Ein Klopfen an der Baracke weckte Pāl aus unruhigen Träumen, in denen er im Innenraum einer großen Maschine war und drohte von einem üppig sprießenden Kabelgewirr erdrosselt zu werden. Draußen dämmerte es, ganz leichter Nieselregen lockerte die morgendliche Schwüle auf.

Pāl setze schnell sein Uniformkäppi auf die ausufernde Lockenmähne und zog ein halbwegs frisches T-Shirt über. Er öffnete die Tür einen Spalt. Draußen standen zwei Männer. Einer von ihnen hatte locker eine AK-47 vor dem Bauch hängen, der andere trug eine Walther P1 am Gürtel, beide eine lose gebundene Kufiya auf dem Kopf und die Desert Camouflage Hosen amerikanischer Militärs. Das unverkennbare Mode-Crossover der Partisanen. Das ging ja schnell.
»Salaam! Meine Name ist Shahzad, der Name meines Begleiters tut nichts zur Sache.«
»Salaam!«, entgegnete Pāl und versuchte möglichst ahnungslos dreinzuschauen. Er bekam oft Besuch von den Partisanen und meistens ging es nur um mehr oder weniger günstige Tauschgeschäfte.
»Kommen Sie doch herein. Ich bin gerade aufgewacht. Ich habe einen gesegneten und tiefen Schlaf, Inschallah. Ich werde einen Tee kochen. Leider habe ich nur einen Stuhl, aber Sie können sich gerne auf das Feldbett setzen.«
Der Mann, der sich mit Shazad vorgestellt hatte, kam herein, während sein Partner vor der Tür stehen blieb und sich ein Zigarette anzündete. Also kein einfacher Tauschbesuch.

Pāl fummelte am Gaskocher herum und schaufelte Teeblätter aus einer Munitionsdose in einen kleinen Aluminiumtopf.
Shazad setzte sich auf das Feldbett und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Gold Leaf. Sein Blick wanderte durch die Baracke, von den staubbesetzen Jalousien über den kleinen Fernseher, die Kochnische, in der Pal in übertriebener Geschäftigkeit werkelte und vor ungewaschener Kleidung überquellende Seesack.
»Sie sind Tag und Nacht hier?«, fragte Shazad scheinbar teilnahmslos.
»Hier oder im Umkreis der Baracke. Auf das Verlassen eines militärischen Checkpoints während der Dienstzeit steht die Todesstrafe.«
Shazad nickte nachdenklich. »Dasselbe gilt für unsere Späher. Die Armen müssen sich Tag und Nacht im Gebrige rumtreiben, mit wenig mehr als einer Felldecke und etwas Verpflegung.«
Er stütze beide Arme in den Rücken, als habe er selbst einige schlaflose Nächte zwischen Felsen und Geröll hinter sich. »Doch ihren Augen und Ohren entgeht nichts!«
Pāl begegnete seinem Blick, wie er hoffte, emotionslos.
»Man sagt, dass die Soldaten der Regionaltruppen zu der absoluten Elite gehören. Die tapfersten Männer des Landes, menschliche Rohdiamanten, geschliffen in der zweijährigen …«
»Was man sich so erzählt …«
Pāl goss heißes Wasser in zwei Tassen, blickte zur Eingangstür und hob fragend eine Braue.
Shazad schüttelte den Kopf. Pāl stellte eine Tasse vor ihn auf den Boden und setzte sich auf den Stuhl.
Shazad betrachte nachdenklich den Tee.

»Was ich mich frage, ist Folgendes: Könnte ein solcher Elitesoldat einfach weiterschlafen, während direkt neben seinem Bett eine bewaffnete Drohne abstürzt?«

»Ach, darauf wollen Sie hinaus!« , gab Pāl den naiven Provinzsoldaten. »Naja, ein Haufen Schrott, wenn Sie mich fragen. Ich habe mir das Ding heute Nacht etwas genauer angesehen. Ein Haufen Kabel und Platinen, alles verkohlt. Wollte später noch mal genauer nachsehen.«
Shazads Augen verengten sich und sein Kieferknochen traten deutlich hervor.
»Das können Sie sich sparen. Wir haben das Ding mittlerweile ausgeweidet. Es ist wie Sie sagen … Nur eine Sache will mir nicht aus dem Kopf …«
Pāl sah ihn fragend an. Machte es Sinn noch weiter den Ahnungslosen zu spielen? Was, wenn sie ihn beobachtet hatten?
»… normalerweise habe die Dinger einen Flugschreiber an Bord, der nahezu unzerstörbar ist.«
Pāl kratzte sich am Kopf. Es wurde Zeit seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
»Das ist nicht zufällig so eine rote Kiste mit weißen Streifen?«
Shazad zuckte zusammen.
»Wo ist sie?«
»Na, die habe ich auf’s Dach gepackt. Dachte die könnte noch mal zu was nütze sein …«
»Zeigen Sie sie mir. Sofort!«
»Ja, in Ordnung. Entschuldigung! Ich wusste nicht, dass das Ding so wichtig ist.«
Er ging auf die Tür der Baracke zu und öffnete sie. Als er einen Schritt vor die Tür machte, stieß Shazad einen Pfiff aus und der Kolben eine AK-47 schmetterte hart gegen Pāls Hinterkopf. Staub und ein paar spitze Steine rasten auf ihn zu. Dann sah er gar nichts mehr.