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Sirenen (die Debatte formerly known as: Intrinsisches Entertainment)

@subkid – 24.03.15 – 01:12 Uhr

Nabend!
Ok, von der »ernsthaften Geschichtsvermittlung/Legendenbildung« will ich erst einmal Abstand nehmen. Klingt doch sehr pathetisch. Vielleicht schaffe ich es später ja doch noch wieder darauf zurückzukommen …

Für meine Antwort zwei Prämissen vorab:
– Ja, ich akzeptiere den natürlichen Drang des Menschen nach Aufmerksamkeit.
– Ja, ich akzeptiere die Existenz der Sirenenserver.

Aber zu den Sirenenservern will ich fragen:
Ist das etwas Neues? Ich behaupte, dass es das nicht ist. Denn es gab die Sirenen schon immer, nur dass sie damals nicht -server hießen, sondern -verlag oder -rundfunk.

Soviel zu meiner Frage aus der letzten Mail »Warum mache ich jetzt ‚was mit Medien‘, obwohl ich doch eigentlich Regisseur oder Journalist oder Autor werden wollte?«
Wenn man in den Neunzigern das (narzisstische?) Bedürfnis hatte die Gesellschaftsmeinung mitzuprägen, dann musste man zur Zeitung oder zum Fernsehen. Heute gibt es auch den dritten Weg YouTuber zu werden oder Blogger.

Wir sind unter anderem aus diesem Grund beim Fernsehen gelandet und haben – kein bisschen Einfluss. Denn wir sind in der Hierarchie nicht weit genug oben. Stattdessen bloggen wir jetzt. Das illustriert ganz gut die behauptete – aber von mir als falsch empfundene – Demokratisierung der Medien. Denn – Anfang meiner These – auch durchs Bloggen beeinflussen wir nicht die Gesellschaftsmeinung. Denn unser Bloggen ist zu unbedeutend. Niggemeiers Blog ist bedeutender. Gronkhs Meinung – via welcher Kanäle auch immer – ebenso (auch wenn er sich mehr mit Spielen als mit der Gesellschaft beschäftigt).

Was mich denken lässt: Die Demokratisierung der Medien hat nicht stattgefunden, denn nach wie vor braucht es die Gunst der Sirenen um für seine Äußerungen die Aufmerksamkeit zu bekommen, die es nun einmal braucht um mitzugestalten.

So wie wir heute bloggen, hätten wir auch damals Leserbriefe schreiben können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie abgedruckt wurden, war geringer, aber wenn sie es wurden, war die Leserschaft grösser als heute. (Könnte ’ne interessante Untersuchung sein, ob das dann nicht statistisch aufs Gleiche hinaus laufen würde.)

Fazit meiner These:
Sirenen sind nichts Neues. Es sind nur neue Sirenen hinzugekommen. Und genauso wie die alten damals, werben die Neuen jetzt für sich mit »Sturmgeschütz der Demokratie«.
Und ihre Anfangserfolge in der Sympathiewerbung könnten vielleicht auch erklären, warum die alten Sirenen die Werbeversprechen der neuen kopieren, deshalb z.B. Beteiligung in Form der Kommentarfunktion (Spiegel, Süddeutsche, etc.) anbieten.

Was ich den neuen Sirenen aber ankreiden wollen würde (aber hier bin ich wahrscheinlich auch nur reaktionär und nostalgisch): Den neuen Sirenen glaube ich mit keinem Wort ihre demokratisierende Legitimation (auch wenn der ganze arabische Frühling ja zu Gunsten einer solchen ausgelegt wird), sondern unterstelle ihnen lediglich marktwirtschaftliche Interessen.

Den alten Sirenen hingegen (Zeitungsverlage, Rundfunk) glaube ich immer noch ihren selbstgesetzten Auftrag der »vierten Gewalt«.
Aber soviel zum Thema Nostalgie. Denn wenn die Neuen eins gezeigt haben, dann, dass es mit dem Idealismus der Alten auch nicht weit her ist … Weswegen ich mein obiges »ankreiden« auch vielleicht wieder zurück nehmen muss, denn eigentlich wollte ich sagen »die Neuen sind schuld, dass die Alten jetzt auch marktwirtschaftlich denken« – aber vielleicht haben sie auch nur offengelegt, das die Alten auch keine hehren Ziele mehr haben (oder nie hatten?). Weswegen ich die Neuen aber trotzdem für keinen Deut besser halte …

Jetzt sind wir erst einmal völlig abgekommen vom Thema Aufmerksamkeit, was ja ganz interessant ist für das titelgebende »intrinsisch«. Auch bin ich weg vom Titelthema »Entertainment« da es ja gerade nur noch um gesellschaftliche Meinungsbildung, Debatte, Korrektiv geht. (Womit ich wenigstens wieder so halbwegs den Bogen zur oben abgelehnten »Geschichtsvermittlung/Legendenbildung« schlagen kann.)

Weswegen ich jetzt aber den neuen Titel vorschlagen will: Sirenen.

Was aber nicht heisst, dass das gute Thema der Aufmerksamkeit (in diesem Fall als Einstiegspunkt für die Erörterung der Rolle des Bürgers in der gesellschaftlichen Debatte) wegfallen sollte. Denn der Erfolg und die Anziehungskraft der neuen Sirenen offenbart für mich vor Allem auch die Hoffnungen und Wünsche, die Bürger haben: Nämlich z.B. der Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe und Repräsentation. Den sie an die alten Sirenen aufgrund von Enttäuschung nicht mehr richten wollen. (s. »Lügenpresse«, GEZ-Debatte)

Interessant in dieser Hinsicht ist auch, dass die Möglichkeit der politischen Partizipation (auch in unserer Debatte) völlig unter den Tisch fällt. Im Sinne von Korrektiv, gesellschaftlicher Teilhabe, Aufmerksamkeit. In den Achtzigern machte dies die Grünen attraktiv. In den Neunzigern die Medien. In den 2010er-Jahren aber trotzdem nicht die Piraten, die sich damit abmühten beides (Partei und Medien) miteinander zu kombinieren …

Mmh … thematische Abschweifung, aber vielleicht ist es jetzt deine Aufgabe von den Sirenen und dem »Bedürfnis teilzuhaben« wieder auf das »Bedürfnis zu unterhalten« zu kommen …

Q

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