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In The Mix: Shir Khan – Digital Tenderness + exklusives Interview

Der Berliner Ex-Mash-Up DJ, Labelbetreiber und Radiomoderator Shir Khan ist bekannt für seine eklektischen Upfront Electroclash/Baile Funk/Oldschool House-Sets und einstiger Dokumentarist der Mash-Up Kultur. Für meinen neuen Doku-Serie Collage culturel habe ich Shir Khan über seine Erfahrungen in der Welt der illegalen Bootlegs interviewt:

Shir Khan

Was sind deine musikalischen Einflüsse?

Shir Khan:
Ursprünglich war ich Gitarrist in so’n paar Hardcore-Bands, ich hab mich aber gleichzeitig für HipHop interessiert und ich glaub‘ so mit 19 Jahren hatte ich meine ersten Turntables. Davor hatte ich schon immer Platten gesammelt… Ok, also meine ersten Singles waren Popmusik… Dieser Gitarren-Background ist so einerseits der Einfluss und andererseits ist es dann so als DJ HipHop. Und weil im HipHop viel gesampled worden ist, habe ich mich dafür interessiert wo die Samples her kommen. Dann war Rare Groove das Thema, klar wurde viel im Funk und Soul-Bereich gesampled, dann habe ich versucht mir die ganzen Funk und Soul-Originale zu holen. In den Jahren 2000-2002 kam dann die erste Mash-Up-Welle auf, was mir vorkam wie die Zusammenfassung meiner Plattensammlung. Dann habe ich auch angefangen relativ eklektisch aufzulegen.

Was ist ein Mash-Up (Bootleg, Blend, Bastard Pop)?

Shir Khan: Du nimmst einfach ein Instrumentaltrack, vielleicht von einem Popstück oder einem Rockstück und legst darüber ein Acapella aus einem ganz anderen musikalischen Bereich, wie z.B. HipHop, R’n’B, was-auch-immer und kreuzt diese Sachen miteinander. Es ist auch ein bisschen eine Veralberung der ganzen Popgeschichte. Für mich war das Ganze ziemlich interessant am Anfang, weil ich fand’s recht subversiv, es war Sprengung von Tabus. Es gibt einen Musikjournalisten der mal gesagt hat, dass Bootlegs so was sind wie Autounfälle: Irgendwie schrecklich, aber von einer ungemeinen Faszination.

Editing

Woher stammt das Material für ein Mash-Up?

Shir Khan:
Bei mir war es immer so, dass ich ja schon viele Schallplatten gesammelt habe und immer geguckt habe: auf welcher Schallplatte ist ein Acapella drauf, wo kriege ich Instrumentals her? Um an Acapellas ran zukommen an die ich gar nicht ran kommen konnte, gab es verschiedene Websites damals – ich glaube eine hieß acapellas4u.co.uk – da konnte man massenweise Acapellas runter laden und in verschiedenen Foren wurden Acapellas geshared. Wodurch ich aber Mash-Ups überhaupt kennen gelernt habe, war die Seite boomselection und es gab später ein Forum von McSleazy gybo5.com, welches relativ bekannt war in der Szene. (…) Im Prinzip ist das Bootlegging so eine komplette Internetkultur gewesen, die im Internet gestartet und dort auch wieder gestorben ist.

Was ist Bootleg-Kultur?

Shir Khan: In der Bootleg-Kultur war nie der Gedanke da, dass man damit Geld verdienen möchte oder sich an anderen bereichert, sondern dass es in erster Linie um den Spaß geht, um eine witzige Idee die man hat und dann womöglich auch als Platte oder Online raus bringt. Der Betreiber der Seite boomselection, hat im Prinzip alle mp3s die er damals auf der Seite hatte auf CD gebrannt – die wichtigsten Bootlegs – und hat diese verkauft, bei Rough Trade.

Das Witzige ist, dass die Originalkünstler das überhaupt gar nicht mitbekommen haben oder es sie nicht interessiert hat, aber die Bootlegger selber haben sich wahnsinnig darüber aufgeregt, dass da jemand viel Geld verdient (…) Und da ist die Diskrepanz da, dass man einerseits von einem bekannten Künstler einen Track nimmt und darüber ein Acapella legt – von einem anderen Künstler, der auch wiederum bekannt ist, und sich andererseits beklaut fühlt. Dieses Bootleg was man geschaffen hat ist natürlich auch ’ne kreative Arbeit aber es ist natürlich nicht copyright-mäßig geschützt und wenn dann jemand anderes ankommt und das ungefragt veröffentlicht, gab es damals schon son‘ bisschen Tumult. Die Website boomselection wurde dann auch irgendwann eingestellt (…)

Gema Platte

Hast du dich mit den Klang-Avantgardisten beschäftigt bzw. haben diese dich beeinflusst?

Shir Khan: Ich hab mich schon ein wenig mit Klang-Avantgardisten beschäftigt, John Cage zum Beispiel, der auch Plattenmaterial verfremdet hat und auch William S. Burroughs, der halt diese Tape Cut-Up Theory gemacht hat. Im Prinzip hat er sich selber auf Kassette aufgenommen und an bestimmten Stellen immer wieder overdubbed, also im Prinzip nochmal neu aufgenommen, und dadurch sind natürlich so eine Art Textcollagen entstanden oder Klangcollagen. (…)

Allein die Idee mit Kassetten zu experimentieren finde ich spannend. Für mich war immer spannend, Material, was schon da ist, zu manipulieren und das hat es ja immer überall gegeben, auch in der Kunst. So Andy Warhol, Pop Art, Collage. Im Prinzip ist der ganze Mash-Up-Gedanke verwurzelt in der Collage oder das was die Dadaisten gemacht haben. (…)

Im Internet läuft alles über Verlinkung, über Hyperlinks, so etwas wie ein selbstreferentielles System was sich aufeinander bezieht und letztendlich ist Bastard Pop auch nichts anderes, weil Popkultur immer neu sich selber zitiert oder verschiedenen Stränge gezogen werden die gar nicht zusammengehören und dadurch entsteht ein neues selbstreferentielles System, was sich selber speziell im Bastard Pop nicht so ganz ernst nimmt. Die Verhöhnung der Popkultur, die Verhöhnung des Mainstreams. Bastard Pop war für mich immer so ein bisschen die Sabotage des Mainstream Radios, obwohl es mit Mainstream-Elementen gearbeitet hat.

Das ausführliche Interview gibt es hier.

Vor elf Tagen hat Shir Khan einen freshen Mix featuring Major Lazer, Malente, George Morel und einigen Exploited-Artists wie Basti Grub und Chernobyl gepostet.

[audio:http://www.dj-shirkhan.de/Digital%20Tenderness%20Mix.mp3]
Shir Khan – Digital Tenderness
[via dj-shirkhan.de]

Playlist hier.

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