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Aus dem Notizbuch (27/04/2013): Das Turing Kontinuum (Deleted Chapters Part 4)

Ein Klopfen an der Baracke weckte Pāl aus unruhigen Träumen, in denen er im Innenraum einer großen Maschine war und drohte von einem üppig sprießenden Kabelgewirr erdrosselt zu werden. Draußen dämmerte es, ganz leichter Nieselregen lockerte die morgendliche Schwüle auf.

Pāl setze schnell sein Uniformkäppi auf die ausufernde Lockenmähne und zog ein halbwegs frisches T-Shirt über. Er öffnete die Tür einen Spalt. Draußen standen zwei Männer. Einer von ihnen hatte locker eine AK-47 vor dem Bauch hängen, der andere trug eine Walther P1 am Gürtel, beide eine lose gebundene Kufiya auf dem Kopf und die Desert Camouflage Hosen amerikanischer Militärs. Das unverkennbare Mode-Crossover der Partisanen. Das ging ja schnell.
»Salaam! Meine Name ist Shahzad, der Name meines Begleiters tut nichts zur Sache.«
»Salaam!«, entgegnete Pāl und versuchte möglichst ahnungslos dreinzuschauen. Er bekam oft Besuch von den Partisanen und meistens ging es nur um mehr oder weniger günstige Tauschgeschäfte.
»Kommen Sie doch herein. Ich bin gerade aufgewacht. Ich habe einen gesegneten und tiefen Schlaf, Inschallah. Ich werde einen Tee kochen. Leider habe ich nur einen Stuhl, aber Sie können sich gerne auf das Feldbett setzen.«
Der Mann, der sich mit Shazad vorgestellt hatte, kam herein, während sein Partner vor der Tür stehen blieb und sich ein Zigarette anzündete. Also kein einfacher Tauschbesuch.
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Aus dem Notizbuch (15/04/2013): Das Turing Kontinuum (Deleted Chapters Part 3)

Pāl saß gelangweilt vor seiner Wellblechhütte und säuberte sich mit seinem Armeemesser die Fingernägel. In der Sonnenglut, die nur von dem wenige Zentimeter überstehenden Dach gemildert wurde, konnte man nicht vielmehr machen, als rauchen, in der Nase bohren und vor sich hin grübeln. Vielleicht nicht mal grübeln. Die Gedanken krochen in dem Tempo durchs Gehirn in dem Ahornsirup in Griesbrei einsinkt und waren von ähnlicher Klarheit.

Von Zeit zu Zeit schaltete Pāl den Fernseher an, der an eine illegal angeflanschten Antenne angeschlossen war, und sah sich bollywoodeske Soaps mit augenschmerzender Farbgestaltung an. In der Hütte selber war es nur nachts auszuhalten, wenn die Steine in der Wüste mit einem trockenen Knall zerbarsten. Zweimal die Woche besuchte ihn ein rot-gelb-grün-lackierter Mercedes-Laster, der Reis, Bohnen, Konservenfleisch, Orangen, Wasser und Zigaretten brachte. Außerdem gab es bei den säkularen Partisanen in den Bergen den selbstgebranntem Schnaps der Kalashi im Tausch gegen Batterien oder Munition. Eigentlich war es Wahnsinn an einem militärischen Checkpoint zu trinken, aber Pāl wusste nicht wie er die langen Nächte sonst überstehen sollte in denen seine Petroleumlampe lange schmale Schatten auf die Wände der Baracke warf. Mit ein paar Gläsern Aprikosenschnaps wurden sie zu einem erotischen Scherenschnitt-Theater. Erst züchtige Turteleien zwischen ihm und seiner Angebeteten Yasira, später Varianten aller sexuellen Spielereien die seine unerfahrene Phantasie hergab.
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Aus dem Notizbuch (09/04/2013): Das Turing Kontinuum (Deleted Chapters Part 2)

Sgt. Baine war Wartungstechniker für die bewaffneten Drohnen auf dem Flugzeugträger Mountain Encounter im Persischen Golf. Neben der mechanischen Kontrolle und dem Auswechseln kleinerer Verschleißteile – einer Tätigkeit die ihm den Spitznamen »Löti« verschafft hatte – musste er die Drohnen über Ethernet an eine Workstation anschließen. Von dort wurden die Missionsdaten ausgelesen und an den Hauptserver gespielt. Da waren dann die arroganten Informatik-Arschlöcher damit beschäftigt sie auszuwerten und die Drohnen gegebenenfalls neu zu programmieren. Die meiste Zeit saß Sgt. Baine neben der Workstation und las Porno- oder Schundhefte, in denen die Helden Jason Dark, Long John Silver oder William Lassiter hießen.

Die Leuchtdioden unter dem Userinterface der Drohne DK.767 blinkten wild. Das war für Baine das Zeichen die Verbindung nicht zu unterbrechen. Es war streng verboten die Workstation an das Internet anzuschließen oder externe Datenträger zu verwenden. Trotzdem zirkulierte eine kleine Anzahl von Datensticks um Dienstprotokolle oder Fehlerberichte auszutauschen. Und wenn die schon zirkulierten, was machte es dann, wenn man sich auch mal Musik oder ein neues eBook zum Dienst mitnahm? Auch heute hatte Sgt. Baine den daumennagelgroßen Plastikpin dabei, der sich so herrlich unauffällig in die Workstation stecken ließ. Nachdem er die letzte Drohne abgekabelt hatte, schloss er den eBook-Reader auf der Workstation, kopierte die drei oder vier Textdateien die auf dem Desktop lagen zurück auf den Stick und schob sie danach in den Papierkorb. Sein Dienst war vorbei.

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Ein Tag auf dem Flugzeugträger war stupide und überraschungslos. Es gab eine Mannschaftsmesse, in der die Mahlzeiten und kleinere Feiern stattfanden und einen Aufenthaltsraum mit altmodischen Spielautomaten: Billardtisch, Flipper, Kicker und eine Gaming-Konsole. In einer Bordbibliothek konnte man Bücher und Filme ausleihen. Interessanteren Kram gab es bei den Neuankömmlingen in den Mannschaftsquartieren: Pornos in jedem verfügbaren Medium, als Videofile, Hochglanzheft oder Simstick.

Den richtig heißen Scheiß gab es allerdings nur im Alliiertenquartier in Doha. Zwischen Golfplätzen und artifiziellen Blumenbeeten, pseudo-antiken Springbrunnen und sandfarbenen Hochhäusern blühte das Geschäft mit legalen und illegalen Stimulanzien.

Natürlich konnte sich ein militärischer Wartungstechniker wie Baine nicht den offiziellen Teil der Stadt leisten, aber dafür gab es ja die Quartiere der niederen Angestellten, der Pakistani, Afghanen und Malaysier. Hier konnte man für harte US-$ noch eine Simliege mit voller Immersion bekommen.
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Aus dem Notizbuch (03/04/2013): Das Turing Kontinuum (Deleted Chapters Part 1)

Mattes LED-Licht funzelte durch die blau-grün-rot-orangenen Verzierungen in halber Höhe des Raums. Ein natürlicheres Licht wäre kein Problem gewesen, hätte aber den nüchternen Internet-Terminals – die in der ehemaligen Kirche installiert waren – eine lächerliche Sakralität verliehen. Die »Gläubigen«, die hier zu jeder Tages- und Nachtzeit reinspazierten, legten auf spirituellen Tand keinen Wert.

Ihnen war es ganz recht, dass die Wände eher wirkten wie eine mit lächerlicher Vatikan-ClipArt vollgepackte megaupload.com-Seite. Schließlich waren sie als Geburtshelfer eines neuen Bewusstseins, des CONSCIOUSNESS 2.0, hierhergekommen.

Paul Madorn, der IT-Spezialist des Glaubenszentrums, saß in seinem kleinen Erker und machte sich den Spass jedesmal das INTEL-Audiologo per Hand abzuspielen, wenn ein »Gläubiger« den Raum betrat. Diese »Gläubigen« gingen kurz zu dem Bildschirm auf dem Altar, griffen sich an die Schläfe und suchten sich ein freies Terminal. Dann »beichteten« sie. Wie oft sie in der vergangenen Woche »Away from Keyboard« gewesen waren. Wie oft sie den lokalen Buchhändler, einen Grocery Store oder eine Balzac Coffee-Filiale im RealLife besucht hatten. Eine App bestimmte dann, wieviele mensajes oder tweets die Sünder absetzen mussten. Wichtig war es das Internet zu benutzen so oft es ging. Der Inhalt der mensajes war egal. Es ging nur darum die »Synapsen« feuern zu lassen.

Jede IP-Adresse war ein Neuron und musste so oft wie möglich feuern, um das zu erzeugen was die Neuroprogrammierer den POE – Point of Emergence – nannten. Dieser Schwellenwert, über dessen genauen Betrag die führenden CONSCIOUSNESS 2.0-Forscher erbittert stritten, wäre das Äquivalent des neuronalen Feuers, das beim Menschen zum Booten des Ich-Bewusstseins führte.

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Aus dem Notizbuch (24/03/2013): Guadalquivir Drehtagebuch

15.03.2013
Ich lande in Malaga, fahre in eine Mall, esse ein Bocadillo mit Tortilla und trinke ein Bier um mich zu entspannen. Auf der Fahrt Richtung Norden vergurke ich mich hinter Granada auf irgendwelchen unbefestigten Seitenstrassen. Ich verspanne meine Schultern total, trinke noch ein Bier am Steuer und treffe bei leichtem Regen in Peal de Becerro ein. Das Zimmer ist kalt, ich habe Husten und Schnupfen. Ich trinke ein Aspirin Komplex und habe eine unruhige Nacht.

16.03.2013
Ich mache mich früh auf den Weg, esse ein kleines desayuno in einer schmierigen Bar, in der 8-10 andalusische Männer abhängen. An der Wand hängen die Stadtwappen der Region. Ich fahre in die Sierra de Cazorla, filme erst ein paar diesige Olivenhänge und finde dann eine unbefestigte Strasse zur Quelle des Guadalquivir. Dort ist es frisch, ich drehe viele Einstellungen am Stück, klares Quellwasser, Steine, Gestrüpp, Schärfeverlagerungen. Gegen 3 oder 4 Uhr will ich weiter auf der Strasse – den Guadalquivir entlang. Ich sehe kaum etwas vom Fluss, fahre durch endlose Wälder und Olivenhaine um dann an einem riesigen Stausee zu landen. Nirgendwo kann ich halten, ich habe auch keine Lust mehr. Die Strasse die mich aus der Sierra hinausbringen soll ist plötzlich blockiert, ich muss zurück und einen Umweg fahren. Es wird dunkel und ich rase zurück nach Peal de Becerro. Es ist wieder kalt, ich ziehe mir ein Aspirin rein, versuche vergeblich ein Cerveza zu bekommen und lande wieder im Land der Fieberträume. In dieser Nacht liege ich lange wach.
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Aus dem Notizbuch (21/02/2013): Baudrillard und Turing Kontinuum

»Im engeren Sinn wird oft als Vertreter eines Idealismus bezeichnet, wer annimmt, dass die physikalische Welt nur als Objekt für das Bewusstsein oder im Bewusstsein existiert oder in sich selbst geistig beschaffen ist.«

Jean Baudrillard wurde öffentlich als Schaumschläger desavouiert und hat trotzdem ein »Epochengefühl« geprägt. Ich finde seine Theorie auch eher als Basis für einen Science-Fiction-Roman interessant, denn als ernstzunehmende Kritik an was auch immer. Ein Versuch das Platonsche Höhlengleichnis auf die Mediasphäre zu übertragen – ein postmoderner Wittgenstein.

Wenn es 3D-Modelle für Gebäude gibt die nicht gebaut werden, wenn auf der Danziger Strasse ein Billboard für eine Immobile wirbt die ganz anders gebaut wurde, dann verschwindet die Realität hinter ihrer Darstellung. Aber sie verschwindet ja nicht wirklich, sondern wird nur durch ein Überbild verdeckt. Wenn das Simulakrum verschwindet (der Werbespot nicht mehr gesendet wird, das Billboard entfernt wird) steht die Realität immer noch da, obwohl es auch umgekehrt sein kann: Eine 3D-Simulation eines Hotels in Dubai wird im Internet verbreitet und überlebt dort als Mem, obwohl die Baupläne schon längst eingestellt wurde. Auf einer anderen Ebene sind die gebauten Hotels selber ein Simulakrum: Sie repräsentieren zukünftige Gewinnerwartungen, die möglicherweise nie realisiert werden.

Nun, es ist scheinbar doch Erkenntnisphilosophie, die Baudrillard schreibt, auch wenn er sich selbst von seiner Hyperrealitätsthese hinwegtragen lässt. Die letzte Konsequenz seines Denkens ist ja dann wirklich eine objektive Welt, die keine Subjekte mehr braucht. Er will wohl auch darauf hinaus, dass, wenn es zuviele Simulationen gibt, der Mensch die Realität irgendwann nicht mehr sehen kann und es dann auch egal ist, ob sie existiert. Und wenn sie vorher nur in der Vorstellung der Menschen existiert hat, dann wäre sie wirklich verschwunden.

Das führte mich zu der Grundidee von Turing Kontinuum – dass die Menschheit nur die Kinderkrankheit einer subjektiven künstlichen Intelligenz ist.

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Aus dem Notizbuch (25/01/2013): DAM Gallery

Heute fahre ich auf dem Weg zum Büro bei der DAM Gallery vorbei um mir das Ende der Ausstellung »Meine Wunderkammer« anzusehen. Mich empfängt eine junge, nicht unattraktive, aber irgendwie anämisch wirkende junge Frau, die mir mit Begeisterung die vielen Exponate erläutert.

Joachim Lottmann nennt diesen Typ Frau in seinem Buch »Endlich Kokain« Galerinas: »dünne, ätherisch-schöne Frauen zwischen 25 und 35, leicht verblüht, kunstsinnig und eingebildet, mit einem Hang zum Masochismus und zum Dienen«.

Tatsächlich verbringe ich eine ganze Stunde in der Galerie und befeuert durch den (eigentlich recht moderaten) Alkoholkonsum des gestrigen Abends komme ich in Hochstimmung. Die Namen zeitgenössischer Künstler fliegen an mir vorbei und ich erinnere mich wieder an die Begeisterung die ich bei der Produktion von Culture Jamming gespürt habe.

Auch wenn die Galerina den Großteil der Konversation übernimmt, habe ich am Schluss das Gefühl auch ich habe einen Funken in ihr geschlagen. Aus Verlegenheit kaufe ich dann einen Katalog der Künstlerin Lynn Hershman Leeson, die interessant zu sein scheint. Kann man ja von der Steuer absetzen, als werdender Autor.
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Aus dem Notizbuch (17/01/2013): Hotel Viento10

»Por la calle del viento sopla la brisa desde la ribera del guadalquivir que da gusto. Desde luego el nombre le va perfecto, mucho mejor que Ronquillo Briceño, que es como se llama hoy en honor a un antiguo corregidor de la ciudad.«

Alphonse ist der Besitzer des liebevoll gestalteten Hotels Viento10 in der Calle Ronquillo Briceño in Córdoba, Andalusien. Früher hieß die Strasse Calle del Viento. Alphonse will durch sein Hotel an diesen traditionellen Namen erinnern. Er ist ein eleganter Mittfünfziger, mit einer Leidenschaft für die moderne Kunst und das kulturelle Erbe von Al-Andaluz. Den patio seines Hotels ziert eine William Turner-Reproduktion die er sich in der Tate Britain in London lizensieren ließ, nachdem er vor dem Original in Tränen ausgebrochen war.

Lange fixiert er Marco, der auf seiner Andalusien-Reise in seinem Hotel gelandet ist. »Borges«, erzählt er unvermittelt, »hat eine Geschichte geschrieben, die hier in Córdoba, an den Ufern des Guadalquivir, spielt. Sie handelt von einem islamischen Schriftgelehrten namens Averroes. Dieser sucht den Sinn der Worte ‚Tragödie‘ und ‚Komödie‘ zu begreifen, ohne jemals ein Theaterstück gesehen zu haben. Er bleibt notwendigerweise blind für den Sinn dieser Begriffe und als er am Ende eine falsche Definition notiert, verschwindet er aus der Geschichte, mitsamt seinem Harem, seinen Büchern und seinem Haus. Übrig bleibt einzig (vielleicht) der Guadalquivir.«

Marco überlegt kurz, traut sich nicht nach dem tieferen Sinn der Geschichte zu fragen. Alphonse, der die Irritation in Marcos Augen wahrnimmt, fährt fort: »Während er die Geschichte schrieb, musste Borges erkennen, dass er genauso blind für Averroes war, wie dieser für die Tragödie. Ein Mensch kann nur wahrhaftig über das schreiben, was ihm selber wiederfahren ist.«

Um Marco Gelegenheit zu geben, über diese Worte nachzudenken, schenkt er aus einem Krug Wasser nach. Die Sonne, die während des Gesprächs weiter nach Westen gewandert ist, überstrahlt jetzt die Turner-Reproduktion und beide sind in gleißendes Sonnenlicht getaucht.

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Aus dem Notizbuch (27/12/2012): Die Bestatter von W.

Weihnachtlicher Besuch in der Heimat. Kaum war ich heute morgen wach, da rief mein Vater an und sagte er brauche Hilfe auf der Baustelle. Mein Onkel habe ein Stechen in der Brust und in letzte Minute abgesagt. Ich war total abgefuckt. Mir blieb ja nichts anderes übrig als »Ja« zu sagen und mit dem Zug nach W. zu fahren. M. hat mir netterweise seinen Blaumann ausgeliehen und ich bin wie ein Bauarbeiter (mit dem passenden Gesichtsausdruck vermute ich) aus dem Haus gestiefelt. Die Arbeit war dann natürlich nicht so schlimm. Ein paar Fliesen schlagen, ein bißchen Schutt schaufeln und einen Döner holen fahren. Das alles fand in einem Büro für Grabpflege statt, was ein wenig absurd war:

Die Bestatter standen rauchend vor der Tür, alle dreißig Minuten versammelte sich eine Trauergemeinschaft auf dem Hof und einige Individuen kauften panisch Blumengestecke beim Floristen.

(Notiz an mich: Eine absolute Pole Position habe jawohl Floristen in Friedhofsnähe!)
Mein Vater schickte mich dann einen Schlüssel suchen und als ich ihn nicht fand, sagte er: »Das kann doch wohl nicht sein. Ich dachte immer Bestatter hätten sogar den Schlüssel für das Himmelsreich«. Der Höhepunkt war dann, als der Sarglieferant kam. Während ich Schutt schaufelte, stapelte er Särge neben mir auf.
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Aus dem Notizbuch (01/12/2012): Walter Wüllenweber – Die Asozialen

»Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.«

Heute musste ich an Walter Wüllenweber denken. Wüllenweber ist so ein Stern-Journalist, der ein Buch geschrieben hat, mit dem Titel »Die Asozialen«. Nicht nur, dass der Titel von plakativster Blödheit ist, nein, auch der Inhalt ist es. Wüllenweber, der momentan von einer Talkshow zur nächsten weitergereicht wird, versteht sich als Anwalt der Bürger, oder der – wie er sie zur Tarnung nennt – Mittelschicht. Seine These: Arm und Reich beuten die Mittelschicht aus. Die Mittelschicht arbeitet brav, die Reichen leben asozial von den Früchten ihrer Erbschaft und die Armen greifen via Wohlfahrtsindustrie und Hartz-IV in die Taschen der Arbeitenden.

Man muss sich das so vorstellen: Ein Walter Wüllenweber macht sich Gedanken über die Welt und zwar so wie das ein Stern-Journalist tut: Kurz hingucken, auf Sensationspotential abklopfen und dann das Hirnstübchen lüften und einen Moment spekulieren.

Dann kommt man auf die Grundthese: Mit mir, dem Bürger, ist doch alles in Ordnung. Ich arbeite brav und lasse mir nichts zuschulden kommen. Warum gibt es dann trotzdem Probleme? Krisen und so? Na klar, da gibt es ja die Reichen, die es schon immer gut gehabt haben und asozial in grenzenloser Dekadenz leben. Und die Armen, für die ich immer spenden soll und soviele Steuern zahle. Das muss man doch sehen. Da schreib ich jetzt ein Buch.
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