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Wishmountain – Tesco [Accidental]

tesco

Lange hat es gedauert, und diesmal nahm sich Herbert aka Wishmountain einer britischen Supermarktkette an und überrascht gleich zweifach. Erstens war der Promo kein fünfseitiger Wisch mit einer ausführlichen Erklärung des Konzepts beigelegt, und Zweitens klingt die Platte gut. Hat wohl damit zu tun, dass die Energie in die Musik floss. An “Radio” oder “Bottles” – seine Gassenhauer aus den 90ern – reicht das Ergebnis zwar nicht ran, aber mit “Nescafe” ist ein Hit drauf, der heute mehr denn je zum Kontrast in den Clubs taugt.

Alles Restliche ist wie gewohnt. Schrubbige Bässe, viel Geklapper und Blechiges umrahmen die in einfachen Hallräumen gehaltenen Tracks, die alle aus gesampleten Konsumprodukten entstanden… und klingen wie eine vollbeladene Ritter-Hundertschaft aus dem 16. Jahrhundert. Nicht nur für Nostalgiefreunde ein interessante Option.

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Sample Diggin‘: Madvillain – Papermill

Endlich! Seit Oktober 2010 suche ich verzweifelt nach der German-Schweinerock-Platte die Madlib in diesem Track verwurstet hat:

Die amerikanischen Blogs vermuteten (aufgrund einer eher oberflächlichen Google-Recherche) Manfred Krugs Morgen dahinter, wobei ich persönlich meinte eine Peter Maffayeske Phrasierung in der Zeile „… man wird sehen …“ zu hören.

Dank dem soundcloud-User Betak ist nun die definitiv richtige Quelle ans Licht gekommen. Madlib hat mal wieder eine oskure Samplesource in dem Song „Irgendwie“ der Gitarrenformation Blonker aus dem Jahre 1978 aufgetan und dem lahmen Zeigefinger-Schweinerock einen funky Chop-Up verpasst.

Wenn es noch eines Beweises für die Kunstfertigkeit des Cratediggers Madlib und die potentielle Genialität des Prinzips Cut n‘ Paste bedurfte, hier ist er…

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Collage culturel – Episode 2 auf ARTE Creative

Die zweite Folge meines meines Kunst-, Kultur-, Musik-, Creative Commons- und Remix-Formats Collage culturel ist Online auf ARTE Creative.

Der Berliner DJ und Labelbetreiber Shir Khan gehörte zu Beginn der 00er Jahre zur Speerspitze der Mash-Up-Bewegung. Ein Mash-Up ist ein wilder Mix, eine Collage von verschiedenen Musikwelten: House, Heavy Metal, HipHop, Mainstream Pop und Reggae werden aus ihrer Nische gezerrt und aufeinander losgelassen. Shir Khan zeigt Collage culturel wie so ein Mash-Up entsteht und testet es im Club. Wir sprechen über die Faszination für Mash-Ups, das Copyright und die Collage als Inspirationsmotor.

Im Flashback befassen wir uns mit dem New Yorker DJ Steinski, der in den 80er Jahren die Ermordung von John F. Kennedy zu einer Hitplatte gemacht hat.

Shir Khan hinterlässt uns die Remixfiles des Tracks ‘Hudson Square’ der Amsterdamer Formation Homework. Zusammen mit den Soundspuren des Collage culturel-Soundtracks können diese auf ARTE Creative und collage-culturel.eu heruntergeladen werden.

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Diggin‘ The Crates: Cymande

Wohl wenige Bands sind so prädestiniert für die Diggin‘-Rubrik wie Cymande. Das Londoner Kollektiv mit karibischen Wurzeln veröffentlichte zwischen 1971 und 1974 drei Alben und verschwand danach für viele Jahre in den hinteren Schubläden staubiger Plattenläden. Obwohl Cymande nach Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums gemeinsam mit der Soul- und Gospellegende Al Green durch die USA tourten und dabei sogar zu einem Gig im legendären New Yorker Apollo Theater gelangten, blieb ihnen der große Mainstream-Erfolg versagt. Ihr hybrider Entwurf von Funk, der Elemente des Calypso, Jazz, Motown-Soul, Afrobeat und sogar Psychedelic Rock vereinigte, war wohl für eine gerade von James Browns ‚Sexmachine‘-Phase in den Bann gezogene Öffentlichkeit einfach zu komplex.

cymande-04.jpg

Meine erste Begegnung mit Cymande geschah eher untypisch über den Umweg zweier Compilations aus dem Umfeld des Berlin-Karlsruher Innervisions-Labels, nämlich Henrik Schwarz‘ DJ Kicks von 2006 und der letztjährigen, von Schwarz gemeinsam mit seinen Labelmates Dixon und Âme kompilierten Minimal-Musik-Zeitreise The Grandfather Paradox. Beide Compilations sind in ihrem etwas zu offensichtlichen und leicht prätentiösen Checkertum (Arthur Russell, Steve Reich) genau meine Tasse Tee und featuren in Form von ‚Anthracite‘ und des gesanglastigen ‚For Baby Oh‘ jeweils eine der unzähligen Nischen des schillernden Cymande-Universums.

In HipHop-Kreisen sind Cymande aber dank Rotation auf solch sakralen Plattentellern wie denen von Kool Herc und Grandmaster Flash schon länger keine Unbekannten. Spätestens seit De La Souls kongenialer Verwendung von Bra für Change In Speak auf ihrem 1989er-Debüt 3 Feet High And Rising ist ihnen der Platz im kollektiven Sample-Gedächtnis nicht mehr zu nehmen.

Ein Jahr später zog Masta Ace nach und bediente sich für Me And The Biz bei The Message und seinen ohrwurmtauglichen Bläsersätzen.
Die Fugees bescherten Cymande schließlich 1996 ganz warholesk einen so unverhofften wie kurzen Moment echten Mainstream-Fames, als sie den Titeltrack ihres Albums The Score auf dem bekifften Dove (‚Cymande‘ bedeutet im Calypso-Slang ‚Taube‘) aufbauten. Jedoch lohnt sich auch abseits nerdiger Sample-Genealogie eine Reise in den Cymande-Kosmos.

Ihr drittes und letztes Album Promised Heights hätte sich mit seinem visionären SlowMo-Funk auch gut in der mehr als 20 Jahre später grassierenden Downtempo-Welle um Kruder & Dorfmeister gemacht. Darauf findet sich mit Brothers on the Slide auch der nicht nur dank der Nightmares On Wax-Dubversion heute wohl bekannteste Cymande-Song.

Ein simpler Gitarrenlick und provozierend lässiger Groove sorgen weit vor Drexciya und Rhythm & Sound für den perfekten Soundtrack zum transatlantischen Rhizom-Wachstum. Das ‚Promised Heights‘ in den USA zuerst gar nicht veröffentlicht wurde, wundert angesichts der in Rassenfragen äußerst konservativen amerikanischen Musikindustrie kaum. Alle drei Cymande-LPs sind mehrfach re-released und u.a. bei hhv.de zu ziemlich günstigen Preisen zu ergattern.

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In The Mix: Shir Khan – Digital Tenderness + exklusives Interview

Der Berliner Ex-Mash-Up DJ, Labelbetreiber und Radiomoderator Shir Khan ist bekannt für seine eklektischen Upfront Electroclash/Baile Funk/Oldschool House-Sets und einstiger Dokumentarist der Mash-Up Kultur. Für meinen neuen Doku-Serie Collage culturel habe ich Shir Khan über seine Erfahrungen in der Welt der illegalen Bootlegs interviewt:

Shir Khan

Was sind deine musikalischen Einflüsse?

Shir Khan:
Ursprünglich war ich Gitarrist in so’n paar Hardcore-Bands, ich hab mich aber gleichzeitig für HipHop interessiert und ich glaub‘ so mit 19 Jahren hatte ich meine ersten Turntables. Davor hatte ich schon immer Platten gesammelt… Ok, also meine ersten Singles waren Popmusik… Dieser Gitarren-Background ist so einerseits der Einfluss und andererseits ist es dann so als DJ HipHop. Und weil im HipHop viel gesampled worden ist, habe ich mich dafür interessiert wo die Samples her kommen. Dann war Rare Groove das Thema, klar wurde viel im Funk und Soul-Bereich gesampled, dann habe ich versucht mir die ganzen Funk und Soul-Originale zu holen. In den Jahren 2000-2002 kam dann die erste Mash-Up-Welle auf, was mir vorkam wie die Zusammenfassung meiner Plattensammlung. Dann habe ich auch angefangen relativ eklektisch aufzulegen.

Was ist ein Mash-Up (Bootleg, Blend, Bastard Pop)?

Shir Khan: Du nimmst einfach ein Instrumentaltrack, vielleicht von einem Popstück oder einem Rockstück und legst darüber ein Acapella aus einem ganz anderen musikalischen Bereich, wie z.B. HipHop, R’n’B, was-auch-immer und kreuzt diese Sachen miteinander. Es ist auch ein bisschen eine Veralberung der ganzen Popgeschichte. Für mich war das Ganze ziemlich interessant am Anfang, weil ich fand’s recht subversiv, es war Sprengung von Tabus. Es gibt einen Musikjournalisten der mal gesagt hat, dass Bootlegs so was sind wie Autounfälle: Irgendwie schrecklich, aber von einer ungemeinen Faszination.

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Sampling Essay Vol.1

Während der Arbeit an meinem neuen Film, stoße ich hin und wieder auf Mikrostories populärer Samples oder inspirierende Sample-Genealogien, die ich in kleinen Essays auf der Website sammele. Volume 1 ist Public Enemy mit She Watch Channel Zero.

Das größte, most funky, most kickin‘ Sample der jüngeren Musikgeschichte ist sicherlich der Funky Drummer von James Brown, ein Drumbreak aus dem gleichnamigen Stück, gespielt von Clyde Stubblefield auf dem Album In The Jungle Groove von 1970. Die Aufnahme wurde 1969 in Cincinnatti, Ohio erstellt und das Drumbreak ist seither von unzähligen Gruppen (2 Live Crew, 808 State, Coldcut, De La Soul, Fine Young Cannibals, George Michael, Madonna u.v.m.) gesamplet worden. (Ausführliche Liste hier)

[audio:http://www.culture-jamming.de/funkyd.mp3]
James Brown – Funky Drummer

Die radikale Rap-Gruppe Public Enemy deren Produktionsteam Bomb Squad eine eigene Version des Wall Of Sound entwickelt hat – eine spezielle Art harte, dissonante und unmelodische Sounds und Samples zu einer massiven Soundwand aufzuschichten – bediente sich ebenfalls reichlich an diesem Drumbreak.

In dem Track She Watch Channel Zero entwendete das Bomb Squad ein Stück aus dem Klassiker Angel Of Death der Trash-Metal-Band Slayer.

Die Gruppe Slayer fällt in Minute 1:40 kurz nach dem ersten Refrain in eine statische Schleife, in der das Hauptthema – zur kurzen Atempause vor dem nächsten Energiepeak – variiert wird. Hier hat das Bomb Squad zugeschlagen und zusammen mit dem Funky Drummer die Grundlage für den medienkritischen, leicht sexistischen Track She Watch Channel Zero konstruiert. Die radikale Form des rohen Heavy-Metal-Samples (Heavy Metal ist übrigens eine Wortschöpfung von William S. Burroughs) wird benutzt um den radikalen Inhalt der Black Conscious-Lyrics ästhetisch auszukleiden, natürlich gewürzt mit einer Prise Funk.

[audio:http://www.culture-jamming.de/channelzerosnippet.mp3]
Public Enemy – She Watch Channel Zero (Snippet)

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Recycling_Sampling_Jamming 26.-28. Februar 2009

Das Festival Re-* verbindet mit den Begriffen Recycling, Sampling und Culture Jamming drei intermediale künstlerische Strategien, deren gemeinsames Thema die Transformation von Altem in Neues ist.

WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen aus den Bereichen Bildende Kunst, Design, Musik, Radio, Film, Video, Netzkunst und Werbung werden an drei Tagen versuchen, die Komplexität der künstlerischen Strategien des Re-* vorzustellen, zu erläutern und in einen wissenschaftlich-ästhetischen Diskurs einzubinden.

Mein Film Culture Jamming wird am Freitag um 16 Uhr laufen, anschließend darf ich mit dem Designer und Kommunikationsguerillero Stefan König, dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Marcus S. Kleiner und dem Senior Creative & Managing Director der Werbeagentur Scholz & Friends Hamburg Marc Schwieger über das Thema diskutieren.

Den musikalischen Auftakt übernehmen am Donnerstag den 26.02. Rechenzentrum 2.0 und Robosonic, letztere kann man auch morgen im Ballhaus Ost in der Pappelallee 15 (nähe U Eberswalder Strasse) bewundern.

Das Ganze findet statt in der Akademie der Künste, Standort Tiergarten, Hanseatenweg 10, Berlin.

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Editorial – Back In 2009

So, da wären wir wieder. Die Geburtswehen des neuen Jahres sind überstanden, ich bin vor kurzem von einer Rundreise durch Deutschland, Österreich und (short but impressing) Tschechien und mit einem Sack voller kultureller Eindrücke zurückgekehrt.

Das Jahr 2008, in dem ich mehrfach ankündigte durch möglichst bedingungslose Affirmation jedes auch noch so seltsamen Web2.0-Phänomens eine Implosion der Realität im Baudrillardschen Sinne zu initiieren und sixgroups.com, twitter.com sowie laut.fm beitrat, schien für mich im Abgang dann doch das Jahr der Rückkehr des Analogen zu sein.

Web-Phänomene wie der Techno-Viking, die Geschichte der Netzkünstlerin CYM – die ich auf der interfiction kennenlernte und die sich quasi aus dem Cyberspace in die reale Welt (zurück-)katapultiert hat wirkte auf mich, als wenn die Web2.0-Generation verzweifelt versucht, die Skills n‘ Techniques aus dem Web, zurück auf die Straße bzw. in die Physis des menschlichen (Wikinger-)Körpers zu transferieren.

Eine teilweise Abkehr von der reinen Zeichenhaftigkeit und eine Wiederentdeckung von so etwas wie dialektischem Materialismus, teils aus der Not geboren, als Kunst- und Kulturproduzent schrittweise zu verarmen, wie Ekkehard Ehlers und Björn Gottstein in der Konferenz Audio Poverty im Februar darlegen werden, teils aus der Erkenntnis, dass Virtualität ohne Orgasmus, blaue Flecken und Schweiß auf Dauer sehr eintönig und das Leben als reine Idee dann doch sehr kreislaufschädlich sein kann.

Die Web-Energiedebatte keimte en passant auf und lieferte uns die Vorboten des Schocks, dass die massenhafte Verfügbarkeit von Energie vielleicht doch keine logische Folge der Evolution des Menschen ist, sondern das Ergebnis einer zufälligen Entdeckung von fossilen Brennstoffen, über die das Säugetier Mensch gestolpert ist.

Dies hindert allerdings nicht bisher eher Web2.0-unverdächtige Einrichtungen wie die Berliner Philharmoniker eine Digital Concert Hall einzurichten, auf der seit dem 6. Januar die Konzerte (ab 9,90 Euro) in die ganze Welt übertragen werden.

Es bleibt also weiterhin spannend an der Urban Electronic Culture-Front.

Stay Tuned!