Zwei neue Aktionen der beiden Alpha-Prankster 01.org und ubermorgen.com flatterten mir in der letzten Woche ins Haus:
ubermorgen.com – Oil Painting: The Supreme Discipline Of Art
Die Meisterdisziplin der Kunst, das Ölgemälde ist zurück. Vor 13 Tagen ist ein Bohrturm einer BP Öl- und Gasplattform in Flammen aufgegangen, gesunken und hat 11 Menschen getötet. Das auslaufende Öl führte zu einem ökologischen Disaster von historischem Ausmaß. Die Küsten von Louisiana, Alabama und Mississippi sind bereits vom Öl ‚gezeichnet‘. Das Ölgemälde ist zu einer generativen Biokunst geworden, der die Weltöffentlichkeit via Massenmedien zuschauen kann. Ein Ölgemälde von 80.000 Quadratmeilen Ausmaß gemalt mit 32 Millionen Litern Öl – ein einzigartiges Kunstwerk.
Die Künstlergruppe ubermorgen.com, die ich bereits in meinem Film Culture Jamming portraitierte, nutzte die ‚Readymades‘ der Luftbildaufnahmen der Katastrophe und manipulierte sie digital um die Entfremdung von Farbe und Form zu kommentieren. Mit einer Kompressor- und einer Consumer Video Editing Software wurden Miniloops erstellt, die die Verkünstlichung der Natur und die Vernatürlichung der Kunst visualisieren.
I saw the NASA earth observatory images and I was blown awa. Finally traditional painting made its comeback as a high-tech innvovative art form and not as the starving grandparent of photography, video, digital art and performance. As a former painter I am thrilled and as a digital artist I want to work this material until it bleeds.
lizvlx von ubermorgen.com
Natürlich wure die reflexhafte Kritik an der Gleichsetzung von Naturkatastrophe und Massenmedienspektakel mit der jahrhundertealten Tradition des Ölgemäldes schon kurz nach der Veröffentlichung laut: Die europäische Techno-Avantgarde attackiere die Traditionen des Kunstgeschäfts. Mal wieder!
ubermorgen.com dürfte das nach ungleich radikaleren Erfahrungen in der Vergangenheit wie z.B. dem legendären Prank voteauction kaum beunruhigen.
Auch vom italienischen Künstlerduo 01.org gibt es Neuigkeiten:
ARTIST COMMITS SUICIDE ONLINE AS A WORK OF ART
Tausende von Nutzern der neuen Hypewebsite chatroulette.com konnten am 30. April eine männliche Person beobachten, die, scheinbar leblos, an einem Strick an der Decke baumelte. Der Mann war der, mittlerweile in Brooklyn lebende, Künstler Franco Mattes und die Szene natürlich ein Hoax. 01.org haben diese Performance voraufgezeichnet und online gestellt. In dem Video ‚No Fun‘ kann man nun alle möglichen Reaktionen von Gelächter, Unbeweglichkeit und mit ihren Mobiltelefonen fotografierenden Kids beobachten. Nur einer von vielen tausend Menschen kam auf die Idee die Polizei zu rufen.
No Fun – Eva and Franco Mattes from Franco Mattes on Vimeo.
Wie schon in ihren früheren Aktionen sehen sich Eva und Franco Mattes mehr als Zuschauer denn als Aktivisten oder Provokateure:
Since we live online than we should get used to die online.
Franco Mattes von 01.org
‚No Fun‘ wirft ein paar beunruhigende Fragen über die Hyperrealität der zeitgenössischen Mediensphäre auf. Unsere täglichen Jagd nach Medienaufmerksamkeit (oft getarnt als Suche nach authentischer Kommunikation) wird zu einer narzißtischen Endlosschleife in der man den anderen am Ende nicht mehr wahrnehmen kann (oder will)…
In beiden Fällen ein schönes Update von Netart in der zweiten Dekade des neuen Jahrhunderts, aber irgendwie wirken die Pranks auch seltsam zahnlos und verpuffen an der opaken Oberfläche des Cyberspace. youtube hat das ‚No Fun‘-Video jedenfalls schon verbannt, was 01.org wiederum mit diesem Kranz feiern: