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Platte des Tages: Rick Wilhite presents Vibes New & Rare Music Part C [Rush Hour 111C]

Rick „The Godson“ Wilhite ist nicht nur einer der vier 3 Chairs und Mitglied in Theo Parrishs losem Jam-Kollektiv The Rotating Assembly, sondern auch Betreiber und Selektor des Plattenladens ‚Vibes – New & Rare Music‘. Diesem Laden verdankt die vierteilige 12“-Serie ihren Namen, die Wilhite nun für die Amsterdamer Rush Hour Recordings kompiliert hat. Ihrem Anspruch, „neue und rare“ Musik vom Godson himself und befreundeten Produzenten zu präsentieren, ist die Serie in den ersten beiden Teilen nur bedingt gerecht geworden. Zu harmlos der Malen-nach-Zahlen-Deephouse von Glenn Underground oder Vincent Haliburton, für meinen Geschmack zu jazzig der Parrish-Track auf Part B.

Das ändert sich alles mit Part C und den größten Anteil daran hat (natürlich) Kyle Hall. Die Superlative und das ehrfürchtige Staunen angesichts seines Alters kann man sich einfach mal getrost sparen, After Fall spricht für sich. Seit Omar S‘ Supreme-Homage ‚Day‘ gab es keinen so euphorisierenden wie simplen Disco-Loop-House. Perfekt wird der Track durch die unberechenbaren Dropouts, die ein wenig an Theo Parrishs EQ-Orgien bei dessen DJ-Sets erinnern und klingen, als hätte Hall während der Aufnahme angeschickert an den Knöpfchen gespielt.

Mit Analog Love beweist Wilhite, dass er es selbst auch noch uneingeschränkt drauf hat. Rhodes-Piano, weibliches Vocal und Percussion sorgen für die unwiderstehliche Mischung aus Groove, Jazz und Sex, die so wohl nur in der Motorcity möglich ist.

Die B-Seite beschließen die beiden Heroen gemeinsam mit der Fieldrecording-Collage Microburst. Track des Jahres für alle, die gerne bei geschlossenem Fenster zu zwei Straßen entferntem Baustellenlärm raven.

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Platte des Tages: Tim Toh – No Trace [Ornaments 015]

Sommerzeit ist Eiszeit und Housezeit. Beides am besten zartschmelzend. Doch wo die klebrige Verzückung des Eises meist im Hals stecken bleibt, wenn man nicht ausreichend Wasser hinterherspült, ist das Angenehme dieses Vinyls nachhaltiger als das Nachhaltige eines verklebten Halses. Schließlich serviert Tim Toh die schönsten ‚Yeah Yeahs‘ im House seit gefühlten eineinhalb Dekaden und dazu musste er noch nicht einmal in die Dolomiten oder nach New York reisen.

Eine Liebe, die spurlos und verblichen in der Erinnerung – wie die durch Licht geblässten Langnese-Fahnen an diversen Strandbuden in diversen Urlaubsorten Europas – einen ganz Track durchströmt. Besonders dann, wenn kurz vor Ende die Bassdrum, wohl nicht umsonst, noch dicker und – Achtung Paradoxie – noch sanfter wird. Aber Ambivalenzen gehören dazu. Wie sonst würde ein Spannungsbogen aussehen, wenn es doch gerade die Spannung zwischen Euphorie und melancholischer Sehnsucht ist, die einen auf Wolke 7 katapultiert, wenn die Hoffnung voll aubricht: ‚If I find you one day‘ … und auch noch so zuckersüß gesungen.

[audio:http://www.ornaments-music.com/audio/ORN015_A_Tim_Toh_No_Trace.mp3]
Tim Toh – No Trace
[via ornaments-music.com]

Und für den Zeitpunkt, an dem sich die Farbpigmente der Langnesefahnen ausruhen können, der Hals genug durchspült ist, allgemein das euphorische Dahintraben auf Energie umgeswitcht wird, gibt es Manuel Turs ‚Non Chill Filtration Rmx‘. Hier sind auch die Vocals im Vordergrund, allerdings kommt die Bassdrum stringenter zur Geltung. Ein wenig des beschwingten Glücks wird durch Vorwärtsdrang ersetzt und mit mehr Techno unter dem Arsch angetrieben, bis sich alles weiter verdichtet.

Nach der unterschätzten 013 und der dubbig-guten 014 wieder ein Ausnahme-Release – und ja jetzt kann ich endlich adeln – des besten Labels seit Eye Q. 15 extrem gute Platten rauszubringen ist äußerst schwer. Oder kennt jemand noch andere Labels die das in letzter Zeit schafften?

Hören und Genießen

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Platte des Tages: Unknown – Escape [Aldebaran 001]

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Vinyl strikes back. Wieder einmal. Und wieder limitiert. Für diesen zeitlosen Dubtechno aber auch mehr als gerechtfertigt, dieser seinerseits zeitlose Tonträger. Aldebaran ist also ein Sternenbild, das 65 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Man wird zwar nie wissen, ob die Dubs soweit ins All hineinreichen, doch dringen sie tief in den Körper/ins Bewusstsein ein, vor allem die männlichen leicht leierigen Vocals setzen sich ungemein fest und beglücken jeden Moment.

Einfach hittig, da brauchen sich auch die Dubs keine zwei Parsec auszubreiten. Spitzen Track. Die B geht trockener und mit Bandechos zur Sache. Ebenfalls schön mit seinem mehr nach vorne gehendem Drive.

Anhören und Kaufen

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Platte des Tages: Deo & Z-Man – No EP [Dekadent, Dkdnt015]

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Eine Gabelstapler-Ralley im Club veranstalten und dazu ‚The Damaja‘ als Soundtrack. Das wäre das perfekte Bild für diese Art von Durchness, in der die Trommeln nur so durch die Gegend fliegen. Doch dann nach dem HipHop-Break ändert sich alles und es geht mehr nach vorne. Stapler werden durch Sneakers ausgetauscht. Und es bleibt eine skurrile Perle im Ohr hängen. Formidable!

Luftiger, wärmer und beschwingter wird ‚Get Busy‘, dass übrigens auch eine A-Seite wert gewesen wäre, aber da die 015 ‚No EP‘ heißt, passt das. Und die Musik ist eh riesig.

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Platte des Tages: Carlos Nilmmns – The BBQ (Edit 2) / Tezcatlipoca [DONTSTOP 02]

Neue Label mit Vorlieben für limitierte Vinylauflagen und amerikanische Housetraditionen schießen besonders in Deutschland gerade wie Pilze aus dem Boden. Da ist die Übersättigungsgefahr oft nicht weit. Die erste Dontstop ist im vergangenen Herbst unverständlicherweise fast komplett durch alle üblichen Aufmerksamkeitsfilter gerutscht, mit Katalognummer zwei stehen die Chancen aber gut, dass sich das ändert.

Der Schotte Ross McMillan alias Carlos Nilmmns (kein Tippfehler), der einigen auch schon von dieser Platte bekannt sein könnte, legt für das junge Label zwei zeitgemäße Oldschool-Perlen vor.

The BBQ (Edit 2) ist perkussiv, ohne in Geklöppel zu verfallen und setzt seine Trümpfe aus 303 und Diven-Vocal mit Bedacht und Stil ein.

Tezcatlipoca auf der Flip erinnert in der Art, wie hier mit sattem Filtereinsatz eine unglaublich dichte Detroitatmosphäre erzeugt wird, ein wenig an die Dekmantel-Clique (Juju & Jordash, Tom Trago), ist dazu aber doch viel zu grell geschminkt, trägt den Absatz ein paar Zentimeter zu hoch und den Rock entsprechend zu kurz. Richtig so.

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Platte des Tages: Andre Lodemann – The Light EP [Best Works Records 007]

Der Berliner Andre Lodemann steht zwar schon seit 20 Jahren regelmäßig hinter den Plattentellern, für den Übergang vom Auflegen zum Produzieren hat er sich allerdings ziemlich lange Zeit gelassen. Nach dem Debüt 2004 auf Moods & Grooves gibt es Lodemann-Platten regelmäßig erst seit knapp einem Jahr. Dafür dann aber auch auf einem konstant hohen Qualitätslevel, sei es auf dem Durchstarter-Label Room With A View, Freerange oder dem eigenen, gemeinsam mit Daniel Best betriebenen Best Works Records.

Dessen neuste Katalognummer besticht auf der A-Seite mit gecutteten Disco-Stabs wie bei Soundstream, leicht angeschickertem Piano und einem Fundament aus wärmstem Bass. Großartiger Oldschool-not-Oldschool-Killer für die Open-Air-Saison!

Wer es gerne ein wenig deeper mag, ist mit Subtle Stimulation auf der B gut bedient. Hier sagt der Titel eigentlich schon alles: Ein zurückhaltend, aber bestimmt schiebender Housetrack mit sanften Synthmodulationen. Kurz vor Ende geht es dann aber auch verstohlen unter die Euphoriedusche. Das passt fast noch besser zum Sommer hierzulande, denn auch dort ist die Sonne ja meist nur für wenige Augenblicke zu sehen.

Den Kollegen von Littlewhiteearbuds hat Lodemann ein Interview gegeben, in dem er u.a. über den Beginn seiner Musikbegeisterung nach dem Mauerfall erzählt und den aktuellen Stand der Berliner House-Szene reflektiert. Außerdem liefert er noch einen feinen Mix aktueller und aktuellster Platten, in dem an der einen oder anderen Ecke auch Bruder Techno nicht zu kurz kommt.

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Platte des Tages: youANDme – Cutz#1 [CTZM1]

Allen Nachrufen und digitalen Innovationen zum Trotz erblicken immer wieder kleine Vinylperlen das Licht der Welt. So auch auch bei Cutz Records, deren erste VÖ auf den ersten Blick wie eines der obskuren Stempelplatten erscheint, wenn nicht der richtige Druck auf der Rückseite wäre.

Labelseitiges Ziel ist es, die Filterfunktion zu erhalten, die auch Vertriebe und Plattenläden bieten, indem aus bereits woanders veröffentlichten Lieblingsstücken der Betreiber, clubkompatible Edits gemacht werden. Und vorweg: beides gelingt außerordentlich gut.

youANDme editieren map.aches ‚The Fool‘ zu einem Polka-Dub der sich ganz langsam steigert und dabei nie in Größenwahn verfällt. Ihr Edit von ‚B-Lo‘ (Carlos Nilmmns & Ian Elgey) kommt direkt und frech hingerotzt durch die Boxen, öffnet sich dann dem Dub und wird mit der 808-Cowbell und dem Housethrill zum absoluten Oldskoolkiller. Und davon braucht man wirklich mehr. Superb.

[audio:http://www.cutz.me/audio/CUTZ1_A_Carlos_Nilmmns_Ian_Elgey_B-Lo_(youANDme_EDIT).mp3,http://www.cutz.me/audio/CUTZ1_B_Map.ache_The_Fool_(youANDme_EDIT).mp3]
youANDme – B-Lo / The Fool
[via Cutz.me]

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Platte des Tages: Pariah – Detroit Falls / Orpheus [R & S Records]

Ein Begriff wie ‚legendär‘ wird ja gerade in Bezug auf Musik gerne mal ein wenig inflationär verwendet, auf das belgische Label R & S Records passt er aber wie maßgeschneidert. Groß waren deshalb die Erwartungen, als das Betreiberpaar Renaat Vandepapeliere & Sabine Maes im Herbst 2008 eine Rückkehr verkündete. Seitdem erinnert das springende Pferd auf dem Labellogo aber eher an einen gealterten Renngaul. Platten wie Radio Slaves ‚Eyes Wide Open‘ oder ‚Counterpoint‘ der Wave-Rocker Delphic konnten weder alte Fans begeistern noch neue dazugewinnen.

Ausgerechnet der noch absolut unbekannte 21-jährige Londoner Arthur Cayzer alias Pariah könnte das mit seinem Debüt nun ändern. ‚Detroit Falls‘ auf der A-Seite ist trotz des Titels weder klassischer Techno noch House, sondern eher eine Verneigung vor dem 2006 verstorbenen J Dilla. Nach Flying Lotus und Bonobo ein weiteres Ausrufezeichen hinter die These, dass instrumentaler HipHop in diesem Frühjahr der bessere Dubstep ist.

‚Orpheus‘ auf der Rückseite taucht dann ab in feine Reverb-Verästelungen, lässt die Dubs im Hintergrund atmen und suhlt sich in der Melancholie des tieftraurigen Vocalsamples. Vergleiche mit den üblichen Verdächtigen dürfen angestellt werden. Dass die Platte im seltenen 10inch-Format daherkommt, erhöht den Must-Have-Faktor nur noch. An der Speerspitze des Zeitgeists hingen schon immer die höchsten Garantien für Zeitlosigkeit, das muss man bei R & S niemandem mehr erklären.

Vor seinem Debüt auf R & S geisterte Pariah im vergangenen Jahr mit einem Remix für The XX durch die Blogwelt. Der ist zwar musikalisch eher durchschnittlich, das Video mit Szenen aus Jean-Luc Godards Prostituierten-Drama ‚Vivre sa Vie‘ (deutsch: ‚Die Geschichte der Nana S.‘) möchte ich aber trotzdem niemandem vorenthalten. Godard ist sowieso nie überzubewerten und Anna Karina als Nana S… hach!

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Suedmilch – Two Sided EP [Pour le Mérite 006]

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Mit Suedmilch aka Venedikt Reyf kommt Pour le Mérite langsam in Fahrt. Mit Suzi Q Smiths Stimme produziert er für die düstere Seite der AfterHour. Düster in einem positiven Sinne, der in die Gefühlswelt hineingeht und dem stumpfen Schwoofen eine Absage erteilt.

Die Leipziger von Mod Civil lockern das Original auf und versprühen einen spielerischen Charme, behalten das melancholische und wandern trotz runtergepitchter Vocals nicht ins Düstere ab. Eindeutig der Gewinner. Sehr schön. Hoffe, dieser frische Wind wird bei den nächsten VÖs des Labels beibehalten.

Und von Suedmilch dürfte man in nächster Zeit sicher noch mehr hören.

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Platte des Tages: Cerebus vs. RND – Flow Motion Set Up EP [Influence Records 013]

Nachdem 2009 schon das Comeback von Techno ausgerufen wurde und mit Luke Slater einer der alten Haudegen einige EPs und ein Album veröffentlichte und Adam Beyers Drumcode reanimiert wurde, so könnte 2010 das Jahr seines schwedischen Kollegen Cari Lekebuschs werden. Im Juli erscheinen gleich zwei neuen EPs und das Album State of the Art (Reviews folgen) auf seinem Label H. Productions, welches früher unter Hybrid Sound Architectures bekannt war.

Richtig erstaunt war ich, als ich vor ein paar Jahren meine Kiste durchwühlte und eine Influence Records von 1993 entdeckte, die von Lekebusch stammt und somit seine erste Platte sein dürfte. Influence, ein von Talla 2xlc betriebenes Label, veröffentlichte einen Haufen Schrott, undefiniertes Rave-Zeugs um die 150 BPM, hatte aber mit Normans Big Deal einen guten Hit.

Die Flow Motion Set Up EP hingegen empfand ich als seiner Zeit irgendwie voraus, hätte auch nie gewusst, wie ich sie spielen sollte, fand aber ihren leeren Fabrikhallen-Charme und diese gewissene Durchness reizvoll. Klar schockt das heute niemand mehr, aber bis zu Christian Vogels Debut auf Trope, sollte auch noch Zeit vergehen.

So ist die EP keine wirkliche Platte des Tages, im Sinne von Killertrack oder so, sondern eher ein Zeitdokument, dass den Startschuss einer Reihe von späteren Platten des Tages markiert und deutlich macht, dass es bei Lekebucsh von Anfang an um Härte, Industriecharme und um eine sehr direkte Produktionsweise ging.