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Best Of 2013 – Felix Kubin / Mount Kimbie / Justus Köhncke

Felix Kubin – Zemsta Plutona
Hui verrückt! Felix Kubin ist irgendwie sowas wie der justified ancient of Holger Hiller. Oder nein, vielleicht doch Kraftwerk? Und dann hat er ja diesen Swing gemacht, wie passt das jetzt da rein? Ein kluger Mann hat ihn sogar mal einen „deutschen Elvis“ genannt. Irgendwie passt da gar nichts zusammen und die Kunstfigur Kubin – mit ihrem ganzen schrägen Robot-Funk – funktioniert wie jemand der eigentlich nicht in diese Zeit gehört. Ob das jetzt die Fünfziger, oder die Achtziger sind oder ob er direkt aus der Zukunft kommt weiß ich auch nicht. Aber man sollte dazu tanzen.


Zemsta Plutona [Vinyl]

Mount Kimbie – Cold Spring Fault Less Youth
Hier ist eine gut produzierte Inhaltsangabe von Indieelectronica in 2013 gelungen (soweit ich das beurteilen kann). Und King Krule, das britisch schmachtende Sommersprossenface, ist auch mit dabei.


Cold Spring Fault Less Youth [Vinyl+mp3]

Justus Köhncke – Justus Köhncke & The Wonderful Frequency Band
Als ich noch selber Musik gemacht habe, wollte ich auch so einen Schlagerapproach haben. Das ist uns damals nicht wirklich gelungen, aber immerhin habe ich davon geträumt, daß uns der Köhncke produzieren würde. Nun ist House nicht unbedingt meins, aber in Köln kommt man eben auch kaum an Kompakt vorbei. Und schon gar nicht an Köhncke, der ja letztens auf diesem Can-Panel von Weilerswist erzählte und wie er dort mit Whirlpool aufgenommen hat. Das hat mich durchaus noch mehr für ihn eingenommen und so finde ich auch auf seinem Album zumindest so viel, als daß mir dafür die einengende Begrifflichkeit fehlt. Das klingt jetzt vielleicht dumm, aber es ist so: für mich ist diese Disko-Musik relevanter als der 10. Aufguss eine Hamburger Schule und deren Adepten.

Justus Köhncke & the Wonderful Frequency Band Download

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Justus Köhncke aka Kinky Justice – Music and Lyrics / Safe And Sound

„I’m Gonna Watch The Blue Birds Fly Over My Shoulder / I’m Gonna Watch Them Pass Me By / Maybe When I’m Older / What Do You Think I’d See / If I Could Walk Away From Me“
Velvet Underground – Candy Says

Nach seinem Doppelleben [Vinyl] 2005 ist Justus Köhncke also älter geworden und vor sich selber weggelaufen, um die Bassdrum gegen grosse Popsongs oder „Emotronic“ einzutauschen und sich aus der Ferne selbst zu beobachten? Zumindest legen das die Lyrics der Velvet Underground Coverversion auf der neuen EP Music and Lyrics nahe.

In einer Karriere zwischen Punkrock und Acid, Balladen und Techno, Whirlpool – mit Hans Nieswandt und Eric D. Clark – und KOMPAKT ist der Kölner Produzent, „Soul“-Sänger und DJ einen langen Weg gegangen.

Sein neues Alias Kinky Justice de- und rekonstruiert auf der charmanten, melodisch-melancholischen 4-Track-EP Music and Lyrics [Vinyl] Stücke von Iggy PopNightclubbing, Velvet Underground – Candy Says, Allroundstarstudiomusiker und Liv Tyler-Beinahe-Vater Todd RundgrenA Dream Goes On Forever und Round Two aka Basic ChannelNew Day.

Music and Lyrics [Vinyl]

Das erste Mal ist Kinky Justice meines Wissens letztes Jahr, auf dem Imitationen-Remix von Tocotronic, in Erscheinung getreten.

So richtig logisch ist die Trennung des Alter Egos vom Hauptprojekt nicht, hatten doch Köhnckes Produktionen schon immer einen Hang zur großen Pop-Geste, wovon man sich auch auf dem – mit seinem neuen Masteringwizard Cem Oral – gerade fertiggestellten Album Safe And Sound überzeugen kann. Die Tracks machen jedenfalls Lust auf mehr.

Safe and Sound Part 1 [Vinyl]
Safe and Sound Part 2 [Vinyl]

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Melt! 2005 – Tomorrow I Will Be Happy!

Am 15.07.05 um 8:00 Uhr fiel der Startschuss für die Fahrt des inoffiziellen Elmar-Sommer-Backup-Teams zum Melt!-Festival in Gräfenhainichen. Der Tourbus schlingerte mit mehr als einstündiger Verspätung in die Neusser Strasse und nahm die schon sichtlich angenervte Restcrew an Bord.

Herr E. – dessen Aphorismen der Tour die nötige philosophische Bodenhaftung geben sollten, fiel schon um 12 Uhr – zwischen Hannover und Braunschweig – das erste Mal aus der Rolle. „Ich bau mal einen, das ist ja schließlich kein Kindergeburtstag!“

Nun denn, auf einem Bein kann man nicht stehen und so kam es, dass schon kurze Zeit später der ersten Flasche Gaffel Kölsch das Genick gebrochen wurde. Bei einem Zwischenstopp in einem Kaff bei Dessau, wo unsere bezaubernde Mitfahrerin Constanze von ihren Eltern abgeholt wurde, schoß man die ersten Promo-Fotos von unserer Crew. Der Vater der Mitfahrerin hatte eine Canon A100 in Anschlag gebracht und gab den David Hamilton. Als der Bus nach erfolgreicher und zumindest für mich überraschender Presse-Akkreditierung auf das Gelände rollte, hatte Herr E. schon bedenkliche Schlagseite. Die Versuche das Festival zu entern, scheiterten zunächst an einem urplötzlich ausbrechenden Gewitter, das die Band Maximo Park ebenso überraschen sollte, wie den Generator, der die Bühne mit Strom versorgte. Der Legende nach spielten Maximo Park ein Lied akustisch und verschwanden dann zu einer wichtigen TV-Show.

Unser Debüt erfolgte bei der Band Phoenix, die wie gewohnt facettenreichen und amtlichen Pop darbot. Herr H. nickte dem schon im Mosh-Pit stehenden Herrn Sommer vielsagend zu und signalisierte so unsere Bereitschaft zum Backup.

So könnte jetzt eine differenziert geschilderte und analytisch sattelfeste Festival-Reportage weitergehen, doch wie Herr E. während des Phoenix-Auftritts treffend bemerkte: „Wir sind nicht zum Spaß hier, oder!?“

So ist das Nächste, an das ich mich erinnern kann, auch erst das Back-to-Back DJ Set von Justus Köhncke und Carsten „Erobique“ Meyer um 4:00 Uhr morgens. Als diese nämlich den Song „Im September“ von Andreas Dorau spielten, startete Herr H. seine Backup-Performance: Auf einem Bein durch die schon leicht ausgedünnte Crowd hüpfend schrie er: „Januar!, Februar!, März!, April!, Mai!, Juni!, Juli!, August!“, woraufhin Doraus Song mit „September!, Oktober!, November!, Dezember!“ übernahm. Langsam wurde dann auch ich mir meiner Verpflichtungen bewusst und brüllte und sprang aus vollem Herzen. Neben mir tanzte ein sichtlich exstatischer Mense Reents zu dem im Übrigen sehr sehr überzeugend vorgetragenen Plattenprogramm der Herren Meyer und Köhncke.

Etwas vor der Zeit wollte die Security denn aber den Strom abdrehen und Carsten Meyer brüllte beherzt in die Menge: „Jetzt seid mal kurz ruhig! Seid doch mal kurz ruhig! Wir spielen noch EINE Platte!“

Der Rest ging in Pfiffen und Schreien unter. Herr Meyer startet einen kongenialen Phoenix-Remix ein und er und Justus gaben noch eine herrlich asynchrone Tanzperformance, bevor der erschöpfte Justus mit den Worten: „Ich hör‘ da hinten ’ne Bassdrum!“ das Ruder an seinen Labelmate Michael Mayer weitergab, der zeitgleich auf der Gemini Stage mit „Good Life“ von Inner City sein Set einstartete. Michael Mayer tanzte entspannt hinter, vor und neben den Turntables, lächelte in die Menge, schüttelte am Stagerand Hände und drückte dem Melt!-Festival charmant groovend und sublim rockend seinen Stempel auf. Überhaupt: der Freitag-Nacht-Pokal geht ganz klar an die mit Kompakt und Ladomat assozierten Acts und DJs!

Schon um 7 Uhr morgens allerdings begaben sich Herr H. und ich in unseren Tourbus, nicht ohne von der Security noch zweimal über das Gelände gescheucht zu werden:
Security: „Fahrt jetzt mal ganz schnell den Wagen woanders hin!“
Ich: „Sie machen sich strafbar, wenn Sie uns zum Fahren zwingen, da wir beide Minimum 2 Promille intus haben.“
Security: „Na, dann müssen wir euch leider abschleppen lassen. Außerdem untersteht das Gelände nicht der Straßenverkehrsordnung.“
Ich: „Also dürfen wir hier betrunken Auto fahren?“
Security: „Macht das ihr wegkommt!“
Herr E. legte sich dann übrigens um 12Uhr auch für einige Minuten in den Tourbus.

Der Samstag startete entspannt mit einem Bad im schlammigen und nach Aussage der Festivalleitung „lebensgefährlichen“ See.

Es kostete mich alle Kraft und einige O-Saft/Wodka-Mischungen, die ich, in unsere um eine Mann stärker gewordenen Gruppe, investieren mußte, um die Moral aufrechtzuhalten.

„Wir sind nicht zur Erholung hier!“, erklärte Herr E. dem Neuzugang Yannick die prekäre Lage. Unsere erste Tagesaufgabe war nun: Jens Friebe dissen! Der maßlos überschätzte, über laffe DAT-Halbplaybacks nölende Kinderstar mußte von seinem Ross geholt werden. Yannick und ich legten eine saubere Aerobic-Performance vor der Bühne hin und wir waren uns einig: „Die Meßlatte für Aerobic-Begeleitmusik hatte Herr Friebe um einige Zentimeter höher gelegt.“
Der noch vor Stundenfrist kollabierende Herr E., um den ich mir bereits Sorgen zu machen begann, hatte sich wundersam erholt, legte ein paar Becks Gold nach und verlegte das Abendessen auch auf „nach Dorau!“ Dieser überzeugte sofort mit der Starbesetzung: Mense Reents am Schlagwerk, Tim am Apple und Crumar, Carsten „Erobique“ Meyer an der Basstation und ein Eber/Waschbär als Backgroundtänzer. Justus Köhncke, der sich kurz vor dem Auftritt sichtlich übernächtigt ein Becks vom Fass genehmigte, stand zur moralischen Unterstützung links am Bühnenrand und wurde von Dorau schon nach dem ersten Song mit den Worten „Das Lied war für Justus!“ geehrt. Es folgten Hits wie „Girls in Love!“, „40 Frauen“ und „So ist das nun mal“. Die Minimal-Tanzperformance und die Basslines von Carsten Meyer zeigten das nächste große Ziel des Abends an: 2 Uhr Erobique an der Big Wheel Stage.

Der hatte allerdings erstmal mit der Technik zu kämpfen, das Mikrofon und einiges andere schien zunächst nicht richtig zu funktionieren. Außerdem war der gute Mann irgendwie auf der falschen Stage gebookt worden, da ich mich umgeben von Abfahrtkids befand, die zwischen Jake Fairley und Acid Maria auf Erobiques musikalischen Ausflügen nicht ganz klarzukommen schienen. Doch spätestens als Erobiques Überhit, dessen Titel ich bis heute noch nicht kenne, anlief, ging die Crowd steil. Für Tips, wie das Lied mit dem weiblichen Stimmsample: „Sounded so fine, so fine!“ heißt, bin ich sehr dankbar.

Während ich dazu mehrere Meter in die Luft sprang und Dinge wie „Carsten ich will ein Kind von dir!“ schrie, kam eine fremde junge Frau aus der Menge auf mich zu, zog an meinem Akkreditierungsausweis und gab mir zwei Ohrfeigen. „Du Arsch, ich hab einen Freund. Du bist mir scheißegal! Du brauchst dir gar nicht so toll vorzukommen!“ (???)

Herr H. eilte mir zur Hilfe und der weitere Abend konnte ohne weiter Zwischenfälle begangen werden. Beziehungsweise gab es insgesamt schon einen musikalischen Zwischenfall: Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen standen plötzlich die Alt-Rocker Laid Back (sic!) auf der Bühne um tatsächlich „Bakerman“ und „Sunshine Reggae“ in Extended Versions zu spielen. Die Umstände dieses Booking kann man wahrscheinlich nur verstehen, wenn man wei?das bald AC/DC auf dem Sportplatz des nahegelegenen Kaffs Oranienbaum spielen und DJ ?Ötzi in Roßlau angepreisen wird. (Bei näherem Hinschauen entpuppten sich beide Double bzw. Cover-Bands). Will sagen: Ohne die im Umland übliche provinziell-retardierte Fehlbuchung kommt wohl auch das Melt!-Festival nicht aus. Die wenigen Laid-Back-Fans dürften dann auch von der ungewöhnlichen Uhrzeit und der Einbettung zwischen den großen Underworld und den Drum n‘ Bass Urgesteinen LTJ Bukem und MC Conrad stark verunsichert gewesen sein.

Herr Sommer verließ nach Einbruch des Drum n‘ Bass-Gewitters den Mosh-Pit und auch wir hatten somit unsere Backup-Pflicht erledigt.

Nach etlichen „Tomorrow, I Will Be Happy“- (Superpitcher) und „Feel Good Inc.“- (Gorillaz) Wiederholungen, „REWIND!“-Gebrülle meinerseits vom Busdach und merkwürdigen Unterhaltungen im THC-Dunst strich selbst Herr E. die Segel.

Die Rückfahrt durch herrliche ostdeutsche Kleinstädte, die unheimliche Absenz von Imbissbuden an der B80 und ein famoser Sonnenuntergang rundeten die Rückfahrt und Herrn E.’s Abschlussbesäufnis ab. Herr Elmar Sommer ist übrigens Regisseur der am 11.9.05 im WDR Rockpalast ausgestrahlt werdenden Melt!-Aufzeichnung und dürfte von unserer verdeckten Backup-Operation nichts mitbekommen haben. Wer allerdings die kryptischen Moderationen bezüglich des Melt!-Festival von Klaus Fiehe in Raum und Zeit auf Eins Live zwischen 0:30 und 1:00 Uhr gehört hat, könnte dem Geheimnis der wahren Hintermänner des Melt!-Festivals ein Stück näher gekommen sein.

„Tomorrow, I Will Be Happy! REWIND!“