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Aus dem Notizbuch (24/03/2013): Guadalquivir Drehtagebuch

15.03.2013
Ich lande in Malaga, fahre in eine Mall, esse ein Bocadillo mit Tortilla und trinke ein Bier um mich zu entspannen. Auf der Fahrt Richtung Norden vergurke ich mich hinter Granada auf irgendwelchen unbefestigten Seitenstrassen. Ich verspanne meine Schultern total, trinke noch ein Bier am Steuer und treffe bei leichtem Regen in Peal de Becerro ein. Das Zimmer ist kalt, ich habe Husten und Schnupfen. Ich trinke ein Aspirin Komplex und habe eine unruhige Nacht.

16.03.2013
Ich mache mich früh auf den Weg, esse ein kleines desayuno in einer schmierigen Bar, in der 8-10 andalusische Männer abhängen. An der Wand hängen die Stadtwappen der Region. Ich fahre in die Sierra de Cazorla, filme erst ein paar diesige Olivenhänge und finde dann eine unbefestigte Strasse zur Quelle des Guadalquivir. Dort ist es frisch, ich drehe viele Einstellungen am Stück, klares Quellwasser, Steine, Gestrüpp, Schärfeverlagerungen. Gegen 3 oder 4 Uhr will ich weiter auf der Strasse – den Guadalquivir entlang. Ich sehe kaum etwas vom Fluss, fahre durch endlose Wälder und Olivenhaine um dann an einem riesigen Stausee zu landen. Nirgendwo kann ich halten, ich habe auch keine Lust mehr. Die Strasse die mich aus der Sierra hinausbringen soll ist plötzlich blockiert, ich muss zurück und einen Umweg fahren. Es wird dunkel und ich rase zurück nach Peal de Becerro. Es ist wieder kalt, ich ziehe mir ein Aspirin rein, versuche vergeblich ein Cerveza zu bekommen und lande wieder im Land der Fieberträume. In dieser Nacht liege ich lange wach.
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Aus dem Notizbuch (17/01/2013): Hotel Viento10

»Por la calle del viento sopla la brisa desde la ribera del guadalquivir que da gusto. Desde luego el nombre le va perfecto, mucho mejor que Ronquillo Briceño, que es como se llama hoy en honor a un antiguo corregidor de la ciudad.«

Alphonse ist der Besitzer des liebevoll gestalteten Hotels Viento10 in der Calle Ronquillo Briceño in Córdoba, Andalusien. Früher hieß die Strasse Calle del Viento. Alphonse will durch sein Hotel an diesen traditionellen Namen erinnern. Er ist ein eleganter Mittfünfziger, mit einer Leidenschaft für die moderne Kunst und das kulturelle Erbe von Al-Andaluz. Den patio seines Hotels ziert eine William Turner-Reproduktion die er sich in der Tate Britain in London lizensieren ließ, nachdem er vor dem Original in Tränen ausgebrochen war.

Lange fixiert er Marco, der auf seiner Andalusien-Reise in seinem Hotel gelandet ist. »Borges«, erzählt er unvermittelt, »hat eine Geschichte geschrieben, die hier in Córdoba, an den Ufern des Guadalquivir, spielt. Sie handelt von einem islamischen Schriftgelehrten namens Averroes. Dieser sucht den Sinn der Worte ‚Tragödie‘ und ‚Komödie‘ zu begreifen, ohne jemals ein Theaterstück gesehen zu haben. Er bleibt notwendigerweise blind für den Sinn dieser Begriffe und als er am Ende eine falsche Definition notiert, verschwindet er aus der Geschichte, mitsamt seinem Harem, seinen Büchern und seinem Haus. Übrig bleibt einzig (vielleicht) der Guadalquivir.«

Marco überlegt kurz, traut sich nicht nach dem tieferen Sinn der Geschichte zu fragen. Alphonse, der die Irritation in Marcos Augen wahrnimmt, fährt fort: »Während er die Geschichte schrieb, musste Borges erkennen, dass er genauso blind für Averroes war, wie dieser für die Tragödie. Ein Mensch kann nur wahrhaftig über das schreiben, was ihm selber wiederfahren ist.«

Um Marco Gelegenheit zu geben, über diese Worte nachzudenken, schenkt er aus einem Krug Wasser nach. Die Sonne, die während des Gesprächs weiter nach Westen gewandert ist, überstrahlt jetzt die Turner-Reproduktion und beide sind in gleißendes Sonnenlicht getaucht.

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Madrid

2. September

Manchmal schreibt das Leben filmreife Szenen oder sie kommen dem unachtsamen Bewusstsein nur deshalb filmreif vor, weil das Kino zuweilen auch nichts anderes tut als erlebte Situationen wiederzugeben, wenn auch vorwiegend die mit der größten Informationsdichte vulgo dem höchsten Unterhaltungswert, Dinge die uns gerne im Gedächtnis bleiben und deshalb ihren Weg ins Langzeitgedächtnis finden und dort von begnadeten Regisseuren wiederentdeckt werden.

Madrid Graffiti

Einer der Gründe warum ich nach Spanien im Allgemeinen und Madrid im Besonderen gereist bin war der Film ‚Limits Of Control‘ von Jim Jarmusch. Dort steht der Held, ein wortkarger Agent oder Killer, während seines Aufenthaltes in Madrid in einem Museum und ist in die intensive Betrachtung eines Gemäldes vertieft. Solchermaßen filmisch angefeuert von echter oder zur Schau gestellter Versenkung in die Kunst, vertiefte ich mich im Museo del Prado in die Gemälde von Goya.

Ein Bild das meine Aufmerksamkeit besonders fesselte war ‚The Cudle Fight‘, auf dem zwei in den Sand eingegrabene und mit Stöcken aufeinander einprügelnde Landarbeiter zu sehen sind. Die Landschaft ist mit 35mm-Panoramabrennweite dargestellt, während die Kämpfenden in einer engen Halbtotalen kadriert sind. Ich las interessiert in meinem Gallery Guide und dachte an wenig anderes als das Gemälde.

Als ich mich umdrehte und das nächste versenkungswürdige Gemälde suchte, sah ich eine junge mutmaßliche Kunststudentin, die mit einem Zeichenblock Teile von Goyas Gemälde reproduzierte.

Als mein Blick sie streifte schaute sie mich an und lächelte vielsagend. Sie musste mich schon eine kurze Weile angesehen haben, statt Goyas Kunst zu studieren. Ich lächelte schüchtern zurück und wandte mich einem anderen Gemälde zu. Eine Standardsituation: Junge, süße, naive Kunststudentin hat ein Faible für Goya und wird im Museum von einem anderen Kunstliebhaber aufgegabelt. Es wäre zu einfach gewesen: ‚Hi, nice drawings. Are you an art student, by chance?‘ Mein intellektuelles Standvermögen hätte mir erlaubt eine Handvoll gutklingender Mutmaßungen über Goyas Kunst anzustellen und in ihren Augen wäre ich zu einer respektablen Kapazität mutiert. Trotz ihrer schönen Beine und der wilden roten Haare ließ ich sie zeichnen.

Madrid Street I

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im ‚Parque del Buen Retiro‘ am ‚Estanque‘. Der Park wird seinem wenig subtilen Namen auf jeden Fall gerecht, hier spazieren Junge und Alte, Pärchen und Gruppen von madrilenos und ein munteres Ruderboottreiben, das stellenweise an Autoscooter fahren erinnert, mäandert über den See. Ich überlege ob ich in der Tradition des Helden aus ‚Limits Of Control‘ auf mein Zimmer gehen und Tai Chi machen soll um ein tieferes, spirituelles Verständnis von Madrid zu initiieren.

Ich hatte mir Madrid ja immer als Betonwüste mit Pools inmitten von glühendheißer spanischer Pampa vorgestellt, dabei reißt es gegenüber anderen spanische Pilgerorten wie Ibiza, Mallorca, Barcelona und Alicante das Ruder tüchtig herum in Richtung Hochkultur.

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Von Istanbul nach Beirut – Tag 20 bis 22: Refugee Camp, Mezze, Sidon and Airport

Die Menschen haben hier nichts und leben von der Unterstützung des Roten Kreuzes und diverser Hilfsorganisationen. Während unseres Spaziergangs verfolgt uns ein Motorrad, wir wissen nicht ob es Neugier ist oder ob es sich um einen Beobachter der Hisbollah handelt.


Wie dünn die Oberfläche aus fetten Autos und Take Away Food ist, durfte ich schon am ersten Tag in Beirut erfahren. Beim improvisierten Frühstück in einem Hauseingang, mit meinen neuen Freunden Alejandro, Philipp, Stefanie und Linda, erwischte uns der Besitzer und anstatt sauer zu sein bot er uns an in das palästinensische Flüchtlingslager in Beirut zu fahren.



Ich war eigentlich auf dem Weg in ein Internet Cafe und so kam es, dass ich mit FlipFlops und meinem Laptop in der Tasche durch Sabra & Shatila lief, einem unfassbar ärmlichen Lager in dem 1982 das furchtbare Massaker der Phanlange-Milizen stattgefunden hat: Am Abend des 16. September drangen etwa 150 phalangistische Milizionäre in die Lager ein um zwischen 460-3300 Zivilisten, Kinder, Frauen und Alte zu töten und zu vergewaltigen. Besonders schrecklich ist die Erkenntnis, dass die israelische Militärführung zu dieser Zeit genaustens über die Vorgänge im Lager informiert gewesen sein soll …

In den Hauseingängen spielen Kinder mit ihren Post-Ramadan-Geschenken Strassenkampf, sowie sie es bei den Erwachsenen abgeschaut haben. Wir spazieren munter durch die Strassen, obwohl mir schon sehr mulmig ist bei der Sache. Wie Alejandro bemerkt, wären wir in einem vergleichbaren Viertel in Paris oder Madrid schon längst all unserer Habe beraubt worden.
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