Seit ein paar Tagen gratulieren alle möglichen Menschen Kool Keith auf seinem twitter-Account zum Geburtstag. Laut wikipedia hat die Rap-Legende am 19. Oktober Geburtstag und wird 52 Jahre alt. 27 Jahre releast der Mann jetzt Platten, auf der Bühne steht er wahrscheinlich sogar länger. Auch ich habe Kool Keith dank dem L’Orange-Album Time? Astonishing! zum dritten oder vierten Mal wiederentdeckt. Dr. Octagon, Black Elvis, Ultramagnetic MC’s … der Mann hat viele Identitäten und das Lebenswerk ist noch lange nicht beendet.
Ihm zu Ehren hat Mikus Musik ein paar legendäre Tracks gemixt, die den saucoolen Flow des Rappers vom Planet Bronx demonstrieren.
Tracklist:
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Frisch gediggt: Drums & Ammo Vol. 1
Und weil es gerade so schön schwül ist und Breaks und Beats im Sommer doppelt so gut treiben hier noch ein paar frisch gediggte Beats vom Produktionsteam Drums & Ammo aus Oakland, das aus den Beatschmieden Ammbush, 6Fingers, REL & Al Jieh besteht. Irgendwie schaffen die vier es einen gediegenen Texas-Western-Vibe in die trocken rockenden Beats zu cutten. Untergehende Sonne und Monument Valley Galore!
Diggin‘ The Crates: Cymande
Wohl wenige Bands sind so prädestiniert für die Diggin‘-Rubrik wie Cymande. Das Londoner Kollektiv mit karibischen Wurzeln veröffentlichte zwischen 1971 und 1974 drei Alben und verschwand danach für viele Jahre in den hinteren Schubläden staubiger Plattenläden. Obwohl Cymande nach Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums gemeinsam mit der Soul- und Gospellegende Al Green durch die USA tourten und dabei sogar zu einem Gig im legendären New Yorker Apollo Theater gelangten, blieb ihnen der große Mainstream-Erfolg versagt. Ihr hybrider Entwurf von Funk, der Elemente des Calypso, Jazz, Motown-Soul, Afrobeat und sogar Psychedelic Rock vereinigte, war wohl für eine gerade von James Browns ‚Sexmachine‘-Phase in den Bann gezogene Öffentlichkeit einfach zu komplex.
Meine erste Begegnung mit Cymande geschah eher untypisch über den Umweg zweier Compilations aus dem Umfeld des Berlin-Karlsruher Innervisions-Labels, nämlich Henrik Schwarz‘ DJ Kicks von 2006 und der letztjährigen, von Schwarz gemeinsam mit seinen Labelmates Dixon und Âme kompilierten Minimal-Musik-Zeitreise The Grandfather Paradox. Beide Compilations sind in ihrem etwas zu offensichtlichen und leicht prätentiösen Checkertum (Arthur Russell, Steve Reich) genau meine Tasse Tee und featuren in Form von ‚Anthracite‘ und des gesanglastigen ‚For Baby Oh‘ jeweils eine der unzähligen Nischen des schillernden Cymande-Universums.
In HipHop-Kreisen sind Cymande aber dank Rotation auf solch sakralen Plattentellern wie denen von Kool Herc und Grandmaster Flash schon länger keine Unbekannten. Spätestens seit De La Souls kongenialer Verwendung von Bra für Change In Speak auf ihrem 1989er-Debüt 3 Feet High And Rising ist ihnen der Platz im kollektiven Sample-Gedächtnis nicht mehr zu nehmen.
Ein Jahr später zog Masta Ace nach und bediente sich für Me And The Biz bei The Message und seinen ohrwurmtauglichen Bläsersätzen.
Die Fugees bescherten Cymande schließlich 1996 ganz warholesk einen so unverhofften wie kurzen Moment echten Mainstream-Fames, als sie den Titeltrack ihres Albums The Score auf dem bekifften Dove (‚Cymande‘ bedeutet im Calypso-Slang ‚Taube‘) aufbauten. Jedoch lohnt sich auch abseits nerdiger Sample-Genealogie eine Reise in den Cymande-Kosmos.
Ihr drittes und letztes Album Promised Heights hätte sich mit seinem visionären SlowMo-Funk auch gut in der mehr als 20 Jahre später grassierenden Downtempo-Welle um Kruder & Dorfmeister gemacht. Darauf findet sich mit Brothers on the Slide auch der nicht nur dank der Nightmares On Wax-Dubversion heute wohl bekannteste Cymande-Song.
Ein simpler Gitarrenlick und provozierend lässiger Groove sorgen weit vor Drexciya und Rhythm & Sound für den perfekten Soundtrack zum transatlantischen Rhizom-Wachstum. Das ‚Promised Heights‘ in den USA zuerst gar nicht veröffentlicht wurde, wundert angesichts der in Rassenfragen äußerst konservativen amerikanischen Musikindustrie kaum. Alle drei Cymande-LPs sind mehrfach re-released und u.a. bei hhv.de zu ziemlich günstigen Preisen zu ergattern.
Chicago Hip House Documentary [1989]
Bei manchen Dokumentationen wünscht man sich ja geradezu sie selbst gedreht zu haben. Im Falle der Chicago Hip House-Doku gilt außnahmsweise die Ausrede der zu späten Geburt, denn damals war ich sogar zu jung um diese Musik überhaupt wahrnehmen zu können. Umso exzessiver habe ich einige Jahre später die Meilensteine dieses extrem tanzbaren Crossover aus House und Hip Hop von u.v.a. Fast Eddie, Tyree Cooper und DJ International Records gesammelt.
Die Doku featured diese Künstler sowie Bill Coleman, KC Flightt, Precious, Sundance und viele mehr…
Chicago Hip House Documentary 1989
DJ Food – Raiding The 20th Century Mix
Ich hatte in meinem letzten Post – über das Buch Words and Music von Paul Morley – schon den MashUp-Pastiche-Mix Raiding the 20th Century von DJ Food erwähnt, der quasi die musikalische Version des Buches von Morley darstellt und tatsächlich von einem Alvin Lucier-Sample eröffnet und von Kylie Minogues ‚Can’t Get You Out Of My Head‘ beendet wird.
Gleichzeitig fasst dieser Mix vieles, was auf der letztwöchigen Veranstaltung Recyling_Sampling_Jamming verhandelt wurde, besser zusammen, als es eine minutiöse Wiedergabe der Fülle an Vorträgen, Diskussionen und Musikbeispielen leisten könnte. (Wer dies trotzdem will, kann sich auf der Website die umfangreichen Podcasts anhören.)
Strictly Kev hat den Mix am 18ten Januar 2004 auf XFM’s The Remix Show in London gesendet und damit einen auditiven Katalog der Geschichte der Cut-Up Musik erstellt. Part 1 beginnt mit einem Rundumschlag bekannter Bastardpop Mash-Ups um den Sachverhalt vorzustellen und leitet über zur Historie in Part 2: Avantgarde Tape Manipulation, Minimal Musik und Musique Concrète.
Part 3 featured mit Turntable-Megamixen und Cut n‘ Paste-Tracks von u.v.a. Bomb The Bass, Coldcut, M/A/R/R/S, Mantronix und Steinski die Old School der Samplekunst, während Part 4 gewissermaßen die New School repräsentiert. Part 5 stellt dann die Synthese in Form populärer Bastardpop Mash-Ups – wie in Part 1 angerissen – dar.
Eine Reise die den auditiven Cortex neu formatiert. Let’s Begin!
[audio:https://media.sas.upenn.edu/pennsound/authors/DJFood/DJ_Food_-_Raiding_the_20th_century.mp3]
DJ Food – Raiding the 20th Century – Words & Music Expansion
[via ubu.com]
Tracklist:
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Diggin‘ The Crates: Primal Scream – Screamadelica
Just what is it that you want to do? We wanna be free / We wanna be free to do what we wanna do /
And we wanna get loaded / And we wanna have a good time / That’s what we’re gonna do / No way baby lets go / We’re gonna have a good time – We’re gonna have a party
The Wild Angels
Primal Scream sind mir als allererstes in der Provinzdisco meiner Jugend – dem Doch Du in Bocholt – begegnet:
Andrew Weatherall aka Sabres Of Paradise aka Two Lone Swordsmen bearbeitete den Primal Scream Song I’m Losing More Than I’ll Ever Have mit einem Heavy Bass Groove, dem zentralen Sample aus Peter Fondas B-Movie The Wild Angels und einem Drumloop, den er aus dem Soul II Soul-Bootleg von Edie Brickell’s What I Am geklaut hatte.
Das Ergebnis war der Dub-Breakbeat-Rave-Indiepop-Hit Loaded, der die Tanzflächen der Provinz-Oberprimaner auf einen Groove einschwörte.
Soul II Soul hatten den Beat ihrerseits natürlich nicht selbstgebastelt, sondern aus dem Song The Jam von Graham Central Station ab Minute 5:11 gesamplet und phatt editiert. So bleibt offen, woher Weatherall den Beat nun wirklich hatte…
Primal Scream, die Formation um den postmodernen Rockposer Bobby Gillespie, brachten auf dem – von Weatherall produzierten – Album Screamadelica zusammen, was nicht zusammen gehörte: Rock und Psychedelic aus den 60er und 70er, Heavy Dub Bässe, unglaublich langsame Breakbeats, Heroin, Pet Sounds, David Bowie und die Ecstasy-Euphorie der frühen Madchester-Tage. Das Ergebnis: Peace, Love and Happiness
Screamadelica markierte einen Wendepunkt in der Geschichte moderner Tanzmusiken, indem es der piefigen Indierock-Sackgasse eine offene Schnittstelle, an die faszinierenden Soundwelten von Reggae, Dub, Electronica, Hip Hop und Urban Soul, lieferte und damit musikalische Optionen schuf, die bis heute auf den Dancefloors dieser Welt nachhallen.
Primal Scream haben übrigens gerade ihr neuntes Album Beautiful Future rausgebracht, mit „Poserrock und Angebermucke der sympathischen Sorte“ (Spex 9/10 2008).
Cadence Weapon – Afterparty Babies [Big Dada]
Roland ‚Rollie‘ Pemberton aka Cadence Weapon aus dem kanadischen Edmonton – u.a. auch Geburtsort von Marshall McLuhan – ist ein Grime-Rapper der außergewöhnlichen Sorte. Sein Rhyme-Stil erinnert an UK-Grime-Artists wie Kano oder Dizzee Rascal, jedoch scheinen seine musikalischen Wurzeln eher im IDM, House und UK-Breakbeat zu liegen. Auch ist er nicht sonderlich an Bling-Bling-Eskapaden interessiert, sondern eher an Partys mit Freunden und hedonistischem GrandmasterFlasheskem (puh!) Duktus.
Nach seinem HipHop-Album Breaking Kayfabe [Vinyl] ist Cadence Weapon mit Afterparty Babies [Vinyl], einer Verbeugung vor seinem ersten Einfluss Teddy Pemberton, zurück. Teddy Pemberton ist Rollies Vater und hat die Black Sound Experience Radio Show an der Universität von Alberta gehostet, eine missionarische NY-HipHop-Show.
Nichstdestotrotz fühlt sich Cadence Weapon mehr der Uptempo Electronic Music und dem europäischen Daft Punk-Sound verpflichtet als dem ghettoisierten Underground-HipHop. So ist Afterparty Babies auf Big Dada Recordings eine testosteron- und adrenalingeschwängerte, clevere Electronic-HipHop-Platte, die mich beim ersten Hören etwas an die Shadow Huntaz gemahnt, wenn auch deutlich lebenbejahender und mit mehr Schampus im Abgang.
Handsome Boy Modeling School
Handsome Boy Modeling School war ein Konzept-HipHop-Projekt von De La Soul und Stetsasonic-Produzent Prince Paul aka Chest Rockwell und Dan „The Automator“ Nakamura aka Nathaniel Merriweather.
Die beiden parodierten eitle und materialistische Upper-Class-Leute, Supermodels und Geldadel und frönten den schönen Dingen des Lebens wie Essen, Trinken, Pferderennen, Mode, Baccara, Black Jack und Zigarren.
Der Name Handsome Boy Modeling School ist eine Referenz an die US-Trash-Sitcom Get A Life.
Ihr erstes Album 1999 So… How’s Your Girl featured unter vielen anderen die Moloko-Sängerin Róisín Murphy auf dem Bar-JazzHop-Klassiker The Truth. Die Basis des Tracks liefert das geniale Stück Coffee Cold von Galt MacDermot, das auch schon DJ Vadim, DJ Premier und Oh No gesampled haben.
Das zweite Album White People kam im November 2004. Diesmal waren ungewöhnliche Cameo-Musiker wie Surfpopper Jack Johnson, Cedric Bixler-Zavala und John Oates mit dabei, dem Prince Paul wohl noch Respekt für das kongenialen Hall&Oates-Sample auf Say No Go schuldete. Funk, Jazz, Rock, Klassik und Reggae werden in ein Downbeat-Korsett gesteckt was z.B. dem Surf-Anthem Breakdown von Jack Johnson erstaunlich gut steht.
Prince Paul und Dan The Automator haben sich dann leider letztes Jahr zerstritten, so dass das HipHop-Crossover-Allstar-Team leider nicht mehr in der alten Form existiert.