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DOK Hackathon Berlin auf ARTE Future

Die Ergebnisse des ersten Berliner DOK Hackathons sind ab heute online auf ARTE Future. Es lohnt sich auf jeden Fall reinzuschauen und zu staunen, was man in nicht mal 72 Stunden mit einem kleinen Team so schaffen kann …

Webdoc

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Die Geburt der Webdoc aus dem Geiste der Kybernetik

Am vergangenen Sonntag hatte ich das Vergnügen mir die vier Projekte der Teilnehmer des ersten Berliner DOK Hackathons ansehen zu dürfen. Die vier Teams und ihre Projekte sind hier und auf ARTE Future zu finden.

In der Jury saßen unter anderem Vertreter von Süddeutsche.de und Zeit Online – sogenannte Onliner -, ein Krautreporter, aber auch Frédéric Jaeger von critic.de. Von Letzterem habe ich vor der Veranstaltung die tolle Artikelserie zum Thema Cross-, Trans- und Multimedialität gelesen. Und dann bin ich ins Nachdenken geraten …

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Am Ende der Präsentation fragte einer der Teilnehmer die Jury (und hier offenbar die potentiellen Auftragsgeber oder Lizenzabnehmer) was diese denn für Projekte suchen würden. Sinngemäß antworteten beide Online-Pressevertreter, dass es darum ginge im Aufmerksamkeitsdschungel des Internets attraktive Gimmicks zu bieten, die Aufmerksamkeit erregen und potentielle Leser langfristig an die jeweilige Seite oder Marke binden. Dabei müsse natürlich die Waage zwischen formaler und inhaltlicher Wiedererkennbarkeit und Innovation gehalten werden. Dies ist aus Sicht der Onliner durchaus legitim und nachvollziehbar. Was mich nur gewundert hat, ist, dass von anderer Stelle keine Erweiterung oder Kritik dieses Begriffs von Webdoc/Webfiction angebracht wurde. Denn von der Sichtweise der Finanzierer/Auftragsgeber mal abgesehen:

Was sollte eine Webdoc/Webfiction eigentlich können, außer sich Fernsehsendern oder Online-Medien als Mehrheitsbeschaffer anzudienen?

Man stelle sich mal testweise vor, Fernsehbeiträge wären in der Anfangszeit des Fernsehens ausschließlich als Spielfilmteaser konzipiert und verstanden worden. Der raison d’être des Fernsehens wäre folglich nur der gewesen in Zeiten der Rezession mehr Menschen ins Kino zu bekommen. Oder als zweite Einkommensquelle und Abspielstation für Kinofilme zu dienen. Ich denke gleichermaßen liegt heute eine sehr einseitige Konzeption von Webdoc/Webfiction vor. Es scheint wenige Player oder Stakeholder zu geben, die die Möglichkeiten des Mediums – über dessen Rolle als journalistisches Novelty-Tool oder Beschaffer von zusätzlichen Kundenkontakten hinaus – reflektieren. Zumindest nicht von ökonomischer Seite. Die freigeistige Geburt einer neuen Kunstform sieht anders aus …

Wir brauchen wohl keinen Siegfried Kracauer der Webdoc/Webfiction, aber die Autor_innen müssen lernen sich von den Wünschen des Marktes freizuschwimmen. Webdoc-Autor David Dufresne stellte auf dem DOK.forum 2014 in München folgende provokante Frage:

„Would you ask a poet or painter about his business model?“

Nicht viele Leute haben applaudiert. Warum? Klingt das zu naiv-romantisch? Führen vielleicht die Produktionsbedingungen eines Teams von Designer_innen, Transmedia Producer_innen, Programmier_innen und Autor_innen strukturell dazu, dass schnell von einem „Produkt“ geredet wird und weniger von einem „Kunstwerk“ oder auch nur einer Webdoc? Muss eine Webdoc/Webfiction immer eine Ware sein, die an unterschiedlichen Stellschrauben hinsichtlich Usability, Storytelling, Performativity und Lead/Sale-Generierung skalierbar ist?

Genau wie das zeitgenössische Fernsehen komplexe Dramaturgien und mehrdeutige Charaktere beschneidet, aus Angst die Zuschauer könnten wegzappen, wird die Webdoc von vorneherein als hochperformatives Zuschauergenerierungsevent gedacht. Dies ist katastrophal für die Entwicklung von eigenen Genreregeln und -ästhetiken.

Die Webdoc/Webfiction muss sich dringend vom utilitaristischen Diskurs befreien. Sie wird mit Sicherheit nicht den Journalismus oder das lineare Fernsehen aus der Krise retten, schon gar nicht wenn dies ihr einziger Daseinsgrund ist.

„The Medium Is The Message“, das kann man natürlich nicht bestreiten. Das Dispositiv der Apparate schreibt sich vom Smartphone/iPhone und Tablet/iPad in die Form der Webdoc/Webfiction ein.
Aber einerseits: Was ist auf technischer Seite mit den Smart-TVs oder den Möglichkeiten einer partizipativen Kinovorführung?
Und andererseits: Wo sind die Versuche mit den faktischen Genrebeschränkungen ironisch und spielerisch umzugehen, wie es im Extremfall Filme wie Synecdoche, New York, Serien wie Twin Peaks oder Bücher wie Infinite Jest getan haben?

Es müsste wohl so sein – so ein erster Gedanke -, dass Autor_innen oder Regisseur_innen in einer Webdoc/Webfiction-Produktion die erfahrenste und stärkste Figur sind, damit sie den Verführungen des Praktischen und den Beschränkungen des technisch Machbaren trotzen können. Sie könnten den Weg bereiten für eine tatsächlich experimentierfreudige Atmosphäre in Sendern, Verbänden und Förderanstalten.

Eine Begriffklärung, darüber, was denn bloß technische Innovation und was ästhetisch-narrativ innovativ sein soll, wäre für alle Beteiligten ebenfalls sinnvoll.