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Diary of an Unpublished Author 9 (Kritische Ausgabe)

Gerade habe ich Pulsarnacht von Dietmar Dath fertiggelesen. Ein Dath-Roman, der – wie so oft – soviel will und soviel andeutet und dabei um ein Haar den Fokus der Erzählung, das »Eigentliche«, aus den Augen verliert. Ein atemloses Erzählen, das David Foster Wallace besser beherrscht, einfach deshalb, weil er restlos in seine Figuren eintaucht und nicht durch ein voraussetzungsreiches Vokabular, das im Glossar noch voraussetzungsreicher erklärt wird, die Geschichte verdeckt. Die Sprache von Wallace ist kompliziert, aber so redundant, dass durch jede Pore das durchsickert, was er sagen will. Die Geschichte schwitzt das Gemeinte, das Unsagbare aus. Soweit ist Dietmar Dath noch nicht. Aber einige Passagen sind wunderschön. Einige der Breven (kleine eingeschobene Gesänge) am Schluss treffen den Kern der Sache, wirken wie Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, wenn sie nicht sogar von dort entlehnt wurden.

Die Pulsarnacht als Metapher für einen asynchronen Rechner, der aufgrund der Ökonomisierung der Energie (= Rechenkapazität) auf Asynchronität umschaltet. Das Universum ist eine Rechenmaschine, die von einer anderen Turingmaschine gerechnet wird, die zeitlich gleichzeitig (oder jenseits der Zeit) existiert.

Der Mensch muss erkennen, dass die allgemeine Relativitätstheorie nur ein Wahrnehmungsfehler ist und die Koniken nichts bedeuten. Es ist eine Art Science-Fiction-Siddhartha, den Dath da geschrieben hat. Manchmal habe ich beim Lesen gedachte, dass in den Breven vom Autor selbst die Rede ist. Dass er am liebsten singen will, sich aber für einen so seltsamen Vogel hält, dass er lieber schreibt und sich mehr und mehr den Menschen und ihren Kommunikationsspähren – Wissenschaft, News, Politik, Ökonomie – anpasst. Weil er das Gefühl hat im Jetzt und Hier schweigen und die Bedingung der Möglichkeit etwas Poetisches zu sagen erst schaffen zu müssen. Dann erreicht das Wahre nur wenige, die sich vorher durch einen nicht gerade actionarmen Science-Fiction-Plot gekämpft haben.

Aber ist es am Ende nicht doch auch gut getarnte Erbauungsliteratur? Romantische Poesie für Hartgesottene? Autechre als Literatur? Den Weg den Autechre gegangen sind, können nur noch die Wenigsten mitvollziehen, ich schon lange nicht mehr.

Es ist mutig von Dietmar Dath diese Spähren auszuloten, in die nicht viele vor ihm eingedrungen sind. David Foster Wallace hat diese Reise vielleicht mit dem Leben bezahlt, Tom McCarthy ist vielleicht schon verrückt geworden.

»I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix«

Pathos eines Drogenabhängigen und gleichzeitig tiefe Wahrheit. Und trotzdem: Pulsarnacht wird niemanden zur Revolution anstacheln und keinen zum Linken machen, der es nicht schon vorher war. Aber vielleicht ist es auch eine Frechheit zu glauben, dass das Buch das will. Ich habe jedoch immer das Gefühl, dass eine politische Agenda hinter jedem Buch von Dath lauert. Und vielleicht ist das genau das Problem. Ich bleibe trotzdem Fan und werde weiterhin jedes Buch auf der Suche nach Bedeutung verschlingen, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser Mann etwas zu sagen hat. Eine der besten deutschen Autoren ist er sowieso …

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