Die ob ihrer Vorhersehbarkeit meist gähnend zur Kenntnis genommen Jahresrückblicke sind fast schon wieder vergessen, es wäre also an der Zeit nach vorne zu blicken. Dabei lohnt es sich trotzdem, noch einen Blick auf 2010 zu werfen, denn fast jedes Mal fallen die Platten, die in den letzten Wochen des Jahres erscheinen, durch das Aufmerksamkeitsloch, das „zwischen den Jahren“ klafft. In diesem Jahr drohen da ein paar ganz besondere Perlen unterzugehen:
Als erstes wäre da Kassem Mosse zu nennen, der sich über zu wenig Aufmerksamkeit derzeit eigentlich nicht beklagen kann. Nicht wenige zählen ihn dank seiner Veröffentlichungen auf Laid und Nonplus sowie diverser Remixe bereits zum Produzenten des Jahres. Für alle die das angesichts seines bisherigen Outputs in 2010 zumindest ein bisschen schmeichelhaft finden, liefert Kassem Mosse mit seiner neusten EP auf dem italienischen Label Kinda Soul Recordings die passende Antwort. Dabei findet sich auf ‚2D‘ eigentlich wieder nur der typische Mosse-Trademarksound. Mal melancholischer, mal dreckiger, aber immer unberirrt treibender Maschinensoul, dabei so unverschämt lässig zur Perfektion gebracht, das ganz Detroit vor Neid erblasst.
Ähnlich vielversprechend wie Kassem Mosse präsentierte sich in diesem Jahr der Mainzer Tim Keiling alias Erdbeerschnitzel. Sein GlitchHop-Projekt Dark Side Of The Meat wurde hier schon gelobt, mindestens genauso beeindruckend war die DeepHouse-Hymne ‚To An End‘ inklusive dem lustigen Frankfurt-Video mit anglo-hessischem Charme.
Der nette Stadtführer würde sich sicherlich freuen, mit seiner Firma kurz vor Ultimo nochmal einen solchen Kracher in der Jahresabschlussbilanz verbuchen zu können, wie Erdbeerschnitzel mit seiner Suave EP auf 4lux. Zum Titeltrack und ‚360‘ tanzen nicht nur tote Bären auf schwebenden Punkten Boogie in vakuumverschlossenen Aquarien und der digitale Bonus ‚In their Eyes‘ ist nochmal lecker-wonkiges Ribsche mit Kraut.
Im UK schießen vielversprechende neue Produzenten und Label noch immer wie Pilze aus dem Boden, aktuell Eliphino und Somethink Sounds mit ihrer Undivided Whole EP. Die A-Seite ist mit samtenen Pads und punktgenau arrangierten Vocals die perfekte wärmende Decke aus der Euphorie-Garage, auf der B-Seite gibts dann den düsteren Ausgleich mit zwei pumpend-bleepigen Housetracks. Eiine rundum gelungene Platte und ein würdiger Schlussakkord unter ein Jahr, das in zehn Jahren wahrscheinlich als einer der Kulminationspunkte in Sachen UK Bass Music angesehen wird. Aber wer weiß, was 2011 noch bringen wird?
Und zum Abschluss sei nochmal auf den etwas untergegangene Jahresmix unseres Autors Subliminal_Kid verwiesen.