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Aus dem Notizbuch (25/01/2013): DAM Gallery

Heute fahre ich auf dem Weg zum Büro bei der DAM Gallery vorbei um mir das Ende der Ausstellung »Meine Wunderkammer« anzusehen. Mich empfängt eine junge, nicht unattraktive, aber irgendwie anämisch wirkende junge Frau, die mir mit Begeisterung die vielen Exponate erläutert.

Joachim Lottmann nennt diesen Typ Frau in seinem Buch »Endlich Kokain« Galerinas: »dünne, ätherisch-schöne Frauen zwischen 25 und 35, leicht verblüht, kunstsinnig und eingebildet, mit einem Hang zum Masochismus und zum Dienen«.

Tatsächlich verbringe ich eine ganze Stunde in der Galerie und befeuert durch den (eigentlich recht moderaten) Alkoholkonsum des gestrigen Abends komme ich in Hochstimmung. Die Namen zeitgenössischer Künstler fliegen an mir vorbei und ich erinnere mich wieder an die Begeisterung die ich bei der Produktion von Culture Jamming gespürt habe.

Auch wenn die Galerina den Großteil der Konversation übernimmt, habe ich am Schluss das Gefühl auch ich habe einen Funken in ihr geschlagen. Aus Verlegenheit kaufe ich dann einen Katalog der Künstlerin Lynn Hershman Leeson, die interessant zu sein scheint. Kann man ja von der Steuer absetzen, als werdender Autor.

Würde ich gerne mit der Galeriemitarbeiterin schlafen? Eher nicht, sie ist nicht mein Typ, obwohl sie mich sehr an C. erinnert. Aber irgendwie zu … je ne sais pas … verkorkst? Hipsterhaft? Diskursverhaftet? Es war ja nicht uninteressant, was sie gesagt hat, ihr Vokabular war erstaunlich und sicher (im Gegensatz zu meinen Wortfindungsstörungen), aber auch sehr dem Zeitgeist verhaftet:

„Künstlerische Position – ergebnisoffene Experimente – Paper zur medientheoretischen Neuordnung des Südsudan“

Gut, die versteht wahrscheinlich mehr von Kunst und Medien als ich, aber die verbringt ja auch ihr halbes Leben damit. Also eher nicht – – – mit ihr schlafen wollen. Trotzdem kann ich es nicht lassen ihr den Link zu meinem Film zu geben und ihr damit auch meinen Namen zu verraten. Würde ja gerne wissen, ob sie mich nun googlet. Wohl eher nicht … Wie Leif Randt es in »Schimmernder Dunst über Coby County« an einer Stelle schreibt, sind Autoren über Dreißig schwer vermittelbar und nur einigermaßen erträglich, wenn sie so aussehen, als seien sie mal gute Surfer gewesen. Ich bin ja eher ein Altherren-Neuling im Surfsport.

Was für eine Verantwortung hat man gegenüber seinem Leben? Wie soll man sich mit jedem Jahr verbessern? Haben die Leute recht, die sagen, dass es immer schlechter wird? Oder die, die sagen, dass man erst mit steigendem Alter die Dinge gelassener sehen kann? Was weiß ich von den Ängsten und Schmerzen der Menschen die jetzt Mitte Sechzig sind, oder Mitte Fünfzig? Oder auch nur von den Ängsten der Menschen die Mitte Vierzig sind?

In ungefähr dieser Stimmung verlasse ich die Galerie, setze mich auf mein Fahrrad und sehe wen? Die schönste Frau der Greifswalder Strasse. Mit einer engen, körperbetonten Jeans, in der ihre Beine sehr gut zur Geltung kommen, einem geschmackvollen Mantel und ihrem Beauty-Face. Es ist wie ein Schlag in den Magen. Alle mühsam errungene Gelassenheit fällt in sich zusammen. Sie wirkt ihrerseits gestresst, sucht vielleicht ein Taxi, nimmt mich jedenfalls nicht wahr, sondern dreht sich sogar weg. Jedenfalls mache ich, dass ich an ihr vorbeikomme …

Weniger Sorgen kann man wohl kaum haben. Eine unrunde Sache vielleicht, aber war das der Rede wert? Vor dem Lidl am Moritzplatz sitzt ein osteuropäischer Mann in eine Decke gewickelt, vor ihm steht ein Pappbecher. Er sieht fertig aus, ist vielleicht genauso alt wie ich. Er hat keine Zukunft. Sein Weg ist unendlich viel weiter als meiner. Jetzt schalte ich innerlich auf Frühling.

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