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Von Istanbul nach Beirut – Tag 16 bis 19: Damascus Undercover and Beirut Upscale

Was ist nicht alles über Damascus (Ash-Shams) – eine der ältesten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt, gelegen in der Ghouta Oase und in der Nähe der Seidenstrasse – gesagt und geschrieben worden. Mohammed soll bei einem Blick auf die Stadt den Eintritt verweigert haben, da er das Paradies erst nach seinem Tode betreten wolle und Mark Twain wurde zu den folgenden Zeilen hingerissen:

Damascus has seen all that has ever occurred on earth, and still she lives. She has looked upon the dry bones of a thousand empires, and will see the tombs of a thousand more before she dies. Though another claims the name, old Damascus is by right, the Eternal City.‘

Ägytpter, Assyrer, Perser, Griechen, Römer, Umayyaden, Mongolen, Türken und Franzosen haben der Stadt jahrtausendelang ihre Stempel aufgedrückt. Im Souq Saroujah, wo die meisten Backpacker Hotels gelegen sind, spüre ich zunächst nicht viel von dem Charme. Laut, schmutzig, overcrowded wie die meisten Großstädte im Mittleren Osten und umsäumt von riesigen halbfertigen Bauruinen bahnen wir uns unseren Weg um ein Zimmer zu finden. Das Zimmer das ich schliesslich bekomme ist nur durch die Fenster zugänglich, was der Hotelier völlig OK findet. Mit gemeinsamen Kräften reparieren wir das Schloss und danach fühle ich mich wenigstens einigermaßen sicher.

In der Neustadt bekommen Bert und ich ‚American Style Pizza‘ und das ist für den Moment in Ordnung. Eine Nargileh und ein Glas Tee versöhnen uns dann auch fürs Erste mit der Stadt, die uns nach der langen Wüstenbusfahrt mit beknackten arabischen Filmkomödien in voller Lautstärke erstmal ziemlich angenervt hatte.




Der Mittwoch gehört der ersten Erkundung der Altstadt und hier offenbart sich auch schnell der wahre Charme der Stadt. Der Souq Al-Hamidiyya ist einer der grossen orientalischen Einkaufstrassen und hier werden Wasserpfeifen, Schleier, Gewürze und Gebäck neben regelrechter Nutten-Lingerie, Dolce&Gabbana-Shirts und blinkenden Wackelhunden verkauft. Ab und zu rennt ein blinder Bettler, der Taschentücher feilbietet, direkt auf mich zu und starrt mich mit leeren Augen an.

Weiter zum Christian Quarter wo die Architektur mediterran-französisch wird und der Staub sich etwas legt. Per SMS kündigt sich Aby für den Abend an und nachdem Bert und ich in FlipFlops in einem arabischen Post-Ramadan Edelrestaurant gegessen haben, in dem man uns wie Könige behandelt hat, treffen wir Aby in ihrer Off-Pension.

Der Besitzer ist ein Haschisch rauchender Sonderling, der mir eine fantastische Geschichte über politische Gefangenschaft, den syrischen Geheimdienst, Foltererfahrung und sein angebliches Interview mit Nasrallah erzählt. Ich neige dazu ihm ungefähr 50 Prozent zu glauben, eine nette Deutsche die er einige Wochen vorher kennengelernt hat, glaubt ihm offenbar mehr, den sie wollen demnächst heiraten.

Wenn Syrer das Gespräch auf Politik, Hizbollah und die Regierung bringen, wartet man am Besten ab, hört zu und hält sich möglichst zurück mit seinen Kommentaren, denn es kann immer sein, dass man ein Mitglied der Geheimpolizei vor sich sitzen hat und ganz abgesehen davon kann man sich als Tourist sowieso kein wirkliches Bild von der Lage machen.

Was in Damascus wirklich passiert, wenn man kurzzeitig Gast ist, ist etwas ganz anderes. Die zu Zweit oder allein reisenden Europäer, Amerikaner und Australier besinnen sich auf ihre postkolonialistischen Pflichten und finden plötzlich eine Menge Gemeinsamkeiten angesichts der sich schon sprachlich manifestierenden Barriere zu dem Syrern. Noch nie habe ich mit Engländern, Portugiesen, Belgiern, Polen, Niederländern und Australiern gleichzeitig an einem Tisch gesessen und soviel Spass gehabt wie an zwei Abenden in den Hinterhöfen von Damascus.

Der Staub und die Hitze, sowie die Tatsache dass es bis 19 Uhr abends praktisch nichts zu essen gibt, machen die Tage lazy und entspannt, wir trinken türkischen Kaffee in der Altstadt, besichtigen den Azem Palace und das Nationalmuseum, handeln und spassen mit den Händlern in den Souqs und atmen die würzig-süssen Gerüche der Stadt.


Gestern sind wir dann alle auseinandergestoben, Aby ist nach Lattakia gefahren, Bert nach Amman in Jordanien und die beiden Polen mit zwei Flaschen Smirnoff Gin im Gepäck zum Flughafen. Ich bestieg einen Bus nach Beirut und nach langen Grenzformalitäten betrete ich eine neue Welt. Libanon ist voll von phatten Autos: SUVs, Toyota Landcruiser, Dodge und Hummer, überall riesige Werbetafeln, alle hängen an ihren Handys und telefonieren und der erste MCDonalds nach acht Tagen taucht auf.

Beirut sieht aus wie Miami Beach, aufgepumpte Muskelboys und poshy Girls tummeln sich in den Strassen, zwischen zerschossenen Hotelfassaden reiht sich eine Fastfood-Kette an die nächste, die Hotelpreise sind wieder europäisch und ich teile mit mit ein paar neuen Bekannten zwei Hotelzimmer. Waehrend wir an der Corniche sitzen und ein paar Bier trinken, fällt alle paar Minuten einmal der Strom aus und die gesamte Skyline mit Neon-Blinke-Palmen und den Logos der multinationalen Konzerne erlischt kurz und erinnert mich daran, dass diese hyperkommerzielle Sorglosigkeit eine von Kriegen und politische Morden geschüttelte Wirklichkeit kaschiert, die jederzeit wieder an die Oberfläche schlüpfen kann.

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