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Premiere: Waffenwetter am Nationaltheater Mannheim am 17.04.09

Wenn es stimmt, dass einer der entscheidenden Eckpunkte einer Schriftstellerkarriere die beginnenden Cross-Medialität ist – eine Theorie die ich gerade frisch aufgestellt habe – dann ist der Autor, Journalist und Übersetzer Dietmar Dath jetzt dort angekommen, wo ich ihn schon immer hingewünscht habe: Im Olymp der Hochkultur.

Bereits die ersten Romane wie z.B. Cordula killt Dich! oder Wir sind doch nicht die Nemesis von jedem Pfeifenheini oder spätestens Phonon, haben mich schwer begeistert und oft zu der Bemerkung hingerissen, Dietmar Dath sei das wahre Fräuleinwunder der deutschen Literatur. Der wilde Genrecrossover zwischen Wissenschaft, Pop-Essayismus, Science Fiction und Jugenderinnerung, die anfangs noch einigermaßen konstruiert wirkenden Plots (vgl. Der Minkowksi-Baumfrosch in De:Bug) und die dezidierte linksradikale Haltung brauchten jedoch einige Jahre um zu reifen und von einer Insider-Fangemeinde zu Suhrkamp zu kommen.

Am Freitag zeigte das Nationaltheater Mannheim in einer Weltpremiere die Bühnenbearbeitung von Daths Roman Waffenwetter. André Bücker (Regie) und Ingoh Brux (Dramaturgie) kochten Daths Prosa auf eine wortgewaltige ca. zweistündige Bühnenfassung runter, die dann von Isabelle Barth, Ines Schiller und Dascha Trautwein (alle in der Rolle von Claudia Starik) auf der Bühne zelebriert wurde, wozu man allen nur gratulieren kann.

Über alle erwartbaren Maße hinaus haben die Schauspielerinnen der Dathschen Dialektik mühelos großartiges Spiel entlocken können, wenn man sich auch bei Frau Schiller manchmal mehr Zurückhaltung im Spiel wünschen würde – im Sinne des großen Ganzen. Ego-Theater hätte die kommunistische Partei (deren Geist in Form von Claudias Opa Konstantin über dem Stück schwebt) nämlich gar nicht gut geheißen.

Die große Überraschung und ein wesentlicher Teil der Inszenierung war vor allem das Bühnenbild von Jan Steigert und dort vor allem die Arbeit des meines Wissen debütierenden Videokünstlers Christian Schrills. Dessen auf die Leinwände projizierten Assoziationsblaster aus HAARP-Erklärfilmchen, Jugendzimmer 360°-Turns, Winterlandschaften und digitalem Rauschen gaben den Schauspielerinnen die nötige Haftung an einem nachvollziehbaren Handlungsgerüst und spannten gleichzeitig eine mythische Metaebene auf, die im Videoinstallations-Overkill des herkömmlichen Regietheaters ihresgleichen sucht.

Wer nun neugierig auf die Romanvorage Dietmar Daths geworden ist, kann sich zwar nicht Waffenwetter aber doch Für immer in Honig auf der Seite litradio.net runterladen, wo eine ‚geschwinde Komplettlesung‘ des Romans von Andreas Platthaus und dem Autor höchstselbst angeboten wird.

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reset.to, atmosfair.de & freerice.com – Web 2.0 for a better World

Eine Google-Suche verursacht derzeit schätzungsweise 4 Wattstunden und damit nach durchschnittlichem Energiemix 3 Gramm CO2, sagen die Klimaschützer, und ein Second-Life-Avatar, der ein Jahr lang durchgängig im Second-Life-Grid online wäre, würde 200 Kilowattstunden und 120kg CO2-Ausstoß allein auf den Servern von Linden Labs kosten, was ungefähr einer menschlichen CO2-Produktion von einem Vierteljahr entspricht.

Wie sehr eine durchschnittliche Lebensweise in einer Großstadt wie Berlin das Klima belastet, kann man sich hier errechnen lassen.

Dass wir alle einen LOHAS-Weg gehen wollen, ist so klar wie Bionade piefig ist. Um die Ecke winkt die Neue Bürgerlichkeit und ein konterrevolutionäres Müllsortieren. Wie Dietmar Dath in seiner – dieser Tage erscheinenden – Streitschrift Maschinenwinter – Wissen, Technik, Sozialismus darlegen wird, ist dies eines avantgardistischen Datendandies – als den ich den idealen realvinylz.net-Leser jetzt mal klassifiziere – nicht würdig.

„(…) die beliebte Ansicht, wir lebten in einer technokratischen Gesellschaft (stimmt nicht), es herrscht keineswegs die Technik oder die Techniker-Elite, sondern der Schwachsinn, nämlich der Profit, verwaltet von Profitmachern.“

Dietmar Dath in De:Bug 121

Zwar sind wir alle von einer demokratischen Planung der vorhandenen Ressourcen und der Produktion noch unendlich weit entfernt, aber ein oder zwei Schritte in die richtige Richtung kann man schon jetzt vom heimischen Laptop aus tun.

Da wäre erstmal atmosfair.de, wo Passagiere freiwillig für die von ihnen verursachten Klimagase zahlen können. Das Geld wird zum Beispiel in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um dort eine Menge Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung haben wie die Emissionen aus dem Flugzeug.

atmosfair

Ein etwas merkwürdiges Projekt – gewissermaßen das Volvic unter den CyberCharitySites – ist freerice.com, wo der Oberprimaner bedeutungsverwandte Worte finden muss um 20 Reiskörner (sic!) spenden zu lassen, bezahlt von den Advertisern auf der Seite.

Vokabeln lernen für einen guten Zweck und im Endeffekt wohl nur eine clever verpackte Werbeseite, zumal man ca. 1000mal spielen muss um eine läppische 500g Packung Reis zu ‚erwirtschaften‘.

Genauso beknackt auch die Waldseite, auf der man mit einem Klick auf STOP den Regenwald retten kann. Ich will gar nicht sagen, dass nicht auch ein Tropfen den heissen Stein Stück für Stück abkühlen kann, aber wie viele Menschen sich schon nach einer Spende im kalorien- und monetärökonomischen Mikrobereich ihr gutes Gewissen erklicken, möchte ich lieber nicht wissen.

reset.to

Weltrettung im Social-Networking-Gewand findet sich auf der Seite reset.to. Zwar ist das Design für meinen Geschmack etwas zu altbacken, aber die Vernetzung von Leuten anhand der Projekte für die sie gespendet haben, erzeugt einen netten Gruppenzwang, der vielleicht den einen oder anderen Spendenfaulen zum helfenden Mausklick animiert.

Unter der Rubrik Nachhaltig Filme gucken (sic!) empfiehlt man netterweise auch meinen Film Culture Jamming und das allein ist schon ein Grund die erschreckende Klimabilanz des Surfens durch einen Beitritt in die Cyberhippie-Community auszugleichen.

Weltrettung Is Just One Mouseclick Away!

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The Shramps [Verbrecher Verlag]

Pop wie er sein könnte, aber nicht ist, kann wohl als eines der Hauptthemen im Oeuvre des von mir hochgeschätzten Autors, Redakteurs und Theoriejockeys Dietmar Dath betrachtet werden.

In seinem neuen, von Daniela Burger gestalteten, Buch The Shramps, geht es demnach um Rezensionen zu Platten, die es nicht gibt, von Musikern, die es teils gibt und teils nicht. Ein endgültiger Abgesang auf die Authentizität und dennoch ist jede Rezension eine Liebeserklärung an den Musikjournalismus und das Popbusiness.

The Shramps Cover

Unter den Rezensionen finden sich fiktive Platten von realen Künstlern wie Billy Bragg, Helge Schneider, Nina Hagen, Brian Eno, David Bowie, Guns n‘ Roses oder Ani Di Franco und fiktive Platten von fiktiven Künstlern. Das Album ‚Poodle‘ der Hardrockband Noodle dürfte wohl ein Fake sein, ebenso ‚Gretchen‘ von der Neonazi-Frauenband Sturmfotze und ‚Métronome Ahoi‘ von Simone:

„Das Ganze ist ein multikultureller, pfiffiger, zeitgenössisch-hipper, cleverer Kopfschmerzkrempel und sollte von Nervenkranken weiträumig umfahren werden, weil ihnen sonst das Blech wegfliegt. Alle anderen aber werden gewiß zugeben, daß es etwas ähnlich Belebendes in der internationalen Krawallkultur seit Boozoo Chavis, Nobi Bolpenwolch und Usama Bin Schubsi nicht mehr gegeben hat.“

The Shramps
Dietmar Dath – Maschinenwinter – Wissen, Technik, Sozialismus
Dietmar Dath – Heute keine Konferenz