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Artifical Scarcity In A World Of Overproduction: An Escape That Isn’t

Die Produktion von Innovation kann die Produktion von Wert nicht ersetzen.

Schon vor längerer Zeit las ich ein Text des New Yorker Publizisten Sander mit dem Titel „Artificial Scarcity In An World of Overproduction“. Dort beschäftigt sich Sander mit den Gründen für die künstliche Verknappung von immateriellen Gütern wie Patenten, Software und Musik, die u.a. durch das Copyright und Marken- bzw. Patentschutzrechte betrieben wird. Da ich mit den von Cory Doctorow in diesem Interview geäußerten Thesen übereinstimme, was die Relevanz der Copyright-Problematik im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang angeht, möchte ich die Grundzüge von Sanders Text hier wiedergeben. Der Originaltext findet sich hier.

Sander erklärt uns warum die künstliche Verknappung von – vor allem immateriellen – Gütern keine Lösung für den krisengeschüttelten Kapitalismus sei: Die Produktion von Innovation könne die Produktion von Wert nicht ersetzen.

Es sei, beginnt Sander seine Analyse, prinzipiell nicht einfach in einer Welt der Überproduktion einen Profit zu generieren. Kapitalismus sei unter den Bedingungen der Knappheit geboren worden und somit nicht in der Lage außerhalb dieser Knappheit der Güter zu funktionieren. So erscheine es nur logisch die Knappheit künstlich (wieder-)herzustellen. Aber hilft das der globalen Ökonomie aus der gegenwärtigen Zwickmühle?

Als es nur darum ging eine ökonomische Blase nach der anderen (z.B. dot.com, housing market, car industry) platzen zu sehen, sprach man davon wie man solche Blasen in Zukunft verhindern könne. Dies sei, schreibt Sander, so als wenn man nur die Hautläsionen eines AIDS-Patienten behandele, statt die Krankheit selbst. Mittlerweile sind ganze Staatsökonomien implodierende Blasen. Die spezifischen Gründe, warum mal die eine, mal die andere Blase platze, seien zwar vielfältig, erklärten aber nicht das generelle Phänomen.

Das grundlegende Problem, so Sander, sei die Notwendigkeit auf zukünftige Profite zu setzen, da die gegenwärtigen Profite den Ansprüchen der Kapitaleigner nicht mehr genügen. Die Schuldenkrise eskaliere und obwohl dies keine lineare Entwicklung sei, wisse eigentlich jeder, dass die Antikrisenrezepte der diversen Regierungen nur den totalen Zusammenbruch verhindern sollen, bis die Ökonomie umstrukturiert worden ist.

Aber wie soll die Ökonomie umstrukturiert werden? Sparmaßnahmen können das Problem nicht lösen.

Konsumenten, Arbeiter, Firmen und Regierungen müssten laut Sander weniger ausgeben um künftige Zahlungen zu leisten, damit der Wert von existierendem Kapital nicht kollabiere. Gleichzeitig würden diese Sparmaßnahmen aber unweigerlich die Nachfrage einschränken und die Überkapazitäten wachsen lassen. Dadurch verringern sich die Gelegenheiten für produktives Investment. Dieser Trend treibe die Kapitaleigner wiederrum zu spekulativen Investmentformen – neue Blasen die neue ökonomische Schocks kreiieren werden. Die Regierungen würden zu einer widersprüchlichen Politik getrieben: Die Sparmaßnahmen unterminieren den Aufschwung und die spekulativen Investments für den wirtschaftlichen Aufschwung schaffen neue Schulden, die neue Sparmaßnahmen nach sich ziehen. Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma?

»There is none, as far as I can see; at least none that avoids a steep devalorisation of capital, with devastating consequences for the reproduction of society.«
Sander

Da die Warenproduzenten und ihre politischen Claqueure die Entwertung des Kapitals nicht wünschen können, haben sie Sander zufolge drei strategische Optionen:

– Sie steigern die Profite durch eine Senkung der Löhne. Dies bedeute eine Intensivierung der Globalisierung um die Arbeitskraft zu einer Ware im Überfluß zu machen. Solange es Arbeiter im Überfluß gäbe, sei dieser Weg offen, es sei denn die Arbeiter weigerten sich zu einer entwerteten Ware gemacht zu werden (Stichwort Klassenkampf).

– Sie entledigen sich des überflüssigen konstanten und variablen Kapitals, d.h. sie schließen unnötige Fabriken, verkaufen Maschinen und entlassen Arbeiter.

– Sie erhöhen Profite durch die Erzeugung künstlicher Verknappung

Wie sorgt man aber für Verknappung in einer Welt der Überproduktion? Sander zitiert hier den Blogger Hugh MacLeod:

»For every mid-level managing job opening up, there’s scores of people willing and able. For every company needing to hire an ad agency or design firm, there’s dozens out there, willing and able. For every person wanting to buy a new car, there’s tons of car makers and dealers out there. I could go on and on. I could also go on about how many good people I know who are caught in oversupplied markets, and how every day they wake up, feeling chilled to the bone with dread and unease. So maybe the thing is to get into ‘The Tao of Undersupply‘. If only 100 people want to buy your widgets, then just make 90 widgets. If only 1000, make 900. If only 10 million, make 9 million. It isn’t rocket science, but it takes discipline.«

Mehr als Disziplin, meint Sander. Das Problem mit MacLeods Strategie sei, dass Kapital jede Marktlücke füllen werde.

Wenn der eine beispielsweise keine Widgets macht, macht es ein anderer, es sei denn er wird daran gehindert. Dies kann etwa durch Mechanismen geschehen die den Konkurrenten aus dem Markt halten (z.B. riesige Werbebudgets) oder durch Patente.

Abseits der klassischen Mono- und Oligopolen und dem Protektionismus sei die Kommodifikation (also die warenförmige Verpackung) des Wissen die typische Strategie unserer Zeit:

»When Apple recently introduced its iPad, the newness was more than a perception but the same mechanism applies. As the exclusive seller of this product, Apple is able to command a price far above what it costs to make the product in its factories in China. Nobody else can make an iPad. Its production is protected by patents.«

Die Suche nach künstlich verknappbaren Gütern sei, so Sander weiter, sowohl der Grund für als auch das Ergebnis des großen Wachstums im IT- und Biotechnologiesektor und ähnlichen wissensbasierten Sektoren. Die Anmeldung von Neupatenten explodierte in den 80er-Jahren.

Intellectual Property ist das Öl des 21. Jahrhunderts!

Zwei Millionen Patente würden jedes Jahr neu angemeldet: Nutzungs-, Entwicklungs- und Verkaufsrechte für Technologie, Programme, Produkte, Recherchemethoden, Produktionsverfahren, Gerüche, Farben und sogar Genabschnitte. Dabei dauerten diese Patente im Schnitt 20 Jahre, obwohl eine Firma nur circa drei Jahre bräuchte um die Entwicklungskosten wieder einzuspielen. Wohlgemerkt seien diese Patente kein Ergebnis der Knappheit von Gütern, sondern genau das Gegenteil: Ein Mittel zur künstlichen Verknappung von Gütern.

Microsoft erklärte 2004, dass sie 3.000 neue Patente pro Jahr anmelden wollen und Toyota hat allein für den Prius 2.000 Patente. Ein klares Ziel: Kein anderer soll Hybridmotoren entwickeln ohne heftige Preise an Toyota zu zahlen.

Sander zufolge brauche es eine Armee von Researchern und Anwälte um diese künstliche Knappheit gewaltsam durchzusetzen (vgl. die Abmahnpraxis von Musikanwälten), denn diese sei unter ständiger Bedrohung: Wissen sei nunmal von Natur aus kommunikativ und vernetzt. Everything Is A Remix!

Im Zentrum der Ökonomie die auf künstlicher Knappheit basiert, steht die IT-Branche. Da es fast nichts kostet digitale (oder immaterielle) Güter zu reproduzieren geht ihr Tauschwert gegen Null.

Sie seien de facto im Überfluss vorhanden und müssten daher durch künstliche Einschränkungen vor einer freien Preisentwicklung geschützt werden. Das Problem sei dabei, dass die Arbeitszeit die es braucht das Produkt herzustellen immer weniger würde. Zwar sei die Produktentwicklung relativ kostspielig, aber eben nichts gegen die Herstellung von normalen Gütern. Diese Form von künstlicher Knappheit sauge den Profit aus den Taschen der Kunden ohne ihrerseits Mehrwert zu erzeugen.
Das sei natürlich fatal für die globale Ökonomie: Eine Wirtschaft die auf künstlich erzeugter Knappheit basiere funktioniere nicht in einer Parallelwelt, quasi abgekoppelt von der Krise. Der Rest der Ökonomie würde durch so eine Vorgehensweise enorm belastet. Der Profit einer künstlich verknappten Wirtschaft basiere auf der Fähigkeit der anderen Sektoren noch mehr Wert zu erzeugen.

Das dies nicht gut funktioniert, sieht man, wenn man die Zeitung aufschlägt. Die nächste Blase in diesem System ist vorprogrammiert.

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