, exilierter Texaner und SciFi-Autor, der mit William Gibson maßgeblich an der Erschaffung der Genres Cyberpunk und Steampunk beteiligt war. Laut Programmheft ist die Fragestellung wie wir in Zeiten von politischen Planungsintervallen die die Dauer von Wahlperioden haben die Zukunft weiterhin als Ressource nutzen können.

Wenn Fortschritt mehr sein soll als das Re-Design bereits vorhandener Fahrzeugpaletten, benötigen wir eine ästhetische und mediale Analyse unserer Gegenwart.

‚Was ist Atemporalität?‘ war die Kernfrage die Bruce Sterling in den Raum stellte. Es sei die Frage nach der Natur des historischen Wissens, wie wir über Geschichte denken. (Geschichte ist bekanntlich keine Wissenschaft auch wenn es die gleichnamigen Wissenschaften gibt, sondern Geschichte ist ein Frage des Standpunktes der Erzählers, was uns gerade bei den grossen Menschheitserzählungen oft nicht ausreichend bewusst ist.)

Bruce Sterling erklärte, er wolle zunächst Atemporalität als modernes Phänomen gegen beispielsweise die Postmoderne in Stellung bringen und in der Folge dann Strategien für Künstler entwickeln damit umzugehen. Als amüsantes Beispiel stellte er ein Zitat Richard Feynmans in den Kontext des Web2.0:

‚Write down the problem. Think REALLY hard. Write down the solution.‘

In unseren Zeiten, so Bruce Sterling, sehe es folgendermaßen aus:

1. Write the problem in a search engine. Look if somebody has solved it before.

2. Write about the problem in a Blog.

3. Publish the problem via twitter.

4. Open Source the problem.

5. Start a Social Network about the problem.

6. Make a video of the Problem – youtube it.

7. Create a Design Fiction that claims the problem is solved.

8. Create some gadget about my problem.

Der intellektuelle Prozess an sich, der Ansatz einer Problemlösung, sei in diesen ‚kollaborativen‘ Techniken verlorengegangen. Vielmehr sei jede Erkenntnis ‚just meaning, value, database mining or social relevancy‘. Wer schreibt Geschichte heutzutage, wer ist die relevante Figur hinter gesellschaftlichen Erzählungen? ‚Network culture offers a long tail of intellectual rumors about history‘

Allerdings sei kein Anlass für eine moralische Panik gegeben, man müsse nicht Punk werden, sich umbringen und Steine werfen, so Sterling. Vielmehr sei ein ‚calm, serene and pragmatic scepticism‘ gegenüber historischen Erzählungen angebracht.

Wie immer bei transmediale-Keynotes habe ich hier kurz den Faden verloren und ich bin mir nicht sicher ob dies an meinen mangelnden Englischkenntnissen im wissenschaftlichen Bereich lag oder an der Sprunghaftigkeit in Sterlings Denken. Jedenfalls schlug Sterling nun vor als künstlerische Strategie etwas zu kreieren das erst in etwa zwanzig Jahren Sinn machen wird. Es war ein Aufruf an Künstler eine Vergangenheit oder Zukunft einfach anzuwenden und zu leben.

‚Why dont you just dress up as an astronaut? Make yourself a public declaration of a future that doesn’t exist? Become multitemporal rather than multicultural!‘

Der nächste Vortragende war der Medienarchäologe Siegfrid Zielinski, der u.a. die Holy Trinity of Time auf einem altmodischen Overhead-Projektor vorstellte, was allgemeinen Applaus ob dieser ausgestorbenen Kulturtechnik auslöste. Jedenfalls sei die Heilige Dreifaltigkeit eben PAST, PRESENT und FUTURE. Nun kam Zielinski auf das Buch Negative Theologie der Zeit von Michael Theunissen zu sprechen, in dem zwei Pathologien des Zeitbewusstseins erwähnt werden. Einerseits die Melancholie als ein ‚to be too much in time‘ (STUCK) und anderseits die Paranoia als ein ‚to be too little in time‘ (ESCAPE).

Zielinski @tm10

Es folgten Ausführungen über die Zeit in der griechischen Mythologie, namentlich Kronos (die biologische (Lebens-)zeit), Kairos (die imaginäre Zeit ohne Ausdehnung, ‚Der Gott des günstigen Augenblicks‘) und Aion (die Ewigkeit).

An dieser Stelle las ich einen Tweet von @gregorsedlag:

Zielinski kann ich ja schon auf deutsch nicht folgen, auf Englisch wird es Realsatire. Erfolgreich als Polylux-Retromedienaktivist. #tm10

Dem ist Nichts hinzuzufügen, ausser das sich Zielinski mit den Worten verabschiedete: ‚We move from the past into the future and are presence in both of them‘.

Während der Keynote von Siegfried Zielinski stoppte das Google Street Car an der chinesischen Botschaft und mein Tweet darüber wurde von tweetscreen an eine Wand im HKW geworfen…

tweetscreen

SubKid RT @anjakrieger: OMG! The Google Car stopped by The Chinese Embassy! #fffffat #tm10

Den nächste Redner fasse ich per Tweet zusammen, keine Zeit, möge das Netzwerk was daraus machen:

Alexander Rose, Long Now Foundation, presents examples of projects from around the world & history involving extremely long term thinking #tm10

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  1. Pingback: Track des Tages: Zeigeist - Humanitarianism (Twelves Remix)

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