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Wahre Worte (IV) – Die Selbstdarstellung des Journalismus

Allerortens kann man derzeit lesen, dass der Journalist zu einer Marke werden soll. »Im Ausland sind Journalisten Menschenmarken«, schreibt Susann Hoffmann in ihren 6 Thesen zur Zukunft des Journalismus. »Weil Inhalte so authentisch werden und Journalismus auch fern des reinen Nachrichtenwerts erlebbar wird.«
Und natürlich weiß ich vom TV, dass jeder Jungreporter sich so schnell wie möglich vor die Kamera schummelt, um ein »Gesicht zu bekommen« und alsbald ein Starjournalist zu werden.
Wie sich junge Journalisten selbst sehen, illustriert z.B. dieses Foto auf der Seite blick-aktuell.de:

Steffi-Fetz-l-und-Lisa-Altmeier-interviewten-Naim-an-der-65725

Der Interviewpartner ist sitzend an den rechten Bildrand gedrängt, während die Journalistinnen und ihre Arbeit deutlich im Vordergrund stehen. Man kann es den jungen Journalistinnen kaum verübeln sich zu inszenieren um aus der Masse herauszustechen. In Zeiten in denen der »Content« austauschbar ist – und die AutorInnen letztendlich auch – machen es die Großen ja vor.

Matthias Dell hat in der aktuellen Ausgabe des Merkur anhand eines Fotos im Spiegel – auf dem das Ehepaar Harpprecht und die Spiegel-Redakteure Doerry und Fleischhauer zu sehen sind – anschaulich illustriert, wie Selbstdarstellungs-Journalismus funktioniert.

»Das Bild sagt (…) mit einem gewissen Stolz, dass Spiegel-Redakteure Zugang haben zu einer bekannten Figur wie Klaus Harpprecht (…). Das Foto, das Journalisten bei der Arbeit zeigen soll, ist tatsächlich der einzige Grund dafür, dass man sich diese überhaupt gemacht hat.«

Denn:

»Journalistisch mutet es fast parodistisch an, jemanden im Moment des Erscheinens seiner Lebensgeschichte zum großen Gespräch über sein Leben zu bitten.«

Bei BuzzFeed erzielt man damit jedenfalls keine Clickerfolge. So ist, so Dell, »das Pimpen des Arrangements durch Entsendung namhafter Fragesteller in die schöne Ferne des Mittelmeers nur konsequent – am Telefon eingeholt und ohne das atmosphärisch beflügelnde Setting aufbereitet (…), hätte der Gehalt der Geschichte noch dürftiger gewirkt.«

Hier wird schön deutlich, wieviel ökonomisches und symbolisches Kapital gestemmt wird, um eine Story als mehr erscheinen zu lassen als sie ist. Um den »Content« aus der Hölle der redundanten Beliebigkeit zu retten.

»Die Verunsicherung über den eigenen Status bekämpft ein solcher Journalismus durch den bewundernden Blick nach oben.«

Und Journalisten, die überhaupt noch Geld mit ihrer Arbeit verdienen wollen, müssen zu Starjournalisten werden, damit sie von den Harpprechts »Kaffee und Kuchen« serviert bekommen und »über den feuchten Sommer an der Côte d‘ Azur« parlieren können. In Zeiten ökonomischer Krisen und der Entwertung immaterieller Güter bleibt es einer kleinen Gruppe von Star-Arbeitern vorbehalten etwas Geld zu verdienen und die anderen lassen sich auf dem (statistisch wenig wahrscheinlichen) Weg dahin mit Pfennigbeträgen abspeisen. Dass es Susann Hoffmann und anderen da als clever erscheint Ego-Branding zu betreiben ist zwar folgerichtig, aber angesichts der Herrscharen von nach Aufmerksamkeit gierenden Prosumern wenig aussichtsreich.

»Die Stars sind da, um unterschiedliche Typen von Lebensstilen und Gesellschaftsauffassungen darzustellen, denen es global zu wirken freisteht. Sie verkörpern das unzugängliche Resultat der gesellschaftlichen Arbeit, indem sie Nebenprodukte dieser Arbeit mimen, die als deren Zweck magisch über sie erhoben werden: die Macht und die Ferien, die Entscheidung und der Konsum (…)«

(Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin: Edition TIAMAT 1996)

Wäre es da nicht intelligenter faire Arbeitsbedingungen für saubere Recherche und qualitativ hochwertigen Journalismus zu fordern, als Star-Images von sich selber im Internet zirkulieren zu lassen? Im Zeitalter der Star-Arbeiter wohl nicht …


MERKUR

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