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Von Kairo nach Tel Aviv – 22. und 23. Tag

Sarit und Konsorten wohnen in einem superschönen Viertel in Beit HaKerem in West Jerusalem und hier ist immer was los. Zwei Mitbewohner (Sagiv und Jonathan) und diverse Dauergäste, wie Sagivs Freundin Hila und Kommilitonen, bevölkern das Apartement. Sie studieren alle Mathe, Physik, oder beides, und sind extrem fleissig, wobei aber auch keiner vor 10:30 a.m. das Haus verlässt.

Sarit ist auch eher philosophisch veranlagt und so diskutieren wir am ersten Abend allen Ernstes den Ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatz. Dieser besagt, dass in einem widerspruchsfreien Axiomensystem, das genügend reichhaltig ist, um den üblichen Aufbau der natürlichen Zahlen sicherzustellen, es immer Aussagen gibt, die aus diesem weder bewiesen noch widerlegt werden können.

Dies hat Gödel u.a. später auf die Idee gebracht die Existenz Gottes mittels formaler Logik zu beweisen. Auch Quantenphysik ist natürlich ein Thema und so schliesst sich letztendlich auch der Kreis zum Marokkotrip.



Sarit ist überdies politisch sehr aktiv und will auf eine Demo vor dem Knesset gehen. Es geht darum die Entscheidung über das Versammlungsrecht in die Hände der Gemeinde zu übergeben, welche hauptsächlich aus „ultra-religious jews“ besteht. Dies bedeutet, dass u.a. Gay-Paraden oder feministische Demos kaum eine Genehmigung erhalten werden. Ich möchte zur Unterstützung kommen, doch auf dem Weg zum Knesset finde ich das Israelische Museum und die Ausstellungen über den Surrealismus und modernem Design kosten mich dann doch drei Stunden. Das Gesetz wurde verabschiedet und als ich schliesslich vor dem Knesset stehe, erhebt sich ein phatter Militärhelikopter mit Raketenwerfern von der Landeplattform. Ob Ehud Olmert darin sass?

In der Superpharmacy erlebe ich dann erstmals den sprichwörtliche jüdischen Humor am eigenen Leib. Ein Angestellter fragt mich, was ich haben möchte und ich sage „Duschgel“. Er zeigt mir ein paar und ich nehme das, wo „For Men“ draufsteht. Daraufhin fragt er mich skeptisch, ob das gut sei. „Keine Ahnung!“, antworte ich. „Warum muss es für Männer ein eigenes Duschgel geben“, fragt er nun wieder, „was ist so besonderes an Männern?“. Ich antworte, dass es wohl eher was besonders bei Frauen gäbe, da alle übrigen Duschgels für Frauen sind und dass er ja schliesslich hier arbeite und das Zeug verkaufe. Daraufhin lachen wir uns kaputt und er macht sich davon. Ich hoffe ich konnte diese charmante Situation einigermassen wiedergeben.

Auf dem Weg durch die Innenstadt finde ich einen Waschsalon mit diesem Poster, was mein Herz jubeln lässt:

Sogar die Musikauswahl ist hier also exzellent und Tel Aviv soll noch viel besser sein.

Abend schauen wir uns den Dokumentarfilm „The State of Israel vs Tali Fahima“ von Tal Hakim an, der für einen Nicht-Israeli zunächst etwas kompliziert ist. Tali Fahima wohnt in Kiryat Gala und liest in der Zeitung ein Interview mit Zachariah Zbeidi dem Chef der Al-Aqsa-Brigaden. Das Ganze weckt ihr Interesse und sie findet die Telefonnummer von ihm heraus und ruft ihn an. Er bestellt sie aus Spass an die Strassenblockade in Jenin (Westbank) und sie trifft unter Todesangst den Terroristen. Sie trinken Kaffee zusammen und reden über den Konflikt, danach kehrt sie unversehrt nach Kiryat Gala zurueck. Nach dem dritten missglückten Anschlag auf Zbeidis Leben seitens des israelischen Secret Service, erklärt Tali, dass sie als „Human Shield“ nun immer an Zbeidis Seite sein wird, um seinen Tod zu verhindern. Eine ungeheure Provokation an die israelische Regierung.

Tali Fahima wird wegen Landsverrats angeklagt und ihr wird vorgeworfen mit dem Feind kollaboriert und militärische Unterlagen für den Widerstand in Jenin übersetzt zu haben, obwohl fast jeder dort Hebräisch spricht, wie Zbeidi bestätigt.

Tali sitzt bis heute im Gefängnis, da der Staat Israel offensichtlich ein Exempel für unerlaubte Übertritte in die Westbank statuieren will. Got It?

Noch einen Tag in Jerusalem, das Holocaust Memorial Yad VaShem besichtigen und ein Konzert von Dial-Records besuchen und Freitag geht es dann endgültig nach Tel Aviv …

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