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Buchtipp: Anja Schwanhäußer – Kosmonauten des Underground

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[Anja Schwanhäußer: Kosmonauten des Underground. Ethnografie einer Berliner Szene. Frankfurt/New York: Campus 2010.]

In ihrer Ethnografie über den Berliner Techno-Underground, die auf Feldforschungen in den Jahren 2002-2005 basiert, beschreibt die Autorin eine Szene, die sie nach Bourdieu als neues Kleinbürgertum bezeichnet. Dieses kennzeichnet sich dadurch, dass es in der Stadt lebt und sich sowohl von der proletarischen als auch der Hochkultur abgrenzt. Statt dem Wunsch beruflich oder finanziell aufzusteigen und sich ins Private zurückzuziehen, steht eine hedonistische Lebensweise („Die Pflicht zum Genuss”) im Vordergrund und ein sich permanentes im Raum bewegen – so „führt die Fluchtlinie des neuen Kleinbürgertums nach unten und nach außen und wieder zurück“ (265).

Das permanente Bewegen wird ebenso als Reiz empfunden, wie die auf Vergnügen ausgerichtete Lebensweise.

Beide Verhaltensweisen bekräftigen in den Augen der Akteure die Einstellung, nicht zur Mehrheitsgesellschaft, zum Mainstream dazuzugehören.

Um in den Genuss zu kommen, dienen den Akteuren des Techno-Underground ungenutzte städtische Räume, die sie zu temporären Locations umgestalten um dort ihre Feste zu inszenieren. Und hier liegt auch die Besonderheit der Szene:

Die Locations sind immer nur vorübergehender Natur. Sie werden erobert, genutzt und anschließend (mehr oder minder freiwillig) verlassen, um sich auf die Suche nach neuen Orten zu begeben.

Dabei sind vor allem die atmosphärischen Qualitäten des Raums wichtig. Es handelt sich häufig um Gebäude aus DDR-Zeiten mit entsprechender Historie, in denen mit Licht und Musik gespielt wird. Auch kommt dem Moment eine besondere Bedeutung zu, da sich das neue Kleinbürgertum nicht festlegen will. Ihr Prinzip und „ihre Ordnung ist der [permanente] Wandel“ (261).

Allerdings ist der Begriff des Techno-Underground für Außenstehende etwas verwirrend, handelt es sich doch nicht um die „etablierte“ Underground-Technoszene, die schon früh u.a. durch Gabriele Muri, Philipp Anz/Patrick Walder, Ronald Hitzler, Julia Werner und zuletzt Tobias Rapp erforscht wurde, sondern um Akteure, die sich vor allem der Hippie- und Punktradition verpflichtet fühlen. So entstammen viele der Hauptprotagonisten der Collectives aus der ehemaligen Hausbesetzer-Szene, die jetzt in Wagenburgen leben und verorten ihren Stil auch dementsprechend. Statt eines regressiven „Zurück zur Natur“ gilt bei den Punks „Zurück zum Beton“ wie es die Punkband S.Y.P.H. einst besang, während Rousseaus Ausspruch Leitmotiv für diejenigen ist, die sich der Hippiebewegung zuordnen. Dennoch ist beiden „Gruppen“ das Bestreben gleich, durch die Ästhetisierung des Alltags die „Trennung zwischen den Individuen zu überwinden“ (12).

Die Stärken von Schwanhäußers Ethnografie liegen einmal in der gelungenen Beschreibung der Akteure des Feldes. Dies ermöglicht dem Leser/der Leserin, sich in deren Situation hineinzuversetzen. Es lässt sich gut nachvollziehen, wie sie ihren Alltag strukturieren und aus welchen Motiven sie handeln. So werden einige der Hauptprotagonisten vorgestellt und ausführlich über ihren Lebensstil, ihre Kleidung, Drogenkonsum, Arbeit und „Partyverhalten“ berichtet.

Darüberhinaus gelingt Schwanhäußer im theoretischen Abschnitt des Buches eine eindrucksvolle Darstellung des Wandels der Stadt Berlin und der Gesellschaft im Allgemeinen. Es wird deutlich, wie stark sich inzwischen subkulturelle Werte in der Mehrheitsgesellschaft etabliert haben, bzw. wie nah beieinander Selbstverwirklichung und tendenziell antikapitalistische Einstellungen dem neoliberalen Paradigma des projektförmigen Daseins (in Anlehnung an Boltanski/Chiapello) sind.

Zudem legt Schwanhäußer dar, welche Bedeutung die Szene insgesamt für das Bild der Stadt und somit auch für Postadoleszente in ganz Europa hat, die bis heute in die Stadt strömen. So kann das Buch auch als eine Art Vorgänger von und Ergänzung zu Tobias Rapps „Lost and Sound“ (2009) angesehen werden.

Wo es Rapp um die Beschreibung des explodierenden Rave-Tourismus durch „Easy-Jet-Raver“ in die etablierten Technoclubs geht, zeigt Schwanhäußer die Undergroundszene vor der massenhaften Internetnutzung auf, die – wenn auch unbeabsichtigt – einen Teil dazu beitrug, den Ruf einer Feiermetropole zu generieren.

Die eigentliche Musik wird, obwohl sie der Mittelpunkt und wohl auch Grund der Partys ist, in Schwanhäußers Dissertation, die diesem Buch zugrunde liegt, nur angestreift. So wäre es interessant zu wissen, was das Spezielle am Techno und seinen Varianten ausmacht, bzw. ob es nicht doch Analogien gibt, zwischen der Fluidität der Szene und dem Fluiden des DJ-Mixes, bei dem permanent Neues im Fluss des Übereinanderblendens mehrerer Stücke entsteht.

Die oft betonte Freiheit seitens der Akteure täuscht darüber hinweg, dass deren Lebenslagen häufig extrem prekär sind – nicht nur in finanzieller Hinsicht – und es sich hier eher um Selbstausbeutung denn -verwirklichung handelt.

Viele der „normalen Raver“, die im Buch fast nicht beschrieben werden, da es sich größtenteils um die Macher hinter den Kulissen handelt, nehmen diesen Lebensweg als einen Fluchtweg vor anderen Problemen. Auch der massive Drogenkonsum, der aus eigenen Beobachtungen nicht nur aus Cannabis sondern auch aus Amphetaminen, Metamphetaminen und anderen Substanzen besteht, deutet darauf hin.

Resümierend betrachtet, gelingt Anja Schwanhäußer eine Ethnografie einer postmodernen Szene, die sich sehr positiv von anderen Werken über die Technoszene im weiteren Sinne abhebt und dies zusätzlich mit Urbanität (auch in ihrer historischen Entwicklung), theoretischen Raum- und Schichtkonzepten in Verbindung bringt und anschaulich die kausalen Zusammenhänge aufzeigt.

[Diese Rezension erschien zuerst in: Hegner, Victoria; Hemme, Dorothee (Hg.): Kulturen. Feldforschung@cyberspace.de, Heft 2/2011, Göttingen, S. 62-64]

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Kleinschmager Audio – Baan Panburi EP [Dekadent 012]

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Hüpfen oder Fliegen? Kann mich noch nicht ganz entscheiden, wie man ‚Cochlea‘ am Besten in Körperbewegungen umsetzt. Hochpräzise jedenfalls wie der Leipziger die Sounds einsetzt, ohne dass das melodische zu dick aufträgt. Vielmehr lässt es Raum für den kopfeigenen Nightflight. Der Remix des Franzosen From Karaoke to Stardom macht die Entscheidung schon einfacher.

Sein ruhiger Trance lädt schnell zum Fliegen ein, wuchtige Bassdrum für die nötige Startpower, ausladende Sounds für die Tragflächen und genug Spielereien damit der Trip spannend bleibt. Die B2 als rasselndes, kaum melodisches Stück setzt sich zwar klanglich gut ab, aber hat keine Chance gegen die beiden sehr guten Tracks vorher.

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Silvester 2009 in Berlin

Ein Spaziergang durch den Prenzlauer Berg und Mitte bringt es ans Tageslicht: Vor Silvester 2009 berstet Berlin vor EasyJet-Ravern. Englische, spanische und französische Touristen bei Lidl, am Alex und in den Cafés um den Helmholtzplatz. Hostels und international bekannte Clubs wie das Weekend, 103, Watergate, Tresor, WMF oder gar das Berghain sind brechend voll. Als Alternative gibt es auf realvinylz ein paar (Eintrittsschlangen-)entspannte Partys mit Urban Electronic Music in Berlin.

+++ RemmiDemmi – Möbelrücken auf 3 Etagen @Ballhaus Ost +++

How much?: 5 Euro vor 0 Uhr, danach 10 Euro mit Passwort (Ich bin DELIKAT)
Where?: Ballhaus Ost, Pappelallee 15, Berlin-Prenzl‘ Berg, U2 Eberswalder Strasse
When?: 22 Uhr
What?: TechHouse, Minimal, Electro, Funk, Soul, IndieRock
Who?: Cinthie, Andre Crom, Luca Dobbie, Fresh Meat, pitt&bone, Disko DNA uvm.

DELIKAT

+++ Silvester im Cookies +++

Where?: Cookies, Friedrichstrasse 158-164, Berlin-Mitte
When?: 1 Uhr
Who?: TRUS’ME, Hans Nieswandt, Jack Tennis, Ponypop Girls, James Fuckin Friedmann uvm.

Cookies Flyer

+++ // SILVESTER NEW YEAR // @ZMF +++

How much?: Eintritt vor Mitternacht 5,- Euro, nach Mitternacht 10,- Euro.
Where?: R.I.P. aka ZMF/ ROTE LAMPE, Brunnenstrasse 10, Eingang über Weinbergspark, Berlin-Mitte, U Rosenthaler Platz
When?: 23 Uhr
Who?: LIVE: Lars Wickinger, Mama, Schulz und Söhne, Dürerstuben — DJs: Angie Reed, Fassifern, Goldhands, Hardpop u.v.m.

+++ SILVESTER AFTER HOUR +++

Where?: Ziegrastraße 11, 12507 Berlin, S Sonnenallee
When?: 01.01.10 @12:00
Who?: Duran Duran Duran, Kruton, DSB, CommonWealth, Franz Underwear, Purita D, Jemek

Raum18

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V.A. – Five Years of Rotary Cocktail [Rotary Cocktail 020]

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5 Jahre Rotary und alle sind dabei: Marko Fürstenberg, Mod.Civil, Holger Flinsch, Dreher & Smart, youANDme, Mark Broom, Larsson und Mr. Statik. Und fast alles durch die Bank hinweg super. Der eigentliche Killer kommt aber von Holger Flinsch. Ein erfrischender Trancetrack, der Trance noch als Zustand kennt und nichts mit getriggerten Flächen zu tun hat. Simpel gehalten und einfach wunderschön hypnotisch.

Ebenso Mod.Civil. Die beiden Leipziger wissen einfach, wie sie Wärme in den Dub bringen. Fürstenberg bastelt eifrig weiter an seinem Trademarksound und Mark Broom bringt die Party in den House zurück (hittig). Die nötige Deepness steuern Dreher und Smart bei, während es Larsson ordentlich nach vorne zieht. Sehr gelungene Compilation mit ein paar Hammertracks drin.

Rotary Cocktail

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Heinrichs & Hirtenfellner – Down EP [Dekadent 011]

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Typisch Berliner Minimalsound der hier doch positiv überrascht. Mit einer Choir-Sound-Melodie, bei der jeder auf jeden zweiten Beat ein Ton kommt und den zwischendurch einsetzenden Streichern, vermittelt das die Wärme im Club, die sonst nur ein Ofenfeuer gibt. Passt deshalb perfekt zum miesen Wetter dieser Tage.

Mit ‚Soap‘ bringen H&H den eigentlichen Hit dieser EP. Trompeten, eine bauchfellkitzelnde Bassline und ein melancholischer Chor grooven das Herz warm. Die Endlosrille am Schluss bringt dann den nötigen Spaßfaktor aufs Vinyl.

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phOkus – Dem All Shot – Teil 2

Fortsetzung von Teil 1

Das ist jetzt eine gute Zeit lang her. Wie schätzt du die Situation von Grime und Dubstep heute ein? Ist nicht Dubstep de facto ein Massenartikel geworden, dagegen Grime in seiner zumindest anfänglichen Außenseiterposition verhaftet geblieben? Und die bedrückendste aller Fragen: Herrscht Jahre nach dem Aufbruch bereits Ernüchterung?

Ich habe nicht das Gefühl. Eventuell muss man zwischen Dubstep und Grime unterscheiden, richtige Hammer-Grime-Tracks sind in letzter Zeit relativ schwer zu finden. Ich habe schon das Gefühl, dass die Grime-Szene 2006/2007 sehr viel mehr Interessantes hervorgebracht hat, was aber einfach zum großen Teil damit zusammenhängt, dass sich viele UK-Grime-Artists immer mehr im Chartspop-Bereich bewegen und immer weniger neue Dinge ausprobieren als noch vor zwei Jahren, sie im Gegenteil sogar Pop-Elemente in ihre Tracks übernehmen, damit sie im Charts-Kontext besser funktionieren.

Im Bereich Dubstep gibt es immer noch neue Entwicklungen, und die Leute probieren alles Mögliche aus. Darin besteht ja auch der große Reiz: Es ist möglich, nahezu alle musikalischen Einflüsse im Dubstep zusammenzuschmelzen. Und genau das passiert nach wie vor, wodurch immer noch ungehörte, neue Kombinationen entstehen.

PhOkus II

Photo by Marco Heinzmann

Welche Perspektiven eröffnen sich für Dubstep? − Welche Gefahren gibt es? Welche Chancen kannst du sehen? Kannst du Strategien erkennen, vielleicht sogar den unsäglichen Hype? Anders gefragt: Lässt sich so etwas wie Dubstep überhaupt hypen?

In letzter Zeit tauchen vermehrt Pop-Dubstep-Remixes auf. Natürlich besteht die Chance, dass es immer weiter wächst und mehr und mehr Leute Dubstep kennen und mögen, andererseits gibt es wie immer die Gefahr des großen Ausverkaufs. So wie einige Zeit in jedem zweiten Werbespot Drum ’n‘ Bass im Hintergrund lief. Nur die Drums, ohne die Basslines, weil man die im Fernsehen nicht hört. (schüttelt den Kopf)

Ich habe aber den Eindruck, dass sich die meisten Protagonisten der Szene einig sind, dass es Dubstep nicht gut tun würde, wenn auf einmal Verkaufszahlen und nicht die Innovation bzw. die Funktionalität auf dem Dancefloor zum schlagenden Argument werden. Die Dubstep-Szene selbst ist sehr stark über Internetforen, Instant Messenger und Social-Networking-Plattformen vernetzt, so dass es Außenstehenden schwer fallen dürfte, sich dort zu positionieren und einen Hype zu starten. Und auf den Fernseh-Sound bezogen: Wenn man bei Dubstep die Basslines und Subbässe weglässt, bleibt nicht mehr viel übrig. (grinst)

Was vom Dubstep übrig bleibt … Schauen wir in die Zukunft: Mit wem arbeitest du aktuell zusammen, welche Projekte verfolgst du, und wo kann man dich live/als DJ erleben?

Mit The Next aus meiner Hamburger Nachbarschaft arbeite ich seit Drum ’n‘ Bass-Zeiten zusammen. In letzter Zeit bin ich oft mit Mr. Boogie aus Potsdam mit b2b-DJ-Sets unterwegs, und wir haben auch einige gemeinsame Tunes produziert. Außerdem fertige ich Remixe für verschiedene Leute an, z.B. Jazzsteppa, Mahanee … oder Spillsbury, ein Mitglied meiner letzten Punkband. Ich plane im Augenblick mit MC Bandog von Killa Instinct, Grime-Tunes zu produzieren. Interessant, mal typische Britcore-Vocals mit Grime in Verbindung zu bringen … wir werden hören, ob es funktioniert (schmunzelt).

Diskographie:

Phokus feat. Tinchy Stryder & Dirty Danger: Dem All Shot (12″) 2006
Jazzsteppa: Five (Phokus-Remix) (12″) 2008
Phokus: Da Loot (12″) 2007
Phokus & The Next: Smoke Ganja (12″) 2008
Phokus & The Next: Inta (7″) 2008
Phokus: Mash Up Di Place (MP3) 2008
Mahanee feat. Solo Banton: No Joke Ting (Phokus-Remix) (12″) 2009
Phokus & MrBoogie & TKR: BigUp! (12″) 2009

Erscheint Juni 2009:
Phokus & Mr Boogie: The Infect (12″)

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phOkus – Dem All Shot – Teil 1

Prolog

Die Menschenschlange vor dem Berliner Berghain ist um halb vier Uhr morgens hunderte Meter lang, dabei ist der geräumige Club schon seit Stunden voll. Internationales Publikum, Internationale DJ-Sets, vor allem aus UK. Es geht hier um die zukunftsweisendste unter den aktuellen Musikrichtungen: Dubstep.

Der Begriff ist schnell definiert: Dubstep ist dem Namen nach eine Mischung aus Dub und 2step. Das Brisante, geradezu Revolutionäre liegt im Modellcharakter von Dubstep begründet: Diese Musikrichtung funktioniert nicht als ein in sich geschlossenes System, nicht als kohärentes, einheitliches Muster, wie es uns etwa im Bluesschema des Rock ’n‘ Roll begegnet – drei Akkorde, über Jahrzehnte Grundlage und Erkennungsmerkmal – oder wie es im House- und Technobeat aufscheint – dessen kleinster gemeinsamer Nenner die 4/4-Bassdrum bildet – gleichsam die Tradition der Disco-Ära.

Dubstep ist das Synonym für eine musikalische Entwicklung. Für eine Technik, die in einer Umgangsweise mit Musik begründet liegt, Dub genannt. Die Anwendung auf 2step ist dabei eine Möglichkeit, wenn auch nicht willkürlich. 2step steht für das Erbe urbaner Tanzmusik, ist Funk, Disco, House, gepaart mit der afro-amerikanischen Tradition des R ’n‘ B. Dub ist eine aus dem Reggae hervorgegangene mediale Reflexion, Rückführung auf das eigentlich Klingende, Minimierung, Substrahierung.

Fünf Uhr nachmittags in einem kleinen Straßencafé in der Mainzer Straße im Bezirk Berlin-Friedrichshain. Wenige Stunden vor seinem DJ-Set bei den Dubstep Standarts und am Vorabend von Bass The World begegne ich Phokus. Mir gegenüber sitzt ein entspannter Endzwanziger in der Sonne. Der Musikproduzent sorgt seit 2006 als Teil der deutschen Grime- und Dubstep-Szene für Aufsehen. Er ist im Verbund der WOBWOB!-Crew Hamburg zu einem der wichtigsten Protagonisten des kontinentalen Dubstep geworden.

Phokus I

Photo by Henrietta Langholz

Bei vielen Künstlern geht der Anfang ihres Schaffens einher mit einem besonderen Moment in der Erkenntnis ihrer Kunst. Oft ist das noch nicht einmal etwas Spektakuläres. Wie hast Du angefangen? Wie bist du zur Musik gekommen, oder ist die Musik zu Dir gekommen?

Solange ich zurück denken kann, hat Musik für mich eine Rolle gespielt. Aber ich möchte lieber nicht sagen, was ich früher mal für gute Musik gehalten habe. Jedenfalls habe ich irgendwann von einem Freund meines Bruders Schlagzeugunterricht genommen und in verschiedenen Bands als Drummer gespielt. Meist ging es dabei in Richtung Punk.

Als meine Eltern endlich einen Computer angeschafft hatten und ich mir im Winter auf einem alten Skateboarddeck im Schnee den Arm gebrochen hatte, besorgte ich mir von einem Kollegen so Sachen wie Fasttracker 2 und fing an, meine ersten Pfade in der elektronischen Musik zu beschreiten. Ich habe von Anfang an ausschließlich mit dem Computer produziert, was sich bis heute nicht geändert hat. Vor einigen Jahren habe ich zwar einem Kumpel, der sein Auto zu Schrott gefahren hatte, seinen Synthie abgekauft, der dient allerdings nur noch als MIDI-Keyboard. Natürlich habe ich verschiedene Arbeitsweisen und Tools ausprobiert, aber externe Gerätschaften oder sowas sind nicht dazugekommen. (zuckt die Achseln) Ich kenne es nicht anders, da vermisse ich das Drehen an echten Knöpfchen oder die „Seele“ von meinen Lieblingssynthies erst gar nicht.

Deine Anfänge verlieren sich im Dunkel der Kindheit, du hast Wurzeln im Punk, einem wichtigen Wegweiser der neuen elektronischen Musik seit den 80er Jahren. Als Drummer hattest du zudem wie selbstverständlich ein Bein auf dem Dancefloor. Wie hast du Zugang zu der Musik gefunden, die Du heute machst?

Bevor ich mich mit Musik um die 140 BPM beschäftigt habe, war ich eher schneller unterwegs. Genauer gesagt habe ich Drum ’n‘ Bass-Tracks produziert. Irgendwann hat sich der vorherrschende Drum ’n‘ Bass-Sound, jedenfalls der, den es in Hamburg auf den meisten Parties zu hören gab, in eine Richtung entwickelt, mit er ich nicht mehr all zuviel anfangen konnte. Die Elemente, die mich ursprünglich so für den Sound begeistert haben, sind sehr stark in den Hintergrund getreten, und die Stimmung ist immer aggressiver geworden.

Zu der Zeit habe ich relativ viel Internetradio gehört und bin als erstes auf Grime gestoßen, was in mir sofort ähnlich euphorische Gefühle ausgelöst hat wie die ersten Jungle-Tunes die ich gehört habe. Ich habe auch vorher schon immer mal wieder in solchen Geschwindigkeiten experimentiert und mich ab diesem Zeitpunkt völlig darauf konzentriert. Das erste Ergebnis war die 12″ auf MG77 (Dem All Shot).

Außerdem hatte ich seit einiger Zeit aufgehört mir Platten zu kaufen, was sich ab dem Moment schlagartig änderte. Ich habe dann viel Grime- und Dubstepmaxis gekauft und angefangen, alle miteinander zu mixen, was mir einen riesen Spaß gemacht hat!

Fortsetzung folgt…

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Harry Axt / Daniel Steinberg: Friede, Freude, Techno

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Friede, Freude, Techno

von Bastian Thüne aus De:Bug 130

Techno ist neben der Musik vor allem auch eine Art des Feierns. Spaß, Hedonismus und Unvernunft treibt uns viele Wochenenden in die Clubs. Dabei geht es mitunter ganz schön humorlos zu, wenn dann im Endeffekt viele mit Sonnenbrille am Rumposen sind. “Im Techno nehmen sich manche auch immer sehr ernst und man kann das auch ein bisschen von der spaßigen Seite sehen”, erzählt uns ein gut gelaunter Harry Axt, der in einem Grand-Petrol-Video auch gerne mal einen Ein-Mann-Balkon-Rave inszeniert und dessen Name so unverfroren bodenständig klingt, als müsste er aussehen wie das deutsche Pendant zu Albert “Al” Borland aus der Serie “Hör mal, wer da hämmert”.

Hämmern tut es natürlich schon bei ihm, aber längst nicht so grobschlächtig, wie es der Name vermuten lässt. Das rote Karohemd, dass zwar wieder gut zu einem grundkonservativen Lebensstil passen würde, wird eben nicht durch einen wohlgenährten Bauch ausladend nach vorne zur Schau gestellt, sondern durch eine viel zu kleine Lederjacke aufs Korn genommen, die man sich gerne als Karnevalskostüm wünscht. Die knallenge Lackhose tut ihr übriges.

Aber Harry Axt ist ja auch Daniel Steinberg, der dem tranfunzeligen Minimal dieser Tage einen ordentlichen Schuss Chicago, Cut-Up und locker-hüftschwingende Housegrooves hinzufügt. Das funktioniert und hat Humor. Ob als DS auf Overdrive, als Daniel Steinberg auf Frontroom und Style Rockets oder eben als Harry Axt auf Grand Petrol und Kiddaz.fm. Da wundert es nicht, dass seine frühen Einflüsse neben den ersten Acidhouse-Platten, Phuture und Strictly Rhythm auch die gängige Dancemusic der frühen 90er war, wie Black Box, Technotronic oder Bizarre Inc.

Jedenfalls sind die beiden Alter Egos des 32-Jährigen derzeit auf vielen Tanzflächen anzutreffen und auch als DJ will sich der Berliner nicht nur auf einen Namen festlegen: “Ich lege meist unterschiedlich auf. Als Daniel Steinberg spiele ich eher einen nicht so harten, mehr techhousigeren Sound und bei Harry Axt wird es dann schon härter und technoider.” Beim Produzieren verlässt er sich ebenfalls auf diese Dichotomie, die es ihm ermöglicht zwei Seiten auszuleben. “Harry Axt ist dann immer ein bisschen doller, technoider und wirkt düsterer. Bei Daniel Steinberg fluffig, housig. Mit Samples … so Friede, Freude … (lacht).”

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Auf seinem Debutalbum Planet Axt, das er jetzt als Harry Axt veröffentlicht, fügt Daniel glücklicherweise beide Seiten zusammen und nimmt uns mit auf seinen Planeten, auf dem schon sehnsüchtig die ravenden Weltraumgeschöpfe mit den Äxten in ihren Händen rumwedeln. Mit düsteren Basslines unterlegte Tracks, die die Melancholie mit Vocalfetzen auf ein funkiges Level anheben, und drohnigen Tunneln, durch die einzelne Klaviertöne hindurchschwirren, baut sich Daniel sein Universum zusammen. Das darf dann auch elektronische Big Band im Slowmotion-Tempo sein oder voll auf die Zwölf gehen. Schließlich geht es um Techno und dabei vor allem um den Spaß.