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3. LICHT AUS

Mittlerweile sind die Kartonbogen auf den einzelnen Plätzen wieder eingesammelt. Die vorderen beiden Tische sind zueinander gedreht und zusammen geschoben worden, es soll eine Bewerbungssituation dargestellt werden. Angela ist die Beobachterin, Thorsten der Personalchef und Nadine die Bewerberin. Markus ist auf Thorstens Platz versetzt worden, rückt zu Beginn der Szene näher zu Peter. Angela, Nadine und Thorsten sind im Freeze, bzw. lesen Texte.

Markus: »Soll ich dir ma‘ zeigen wie du dir n‘ paar Euro zum Hartzen dazuverdienen kannst, ohne viel Arbeit…?«

Peter scheint nicht besonders interessiert, aber eine Mischung aus grundlegender Höflichkeit und mangelndem Mut zum Widerspruch zwingt ihn dennoch zum Zuhören …

Markus: (skizziert auf dem Tisch) »Pass auf, du kennst doch das Wochenendticket? Da kannst du an einem Tag vier Leute mit in die Bahn nehmen und durch Deutschland tingeln … Da kauf ich mir eine von und inseriere dann in der Mitfahrzentrale vier Fahrten nach Hamburg für 15 Euro die Fahrt. Die fahren dann alle in der Bahn mit und dann hasse‘ schon nach einer Fahrt die Kosten wieder raus … Na, und dann halt wieder zurück … Letztes Jahr ging das auf jeden Fall …«
Peter: »Wie jetze? Mit Leuten die de jahni kennst?«

Markus: (genervt) »Ja, du muss ja nich‘ mit denen reden … Na, da muss man auch der Typ für sein irgendwie. Auf jeden Fall muss man sich was einfallen lassen, wenn man nicht versauern will …«

Angela, Thorsten und Nadine übernehmen die Bühne.

Angela: »So, habt ihr soweit eure Rollen verstanden?« (fragender Blick, keine Antwort) »Gut, also Thorsten, Sie sind der Personalchef, ich denke Sie haben ja schon mehrfach Erfahrungen in Bewerbungssituationen gemacht…?«
Thorsten: »Wat soll dat denn jetzt? Bei de Behala kannt ick halt den Werkstattleiter … Ansonsten wees ick nich’…«
Angela: (den Einwand ignorierend) »Und Nadine, du bewirbst dich um eine Stelle in der Marketingabteilung eines internationalen Unternehmens. Und denk‘ daran Nadine, du bist eine Bewerberin unter vielen …«
(an alle)
»Ihr dürft‘ nicht denken, dass ihr einfach so einen Job bekommt. Wir hatten ja schon die Kurve mit den Investitionsgütern …«
(Hände drehen sich um sich selbst, Ungeduld, Ihr-Wisst-Schon-Gestik)
»Also musst du, Nadine, deine Besonderheiten hervorheben.«
(eine Hand gestikuliert/dreht alleine weiter, Vorschlagshaltung)
»Warum sollte Thorsten ausgerechnet dir einen Job geben, was unterscheidet dich qualitativ von den anderen BewerberInnen … Aber ich denke ihr fangt einfach mal an und ich unterbreche dann von Zeit zu Zeit …Vielleicht stehst du einfach nochmal auf, Nadine?«

Nadine steht kurz auf, setzt sich wieder, schiebt den Stuhl heran.

Angela: (lacht entschuldigend, aber selbstgefällig) »Ja, Stopp, hier schon mal, du kannst dich natürlich nicht einfach so unaufgefordert hinsetzten …«
Thorsten: (merkt schon wo das hinführt) »Ja, schon gut, setzen se sich mal hin … Matuschke mein Name …«
Angela: (unterbricht zum Kurs hin) »Also ist klar nicht? Wir warten natürlich bis uns ein Platz angeboten wird …«
(sieht die genervten Gesichter von Nadine und Thorsten)
»Also gut, machen wir mal weiter …«
Thorsten: (monoton, ablesend) »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, ein Glas Wasser oder einen Kaffee, vielleicht? Ich hoffe Sie haben uns gut gefunden. Jut, sie haben sich bei unserem Unternehmen für eine Stelle in der PR-Abteilung beworben. Was waren Ihre Beweggründe? Bringen Sie denn schon Erfahrungen in diesem Bereich mit?«

Angela muss sich sichtlich zurückhalten, beherrscht sich aber, notiert hastig in einem Block.

Nadine: (stockend) »Also ich habe Kommunikationswissenschaften studiert und schon während des Studiums zwei Praktika in einem Meinungsforschungsinstitut und in einer Unternehmensberatung absolviert. Außerdem habe ich neben meinem Studium bei einem Wirtschaftsjournal für Studenten gearbeitet, das passt ja glaubich auch ganz gut auf die Stelle …«

Angela hält es nicht mehr aus.

Angela: »So, Ok, jetzt hier mal stopp! Also erstmal Thorsten, Sie müssen Nadine natürlich auch Zeit geben zu antworten, wenn Sie Fragen stellen, ne?«
(wendet sich zu Peter und Markus)
»Habt ihr auf die nonverbale Kommunikation, also die Kleidung, die Körpersprache und das Verhalten von Nadine geachtet?«

Kurze Pause, jeder weiß worauf das hinauslaufen soll. Markus will Angela allerdings den billigen Triumph nicht gönnen und erbarmt sich …

Markus: (gelangweilt abspulend) »Also, sie soll halt keine Füllwörter benutzen, sich nicht so verkrampft hinsetzten und dem Thorsten halt auch mal in die Augen gucken beim Sprechen …«
Angela: »Ja, das war ja schon eine ganze Menge … Halten wir also schon mal fest:«
(liest ab)
»Das Bewerbungsgespräch ist eine kommunikative Situation in der wir einen Gesprächspartner mit einem klar definierten Erkenntnisinteresse haben …« (blickt auf) »Also ist klar, nicht? Der Personalchef möchte wissen mit wem er es zu tun hat … Ein großer Teil der Kommunikation läuft über die Körpersprache und da kann eine verfehlte Körperhaltung auch eure Glaubwürdigkeit schmälern … Auch diese Füllwörter wie vielleicht, also, glaube ich, vermitteln eher Unsicherheit. Da kann man noch so gut auf den Job passen …«
Nadine: (verunsichert) »Das sind ja tausend Sachen auf die man achten muss. Ich meine, bei einem richtigen Bewerbungsgespräch bin ich ja auch besser vorbereitet.«
Angela: »Na, sie sollen doch hier möglichst realistisch nachspielen.«
Markus: (genervt) »Also ich find‘ das alles albern, ist doch sowieso klar worauf das hinauslaufen soll, Sie tun hier so als hätten sie da so Raketenwissenschaft, die Sie uns beibringen, aber so’n Kram findet man doch in jeder Bewerbungsbroschüre von der Sparkasse … Gerade sitzen, gut vorbereiten, Foto in Lebenslauf, pünktlich kommen, Getränk annehmen …«
Angela: (giftig) »Na, wenn Sie das schon alles so genau wissen, warum sind Sie dann überhaupt hier?«
Markus: »Dreimal dürfen Sie raten.«
Angela: »Gut, wenn Sie mit DER Einstellung hierher kommen, dann müssen Sie halt die Zeit hier absitzen. Ich bin mir sicher, dass z.B. Peter hier nicht so auf dem Laufenden ist, was Bewerbungen angeht.«
(fängt sich wieder)
»Also bis etwas interessantes für Sie dabei ist, darf ich Sie bitten wenigstens nicht zu stören …«

Markus will etwas launisches erwidern, als plötzlich die Deckenbeleuchtung und der Overheadprojektor ausgehen. Lediglich aus dem Fenster mit der Jalousie fällt noch Tageslicht in den Raum.

Markus: »Ups!«
Peter: (erschrocken) »Das Licht is‘ ausgegangen …«
Thorsten: (launisch) »Dit wird ja immer besser …«
Angela: »Also, so etwas habe ich ja noch nie erlebt …«
(geht zum Fenster und linst durch die Jalousie)
»Da draußen sieht alles normal aus …«
(geht zur Tür am rechten Bühnenrand, versucht sie zu öffnen)
(konsterniert) »Immer noch abgeschlossen … Komisch.«
Thorsten: »Und wat machen wa jetzt? Bald jehn ma die Vorräte aus …«
Angela: »Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, der Strom wird sicher in wenigen Augenblicken wieder eingeschaltet.
(fingert am Overhead-Projektor rum, ohne Ergebnis)
»Ja, kurze Pause?«

Thorsten geht zurück zu seinem Platz, neben Markus und setzt nach einigem Suchen in seinem Koffer die Mahlzeit fort. Markus steht auf …

Markus: »Sollen wir die Tische wieder zurückstellen?«
Angela: (abwesend) »Was? … Achso, ja, die könnt‘ ihr wieder zurückstellen …« (blättert weiter geschäftig in ihren Unterlagen)

Markus stellt die Tische wieder in die alte Ordnung, er und Nadine sitzen wieder an ihrem angestammten Platz. Markus trommelt mit den Fingern einen Heavy-Metal-Rhythmus auf den Tisch.

Nadine: »Ich müsste mal auf Toilette!«
Angela: (schaut auf) »Ja, da musst du dich leider noch einen Augenblick gedulden.« (menschelt) »Ich hoffe es geht noch?«
Nadine: »Ja, ich denke schon.«

Nachdem er seine Stullen aufgefuttert hat, begibt sich Thorsten zum Fenster, linst ebenfalls durch die Jalousien …

Thorsten: »Jut, da draussen ist nischte los. Ick mach ma n‘ bisschen frische Luft hier rinn.«
(Versucht hinter der Jalousie das Fenster zu öffnen, es lässt sich nicht öffnen)
»Scheiße, abjeschlossen …« (zu Angela) »Ham‘ sie n‘ Schlüssel?«
Angela: »Nein, die darf man nicht öffnen, wegen der Klimaanlage hier drin.«
Thorsten: »Watn‘ für ne Klimaanlage?«
(schaut sich im Raum um, erblickt einen Temperaturregler)
»Ach, da …« (geht hin, dreht hin und her) »Da tut sich nüscht … Is wohl ooch kaputt, wa…? Drecksladen!«
(läuft unruhig hin und her)
»Wisster wat ick gloobe? Ick gloobe dit die lebende Schachtel Roth Händle heut‘ morgen die Tür abjeschlossen hat. Dem Ganoven ist doch allit zuzutrauen …«
Angela: »Sie meinen Herrn Kanzorra?«
Thorsten: »Na, die Knastfresse halt. Der war der letzte der hier durche Tür is …«
Angela: »Ich hoffe für Herrn Kanzorra, dass dem nicht so ist. Das ist doch nicht witzig« (zum Rest) »Oder finden Sie das witzig?«

Nadine schüttelt den Kopf.

Markus: »Nee, überhaupt nich …«
Thorsten: (fasst ein Fazit) »Keule!«

Alle beschäftigen sich wieder mit sich selber, Markus packt die Neugier, auch er geht mal zu dem Fenster rüber und schaut durch die Lamellen. Nach einer Weile setzt er sich wieder hin. Angela nutzt den Impuls um ein letztes Mal Kraft zu holen.

Angela: »So, ich denke wir machen noch solange weiter bis uns jemand hier aufschließt und dann machen wir Schluss.«
(dreht sich zum Overhead-Projektor um, der weiterhin aus ist)
»So … Wir haben ja jetzt schon unsere Berufswünsche eruiert und den Realitätsabgleich gemacht und auch das richtige Verhalten bei Bewerbungsgespräche angerissen. Gibt es denn bis hierher noch Fragen?«
(Blick in die Runde, keine Reaktion)
»Gut, dann würde ich jetzt mit euch gerne Stellenanzeigen interpretieren. Damit wir uns erfolgreich auf einen Job bewerben können, müssen wir VERSTEHEN …«
(beide Hände in dramatischer Appelhaltung)
»was das Unternehmen genau sucht und ob das mit unserem Bewerberprofil übereinstimmt … Ja, ich habe jetzt keine Kopien von dieser Stellenanzeige dabei, aber ich würde euch einfach mal ein paar Stichwörter nennen …«
(nestelt wieder in den Unterlagen, findet was, dann unvermittelt)
»Flexibilität!«
Thorsten: (blitzschnell) »Schichtarbeit!«
Angela: »Äh, ja, nicht unbedingt … also nicht nur. Es kann ja auch um flexible Arbeitszeiten oder wechselnde Standorte gehen …«
Markus: »Also eigentlich Wischi-Waschi-Gelaber …«
Angela: »Bei gleicher qualitativer Eignung zählen für den Arbeitgeber häufig sogenannte Soft Skills, also, ja, das was du ‚Wischi-Waschi‘ nennst, kann für eine Stellenbesetzung entscheidend sein …«
(überlegt kurz)
»Aber dazu komme ich sicherlich später nochmal zu sprechen … Nächster Begriff: Kommunikationsfähigkeit. Peter, vielleicht wissen Sie was damit gemeint ist?«

Peter druckst rum. Als er merkt, dass er um eine Antwort nicht herum kommt, gibt er sich Mühe und kommt langsam richtig in die Gänge.

Peter: »Also, ick denk ma‘ ich kann da … nee … also dit heißt dit, man muss da auch ma‘ Nein sagen können.«

Angela zeigt sich bass erstaunt.

Peter: »In mein‘ alten Betrieb, da hieß et immer, Peter mach dies und Peter kannse nochma‘ dit … Also im Westen dann … Im Osten ham se mich in Ruhe gelassen, aber dann hab ick jelernt dit man sich da au‘ so Grenzen abstecken muss im Lehm … Also dit is halt janz wichtich, ditte ‚Nee‘ sachst, wenn de ‚Nee‘ meinst … Weil viele sich ja auch nich‘ trauen zu sagen wat Phase is … Und da isset janz entscheidend, sach ich ma, wenn de dit dann ooch so sagst …«
Angela: (Interesse heuchelnd) »Mmmmmh! Ja, das ist alles richtig was Sie sagen, Peter, aber das ist hier nicht gemeint. Es geht vielmehr um POSITIVE Kommunikation. Also, zum Beispiel, wie gehe ich mit Kunden um oder wie vermittele ich auch mal sensible Sachverhalte an Kollegen und Mitarbeiter.«
Markus: (frech) »Und wie kündige ich einen ohne dass er das merkt …«
Angela: »… manchmal wird auch das Verhalten der Bewerber untereinander beobachtet um herauszufinden wie die Teilnehmer in Stresssituationen miteinander umgehen. …«
Markus: »Ja, Peter, wennde beim nächsten Buchdrucker ’ne Glasscheibe siehst, dann pass auf, dann wirste beobachtet …«
Angela: »Also Markus, grundsätzlich kann hier ja jeder seine Meinung sagen, und ich bin die letzte die nicht auch mal lachen kann, aber ich finde, dass stört mich doch jetzt schon ein bisschen … Wie geht es denn den anderen damit?«

Unangenehmes Schweigen in der Runde.

Angela: »Also ich denke die letzten paar Minuten können wir hier noch konzentriert weiter arbeiten, oder? Nächstes Stichwort: Interdisziplinäres Denken!«
Thorsten: »Weeste wat? Ick hab keen Bock mehr … Warum tun se nich‘ mal wat damit jemand die Tür hier uffmacht?«
Angela: »Ich hab ja schon gesagt, ich habe keinen Schlüssel und mein Handy funktioniert nicht. Es kann sich doch nur noch um Minuten handeln …«
Thorsten: »Ach wat, Angela! Und wer glaubste kommt dann…? Da draußen is‘ doch gar keiner mehr!«
Angela: »Na, ich denke schon. Da sind ja noch andere Kurse im Haus und wir haben ja nicht mal zwölf Uhr …«
Markus: »Schon mal auf die Straße geguckt in letzter Zeit?«
Angela: »Nein, wieso?«
Markus: »Na, machen Sie doch mal …«
Angela: »Also ich weiß jetzt nicht …« (geht Richtung Fenster, lüftet leicht die Jalousien) »Na, soweit alles normal.«
Markus: »Sach ma, merkst du noch wat?« (Steht ruckartig auf) »Mach mal die Augen uff, Angela!«

Er geht zum Fenster, rückt Angela unsanft weg, nestelt kurz an der Jalousienkurbel rum, dann verliert er die Geduld, reißt die Jalousie gewaltsam und mit großem Geklapper weg. Man sieht eine Waschbetonmauer und eine Tageslichtröhre, kein Fenster. Peter und Nadine sind erschrocken.

Markus: (schreit) »Da draußen ist nichts! Schon lange nicht mehr! Nicht für uns! Warum hörst du nicht mit dem bescheuerten Spiel auf …«
(fixiert die verblüffte Angela)
»Dich haben sie doch auch abserviert, blöde Leiterin eines absurden Puppentheaters … Wie machen wir uns angenehm, wie passen wir uns am Besten an, wie sind wir flexibel, produktiv, leistungsstark und trotzdem gut drauf! Und wenn einer unten rausfällt? Ist er selber schuld, muss lernen sich besser zu verstellen, die Dinge mit anderen Augen zu sehen, dem (Gänsefüßchen in der Luft) ‚Mammut einen Stein an den Kopf werfen‘ und immer« (äfft Angela nach) »Pooooositiv …«
Nadine: »Hört auf, bitte, aufhören …«

ENDE 3.

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