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Platte der Woche: Carlos Nilmmns – Subculture EP [Ornaments 20]

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Eine der ganz großen Platten Ende letzten Jahres war die aktuelle Ornaments von Carlos Nilmmns, seines Zeichens Analogfetischist aus den UK. Fängt an wie morgendlicher Spaziergang durch das verlassene Detroit, mit dem Empfinden, dass man hat, wenn das zum Parkhaus umfunktionierte Central Theatre sieht: nämlich etwas retrofuturistisch anmutendes. Ein Opener, der wirkt wie eine bayrische Barockkirche für Kitschverfechter.

So kann Cavern auf die bereits etablierte Stimmung zurückgreifen, die nochmals getoppt wird, durch den slammenden, an Acid angelehnten Beat, der mit verlangsamtem Hall und dem Aufstieg eines Lichtphänomens, die fröhlichere Variante eines Alan-Oldham-Comics darstellt. Aber irgendwo hat das auch was japanisches, wenn zuerst ein temporeduziertes Glockenspiel in „From Sunset To Twilight“ ins Spiel kommt, bevor die Geisha zum Housetanz in „Places and Spaces“ lädt.

Den Abschied macht dann ein Outro, dass wiederum ganz Endsequenz eines Science-Fiction-Streifens ist, den man am liebsten sofort anschauen würde. Definitiv ein zukünftiger Klassiker und die perfekte Analogerweiterung für Ornaments nach Michals Roland Orchestra.

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V.A. – Redefinition 2 [Unoiki, UI004]

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Von manchen Klischees kommt man jahrelang nicht weg, weil sie sich häufig bewahrheiten. So auch hier wieder: Experimentelle Elektronika passt einfach besser zum Winter. Zum einen das Knistern, Klirren, Fiepsen, das Abstrakte, zum anderen die Wärme, die diese Musik trotz digitaler Kälte erzeugt. Hier sind ganz klar die Stärken des Sounds aber auch des Labels Unoiki. Redefinition heißt das Konzept, bei dem die ansässigen Künstler sich selbst remixen.

Schon das Slowmotion-Schlachtfilm-Intro bei dem düstere Fanfaren auf Lithium erscheinen, zieht einen in die Welt von IDM, Glitch, Clicks n‘ Cuts und experimentellem Techno/House. Weiter geht es von froschigem CutUp über klonkigem House hin zu Storlons Click-Armada im Berk-Remix. Favorit ist Cleymoores Remix von Sul.a, der die Verträumtheit positiver Melancholie, begleitet von abstrakten Sounds, wie kein anderer versteht. Killer.

Urbanoise, der Keinzweiter bearbeitete, schafft den Spagat von Experimentell zu Dubstep auf eine Art, die man bei den bekannten Detroitsteppern nicht findet. Und J-Labs “Doubt” findet in The Marx Trukker das richtige kulturelle Kapital, um den Track wintertauglich mit Warp-Erinnerungen zu machen. Großartig, genauso wie das Packaging und Artwork.

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Platte des Tages: Soulparlor – Evoluzion [Tokyo Dawn Records TDR11-003]

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Seit nunmehr 13 Jahren feiern die Mainzer Soulparlor ihre regelmäßigen Partys im Mainzer Red Cat. Unter dem Motto “You move nothing, if you don’t move yourself” hatten sie wohl schon jeden zu Gast, der sich mit Deep-Broken-Phusion-Soul beschäftigt. Auch ihr zweites Album Evoluzion (Noiz U Love) klingt, als ob sie jeden Gast-DJ gleich nach dem Set mit ins Studio nehmen, um eine Session aufzunehmen.

Mit Colonel Red, Stan Smith, Raziel Jamearah, Cecilia Stalin hat sich das Dreiergespann die Gäste geholt, mit denen dem gesamten Genre wieder frisches Blut injiziert wurde. Das klingt locker-trippig, bis hin zu wonky, mal langsamer mal schneller, aber immer mit Arschwackelgarantie. Dazu sind sie einfach auch zu erfahrene DJs, als dass sie die Leute mit ihren Drinks alleine lassen.

Tokyo Dawn Records

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#fail: Martyn – Ghost People

Zugegeben: Nach der Red-Serie (Red 1-3) von Dave Clarke Anno ’94 und ’95 war eigentlich alles über detroitige Chords gesagt. Um so schwerer wurde es, durch geschickte Setzung der Noten und dem Einsatz von Echo, Delay, Reverb und Velocity, aus diesem Sound noch einen Kitzel herauszuholen. Dieser schwierigen Aufgabe haben sich die Dubstep- und Dubtechno-Produzenten unserer Zeit gewidmet, mit immer wieder guten Ergebnissen.

Einer der das auch konnte (und in seinen Remix-Arbeiten auch immer noch kann) ist Martyn. Auf kaum ein Album hatte ich mich dieses Jahr mehr gefreut als auf Ghost People und wurde bitter enttäuscht.

Während Great Lengths eins meiner Alben des Jahres 2009 war, ist Ghost People die Enttäuschung des Jahres 2011. Damals schrieb ich über Great Lengths:

Martyn importiert auf Great Lengths immer genau ein Stilmittel-Setup pro Track, seien es Chicago-typische Handclaps und mittige Snares, sowie Casio FZ-1 artige Mikrosamples in Elden St., Dave Clark Synth-Stabs in Vancouver oder Tribaldrums in Is This Insanity?.

Ähnliche Elemente findet man auch auf Ghost People, doch die Magie des Vorgängers ist vollständig abhanden gekommen. Chords, 909-Drums und Arpeggios wirken uninspiriert aneinandergereiht, so als habe hier einer einen Aufguss seines Erfolgsrezeptes versucht. Der Titeltrack ist biederster Chord-Einheitsbrei und Alldayallnight klingt wie eine besser gemasterte DJ International-Platte von 1989. Eher Regression als Reminiszenz. Die militärischen DJ Skull-Snares in Horror Vacui machen in der Tat Angst: Angst vor der Leere seelenloser Dubstep-Produktionen.

Nicht alles ist schlecht auf Ghost People: Popgun rast mit einer groovenden Bassline nach vorne und erweckt alte Public Enemy-Essentials wie den Terrordome-Guitar Lick und Chuck D-Stöhner wieder zum Leben. Twice As groovt ganz amtlich und We Are You In The Future klingt so wie ein moderner Global Communication-Track. Von Martyn hätte ich allerdings mehr erwartet, zumal in der illustren Labelnachbarschaft vom Brainfeeder-Label. Bleibt die Hoffnung auf bessere Remixe. Von Martyn selbst und von den Tracks des Albums.

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Platte der Woche: V.A. – Redefinition #1 – undefined [Unoiki UI003]

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Hinein ins Feld der unbekannten Koordinaten aus Noise, Ambient, IDM, Cut-Up, also gemeinhin alles, was unter Electronica läuft, nimmt uns die Compilation aus dem Produzentenkollektiv, Musiknetzwerk und Label Unoiki mit. Von Dr. Nojoke über Superlauncher, Storlon, Offtopic und elf weiteren Artists kommen die Tracks, die von Zzzzra PierrotheMoon, Kimathir und anderen weltweit verstreuten geremixt wurden.

Die Compilation zeigt wieder mal deutlich, dass es abseits des Etablierten noch den “wirklichen Untergrund” gibt, der für Experimente und Anspruchsvolles zu begeistern ist. Hier ist jeder Track eine Perle für sich, die man erst über die Zeit entdecken muss. Ein Schmetterling braucht halt auch seine Zeit, bis er aus dem Kokon entschlüpft. Die Zeit nimmt man sich auch für die Verpackung, die passend zum Anspruch, aus einer selbstgebastelten Box besteht.

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Platte des Tages: The Analog Roland Orchestra – 1984 & 1997 [Ornaments 019]

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Eine neue Ornaments ist ja immer sowas wie ein Überraschungsei aus Vinyl. Und diesmal verwundert nicht nur der Inhalt, auch die Form ist mit der klassischen 7″ gewöhnungsbedürftig.

Bei soviel gutem Dub gehen die ersten Gedanken in Richtung Reggae, aber getäuscht. Das Analog Roland Orchestra mit dem schicken Maschinenpark setzt auf eine Art von Nostalgie – die Zeit unbeschwerter Verliebtheit. ‚1984‘ klingt wie Air in ihren besten Momenten zwischen Premier Symptomes und Moon Safari. Das darf auch Triefen vor Kitsch und analoger Wärme und ist einfach nur wunderschön.

Extrem temporeduzierter Dubtechno, der selbst Ketaminjüngern zu lahm sein dürfte, findet sich bei ‚1997‘. Durch die Langsamkeit wirken die Dubs noch verhallter und die Wall of Sound schlägt voll durch. Als ob man sich vor lauter Endorphinsprudeln kaum noch bewegen kann, oder man morgens völligst KO ist, aber mit einem erfüllten Grinsen im Gesicht. Beides großartig. Nur, was haben die Jahreszahlen mit dem Sound gemein?

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Lumisokea – Automatons [Eat Concrete Records – EAT279

Es gibt Alben für die hat man keine Zeit. Nicht treibend genug für die Joggingstrecke, nicht catchy genug für den Hörgenuss auf dem Weg zur Arbeit, nicht tanzbar genug für den Klub (es sei den man spritzt sich Pferdetranquilizer) aber auch zu aufreibend für den abendlichen Chill. Solche Alben haben es schwer, auch beim Rezensenten.

Mit dem Album Automatons des belgisch/italienischen Electronica-Duos Lumisokea empfiehlt sich folgendes Experiment: Man setze sich bei beginnender Dämmerung, vorzugsweise im November, in eine S-Bahn seiner Wahl und fahre zur letzten Station am Stadtrand, dort wo die Orte Eichwalde, Strausberg Nord, Königsforst, Mairie d’Issy, Hatch End, Uxbridge oder Algeciras heißen. Man kaufe sich einen Sechserpack Bier und starte das Album Automatons. Wenn die vorbeiflirrenden Großstadtlichter immer zahlreicher werden, das erst kaum hörbare Großstadt-Pidgin der anderen Fahrgäste langsam anschwillt, im Stadtzentrum das urbane Lichtermeer zu vollem Glanz erstrahlt und dazu Fiftyfour oder Second ertönt, dann hat man mit großer Wahrscheinlichkeit das Glück gestreift.

Lilya from Lumisokea on Vimeo.

Koenraad Ecker und Andrea Taeggi arbeiten an einer raffinierten Verdichtung von elektronischen und akustischen Soundscapes. Dubstep – im Mount Kimbie-Destillat – schimmert als subsonischer Kontrapunkt zu den (und als hektischer Taktgeber der) filigranen Mikrokompositionen durch. Die Musiker selber beschreiben das als „listening to John Cage’s ‚Piano Sonatas‘ while a dubstep rave is going on next door“.

Definitiv ein Album für die kommende Jahreszeit, entspannt und fordernd zugleich und ein sinnvoller Beitrag zur Ästhetisierung des Herbstes. Hier oder hier vorzubestellen.

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Aardvarck – Loopin For The Perfect Beat / Anti Concept

Um seine neue LP Anti Concept zu promoten hat der niederländische Minimalstic-Dub-Detroit Techno-Ragga-Beat-Producer Aardvarck aka Mike Kivits einen wilden Mix aus populären Loops erstellt, der gleichzeitig ein Quiz ist. Wer als Erster eine komplette Playlist erstellt (was komplett unmöglich ist) gewinnt ein Eat Concrete/Aardvark Package. Ich höre zwar Lootpack, Ol‘ Dirty Bastard, Dorian Concept, Public Enemy, DJ Krush, Wu Tang Clan, East Flatbush Project, Beastie Boys, De La Soul, Art of Noise, Wagonchrist, Roots Manuva, Flying Lotus, Portishead und Quasimoto heraus, aber das wären jetzt erst circa ein Fünfhunderstel der Samples. Wer es trotzdem versuchen will nur zu.

Das neue Album Anti Concept ist nicht so leicht zugänglich wie der Mnemotechnik-Mix. Ein wenig Chiptune, ein Hauch Detroit Techno, Ambient und Beat Science in insgesamt schwer bassiger Atmosphäre, aber mit Raum zum Atmen. Was für ein Style auch immer das ist, Aardvarks Herangehensweise an ihn verhält sich wie die von Mount Kimbie zu Dubstep. Manche Tracks sind eher skizzenhaft, dafür gibt es gleich 27 davon, mit Samples von Fennesz, Talk Talk und alten Dub Singles. Das hier muss laut gehört werden und kommt von hinten durch die Schädelbasis. Könnte ein Klassiker werden.

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V.A. – 20 Years of Overdrive Part I & II [Overdrive Records, Over181/182]

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Einen dogmatischen Trademarksound, der sich konservativ gegen jegliche Moden wehrt, gab es bei Overdrive von Anfang an schon nicht. Und so ist die aktuelle Werkschau zum 20. Geburtstag – womit das Label zum dienstältesten Technolabel hierzulande gehören dürfte – alles andere als ein nostalgischer Rückblick…

Außer Daniel Steinberg vielleicht. Hat sich doch der Schlingel an seine Jugend zurückerinnert und Cybordelics Tranceklassiker ‚Adventures of Dama‘ genommen um ein schunkeliges Techhousestück zu zaubern. Sophie Nixdorf zieht es in den Norden, inklusive mehr Tempo und zeigt, dass auch Techno noch seine Berechtigung hat.

Matt K baut sich einen minimalen Zweitongroove zusammen, der sich gegen Ende in einen schicken Sägezahn verwandelt, während Sascha Krohn den verschnupften Hektiker mit Berlineinschlag spielt. Michael Knoch besitzt diesen ebenfalls, fügt dem aber noch einiges an Nettigkeit hinzu.

Lediglich Andy Düx, der Overdrive nun mit Sophie Nixdorf betreibt, erinnert an sich an die frühen Phuture und lässt Chicago-Feeling anno 1989 aufkommen. Durchweg gelungen.

Overdrive

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Platte des Monats: T.D. – Water [We can do it 008]

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In den frühen Neunzigern bedeutete Techno zwar alles, doch auch Indie erlebte seinerzeit eine Blütephase. Und so sampled T.D. zwar PJ Harveys ‚Down by the Water‘, belässt es aber bei der Vergangenheit und bringt damit den Track des Monats heraus.

Aufgebaut auf einem choir-ähnlichen Synthsound, der einen auch ohne den Rest in wohlige Stimmung versetzt, immer wieder einzelne Zeilen von PJ Harvey. Dabei driftet T.D. nie in das Strophe-Refrain-Schema ab, sondern scheint nach dem Klang der Stimme zu gehen. Großartig!
… und wird sicherlich haufenweise Menschen auf den Open Airs verzaubern.