„Wir brauchen das Copyright und damit den Begriff des Originals um im existierenden System als Kulturproduzent_innen überleben zu können und sollten uns doch, im Interesse eines freien Zugangs zur Kultur für alle Menschen, von der Dichotomie zwischen Original und Imitation befreien.“

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Artifical Scarcity In A World Of Overproduction: An Escape That Isn’t

Die Produktion von Innovation kann die Produktion von Wert nicht ersetzen.

Schon vor längerer Zeit las ich ein Text des New Yorker Publizisten Sander mit dem Titel „Artificial Scarcity In An World of Overproduction“. Dort beschäftigt sich Sander mit den Gründen für die künstliche Verknappung von immateriellen Gütern wie Patenten, Software und Musik, die u.a. durch das Copyright und Marken- bzw. Patentschutzrechte betrieben wird. Da ich mit den von Cory Doctorow in diesem Interview geäußerten Thesen übereinstimme, was die Relevanz der Copyright-Problematik im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang angeht, möchte ich die Grundzüge von Sanders Text hier wiedergeben. Der Originaltext findet sich hier.

Sander erklärt uns warum die künstliche Verknappung von – vor allem immateriellen – Gütern keine Lösung für den krisengeschüttelten Kapitalismus sei: Die Produktion von Innovation könne die Produktion von Wert nicht ersetzen.

Es sei, beginnt Sander seine Analyse, prinzipiell nicht einfach in einer Welt der Überproduktion einen Profit zu generieren. Kapitalismus sei unter den Bedingungen der Knappheit geboren worden und somit nicht in der Lage außerhalb dieser Knappheit der Güter zu funktionieren. So erscheine es nur logisch die Knappheit künstlich (wieder-)herzustellen. Aber hilft das der globalen Ökonomie aus der gegenwärtigen Zwickmühle?
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Wahre Worte (I)

Von Zeit zu Zeit sondert die „perverse Presse“ doch ganz gute Gedanken ab. Um das zu würdigen zitiere ich von heute an gelegentlich gute und erhellende Artikel. Den Anfang macht ein Artikel von Verena Schmitt-Roschmann aus dem freitag vom 22.03.2012:

Die Autorin untertitelt in „Empört euch nicht!„:

„Das Wahlvolk sehnt sich nach Glaubwürdigkeit in der Politik. Aber das ist die falsche Kategorie: Es geht um Richtungsentscheidungen“

Nach einer kurzen Einleitung mit konkretem Beispiel (damit sich der Leser das abstrakte Thema besser vorstellen kann) fällt der entscheidende Satz:

„Immer öfter überdeckt die Personalisierung in der politischen Berichterstattung, die sich durchaus als Teil der Unterhaltungsindustrie verstehen darf (und eine unmittelbare Folge der Boulevardisierung auch von öffentlich-rechtlicher Berichterstattung ist (Anm. d. V.)), die kleinteiligen und mühsamen Inhalte zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich.“

„Vertrauen“ und „Authentizität“ seien inzwischen für einen Politiker wichtigere Kategorien als „Kompetenz“, konstatierte der Emnid-Forscher Klaus-Peter Schöppner schon 2009.

Und dann nach weiteren Fallbeispielen:

„Es ist falsch anzunehmen, die Politiker machten es schon richtig, solange sie nur authentisch sind. Genauso falsch ist es zu suggerieren, Politik sei unterschiedslos – in ihren Inhalten wie in ihrem angeblich korrumpierbaren Personal.“

Dem kann ich nur voll zustimmen. Ein anderes, ebenfalls erfrischend klarsichtiges Statement findet sich ausgerechnet im (Jugend)magazin der Bundeszentrale für politische Bildung bpd, dem fluter.

Zu seinen Studien zu rechtsextremistischen Einstellungen in Deutschland befragt, sagt der Sozialpsychologe Oliver Decker u.a. folgendes:

„Es gibt leider seit Jahrzehnten einen manifesten Antisemitismus in der Gesellschaft. Dass Juden aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute Vorteile ziehen oder nicht dazu beitragen, die Gesellschaft zu bereichern: Bei solchen Vorurteilen gibt es relativ große Zustimmung. (…) Ich sehe nicht, dass Kritik an Israel nicht geäußert werden darf. Sie werden in der gesamten Presse von links nach rechts jede Menge Kritik an Israel finden (…).“

„Adorno hat das in den 50er-Jahren „Krypto-Antisemitismus“ genannt – dass also der Antisemit in der Rolle des Verfechters demokratischer Werte auftritt, um sein Ressentiment zu verbreiten, das er dann mit den Worten „Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen!“ anmoderiert.“

„Die Chancenungleichheit ist ein Demokratiedefizit. Man kann sogar auf nationaler Ebene sehen, wie der Fetisch des Wirtschaftswachstums über eine Entsolidarisierung zu weniger demokratischem Denken führt. In der Rede vom Standort schimmert kaum verdeckt eine Nationalstaatslogik durch, die alle unter ein gemeinsames Interesse sammelt, nämlich das der wirtschaftlichen Prosperität. Das ist Nationalismus und eigentlich antidemokratisch.“

„Wir haben eine derartige Entpolitisierung in der Bevölkerung, dass zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen unserem Exportüberschuss und der Krise anderer europäischer Länder gar nicht gesehen wird. Stattdessen gibt es mittlerweile sogar Stimmen, die sagen, das Beste, was Griechenland passieren kann, ist eine Diktatur.“

Ja, solche Stimmen gibt es, auch in den Kreisen mir bekannter Personen mit akademischer Ausbildung. Aber schön, dass es mal jemand in einem staatlichen Organ sagen darf, auch wenn es nur im Gewand eines „Jugendmagazins“ daherkommt. Das ganze Interview gibt es hier.

Den fluter. kann man übrigens kostenlos abonnieren.

Und um abschliessend noch eine Lanze für die bpd zu brechen sei erwähnt, dass diese schon 2009 den drittbesten Film über Copyright, nämlich Good Copy Bad Copy, herausgebracht hat. Für eine Gebühr von 7 Euro kann die DVD, samt Dossier zum Urheberrecht, hier bestellt werden. Bliebe nur zu wünschen, dass die zuständigen Abgeordneten die Organe der bpd auch selber studieren oder zumindest auf deren Erkenntnisstand operieren.

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The Corporation, Das Netz und die Stammzellen-Debatte

Inspiriert von den Debatten der Transmediale 08, über die ich zu Beginn diesen Jahres auf realvinylz.de berichtet habe, schaute ich mir vergangene Woche endlich den hochgelobten Dokumexploitation-Film The Corporation von Mark Achbar und Jennifer Abbott – nach einem Buch von Joel Bakan – an.

Der Film wurde in der alternativen Community u.a. als ‚Lord of the Rings of modern documentaries‘ bezeichnet und berichtet – unter Zuhilfenahme der ‚üblichen Verdächtigen‘ Noam Chomsky, Naomi Klein und Michael Moore – über das pathologische Streben der Konzerne nach Geld und Macht.

The Corporation Trailer
The Corporation (OmU)

In der darauffolgenden Debatte mit meiner Freundin über die Gefahren und Vorteile populistischer Dokumentarfilme, denn ein solcher ist The Corporation in jedem Fall, schälten sich zwei mögliche Analyseformen heraus:

Entweder man beschreibt das herrschende System mit Hilfe der Kritischen Theorie exakt und detailliert, wie es z.B. die Jungle World oder Konkret tun, und läuft Gefahr sich in mikropolitische Grabenkämpfe oder analytische Endlosschleifen zu verstricken oder man tritt mit einem eingängigen, MTV-esken, reißerischen und suggestiven Machwerk an die Öffentlichkeit und bringt aber eventuell auch die Menschen zum Nachdenken, die sonst nie mit derlei Gedankengut in Kontakt gekommen wären.

In diesem Sinne ist The Corporation ein gutgemachter Film, der die richtigen Themen bespricht und hochinteressante Ansätze birgt, aber teilweise mehr als haarscharf an verkürzter Kapitalismuskritik und merkwürdigen Tautologien vorbeischrammt.

Wie man es besser, ebenso interessant und richtig machen kann, zeigt Lutz Dammbeck in seinem Laptop-Roadmovie Das Netz.

Das Netz ist eine freejazzige Meditation über Ted Kaczynski’s Unabomber-Manifest und die „Revolution gegen den technologischen Fortschritt“. In dem Film kommen sowohl avantgardistische Vordenker der Kybernetik und moderner Kommunikationstechnologie, als auch LSD-Prankster zu Wort, die von Dammbeck in loser – durch ein Sketchbook zusammengehaltene – Assoziation verknüpft werden. Zwar setzt der Film durchaus Konzentration und ein Interesse am komplexen theoretischen Themenpark voraus, belohnt aber mit Inspiration und einem unaufdringlichen Reset des eigenen Weltbildes.

Interview mit Heinz von Foerster in Das Netz

2 x 2 = grün. Zwei mal zwei gleich grün. [2 CD]
Einführung in den Konstruktivismus.

Die rhizomatische Denkweise von Das Netz und die Information zur Patentierung von Lebewesen aus The Corporation haben mich auf einen völlig unter den Tisch gekehrten Aspekt der Stammzellen-Debatte und der letztwöchigen Abstimmung gebracht:

Während das Hauptaugenmerk zwischen den ethischen Fragen Schwerstkrankenheilung versus Schutz des ungeborenen Lebens oszillierte, fiel mir auf, das immer von ‚der Forschung‘ und ‚der Wissenschaft‘ gesprochen wurde. Es dürfte mittlerweile jedem klar sein, das man nicht gleichzeitig von wirtschaftlich gesponsorten Elite-Universitäten und freier, altruistischer und von wissenschaftlichem Geist beseelter Forschung sprechen kann. Oder anders gefragt: Wer ist eigentlich die Wissenschaft?

Forschung an Stammzellen dient meiner Ansicht nach in erster Linie der Erforschung patentierbarer Genstränge, Aminosäuren, Enzymen und ähnlicher biochemischer Enigmen zur warenförmigen Vermarktung. Dabei spielen die Eigentumsverhältnisse an Körpersubstanzen eine große Rolle.

Denn schließlich geht es im Endeffekt um die grundsätzliche Frage ob eine Abstraktion wie geistiges Eigentum von Individuen 1:1 auf Konzerne angewandt werden kann und darf.

Die Theorie vom Geistigen Eigentum entstand größtenteils erst in der Neuzeit, vor allem ab dem 18. Jahrhundert und dort im Zusammenhang mit dem Nachdruck von Büchern, wohl um es Einzelpersonen unabhängig von Institutionen zu ermöglichen von ihrer intellektuellen Schöpfung zu profitieren. Sollen aber deswegen Heilmittel oder Therapieformen einer bestimmten Firma gehören?

„Die Gesellschaft sieht sich mit der schlichten Tatsache konfrontiert, dass der Ausschluss vom Besitz schöner und nutzbringender intellektueller Erzeugnisse – und von dem Wert all dieser Wissenszuwächse für die Menschen – nicht länger der Moral entspricht, wenn jedermann sie zu den gleichen Kosten wie jede Einzelperson besitzen kann. Hätte Rom die Macht gehabt, jedermann zu ernähren, ohne dass daraus weitere Kosten als die entstanden wären, die für Cäsars eigene Tafel zu zahlen waren, hätte man Cäsar mit Gewalt verjagt, wenn noch irgend jemand hätte verhungern müssen. Das bürgerliche System des Eigentums verlangt jedoch, Wissen und Kultur nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit zu rationieren.“

Eben Moglen – dotCommunist-Manifesto

Mehr und besser formuliertes Wissen zum Themenkomplex als in meinem kurzen Abriss bietet Felix Stalder in Geistiges Eigentum: Zur Kritik an der Aneignung kultureller Produktion.