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Weltuntergangswoche

Was mir bei der ganzen Techno-Geschichtsschreibung immer schon aufgestoßen ist, ist die Tatsache, dass es immer besondere Anlässe gegeben haben soll (die sogenannte Stunde Null oder Blueprints) die als Momentum an Innovationen gelten, die es aber so nicht gegeben hat oder die auch nur auf anderes aufbauen. Beispielsweise wird dann nach dem ersten Technotrack überhaupt gesucht (wahlweise Number of Names – Shari Vari oder Model 500 – No U.F.O.). Obwohl es – wie wir inzwischen wissen – Techno schon im akademischen Umfeld der 60er Jahre gegeben hat, also ohne die Einflüsse von Kraftwerk und Co.

Doch das soll hier nicht weiter verfolgt werden, sollte dies nur ein kurzes Intro sein, um zu zeigen, dass Musikentwicklung nicht linear oder gar Black-Box-like verläuft, sondern es immer wieder abseitige oder vergessene Wege gibt, die nach n Jahren wieder auftauchen, und manchmal braucht es auch eine Dekade um persönliche missing links zu finden, die einiges mehr erklären als das kanonisierende Durchschnittswissen bereithält.

Beim Techno gab es lange zwei Versionen, die auch heute noch im Umlauf sind. Entweder ist es die Geschichte dreier junger Männer in Detroit, die sich mit Hilfe europäischem Synthie-Pops und amerikanischen Funks, plus einer Prise Alvin Tofflers Schriften ihr Techno-Universum schufen.

Zweite Variante: DAF schufen eine ziemlich harte elektronische Musik, die in Belgien zu EBM umgemünzt wurde, darüber den Weg nach Deutschland zurückfand und schließlich durch einen damaligen Frankfurter Plattenverkäufer das Label Techno verpasst bekam und sich im Umfeld des Technoclubs/Dorian Grays zum heutigen Techno entwickelte.

Allerdings fragte ich mich seit Ewigkeiten wie so mancher Produzent auf seine abgedrehten Sounds kam. Zwar halbwegs vertraut mit Kraftwerk, Jarre, dem ganzen Synthpop, Wave und auch EBM (belgischer als auch deutscher Spielart) brauchte es bis zur Lesung Jürgen Teipels (“Verschwende deine Jugend”) und dem ersten Hören von Der Plan und artverwandtem, bis mir einige Lichter aufgingen.

Seit dem Abend und einigen Startschwierigkeiten ist die unkommerziellere Variante der Neuen Deutschen Welle (NDW) von einer Unbekannten zur zweiten Lieblingsmusik nach “Techno” aufgestiegen. Dank Frank Apunkt Schneider, der neben einem fantastischen, kritischen Buch zur NDW („Als die Welt noch unterging„), auch fast eine Komplettdiskographie aller NDW-Platten aufschrieb, ist es auch als arg Zuspätgekommener möglich an den Raritäten teilzuhaben, bzw. sie ersteinmal entdecken zu können. Diese Woche wird es dann ein kleines NDW-Spezial geben.

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Feature: Lynx & Kemo

Drum and Bass in Moll

Bastian Thüne in De:Bug 132

Tot ist Drum and Bass noch lange nicht, auch wenn es die letzten Jahre stark danach aussah und viele schon vom Ende redeten. Doch mit The Raw Truth, dem Debut von Steve Lynx und Jimmy Blitz (aka MC Kemo), erscheint mit fast einjähriger Verspätung der passende Soundtrack zur Krise dieser Tage. Düster und melancholisch in der Stimmung, minimal und reduziert im Sound, dürfte das Album für einige der nötige Arschtritt sein, ihr (Drum-and-Bass-)Weltbild neu zu ordnen.

Lynx bringt seine Beats genau auf den Punkt, schafft Raum und ausreichend Platz für Kemos – manchmal beschwörend wirkenden – Sprechgesang. Selbst bei dem souligen Gänsehaut-Stück ‚All You Own feat. Spoonface‘ halten sich die Streicher angenehm zurück. Aber beide sind ‚Ultraperfektionisten‘, die mit dem Ziel antreten, ein Album herauszubringen, das der Hörer ‚vom Gefühl und der Langlebigkeit her‘ zwischen Massive Attack, Burial und dem Wu Tang Clan in seiner Sammlung einordnet. Deswegen auch die Verspätung. Ihr Labelchef Marcus Intalex war von Lynx & Kemo jedenfalls so begeistert, dass er sie bereits nach der zweiten Maxi um ein Album bat. Ob das die Wende ist?

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Debug: Euer Album ist nicht nur eklektisch, sondern es klingt auch sehr reduziert. Für Drum and Bass eher ungewöhnlich.

Kemo: Gott sei Dank geht es wieder dahin. Es ist eine kleine Revolution, eine Wiedergeburt hin zum ursprünglichen Sound. Seit ungefähr sechs Jahren wurde alles immer schneller, härter und voller. Seitdem Lynx vor gut drei Jahren angefangen hat, in einem eher minimalen, deeperen Stil zu produzieren, gibt es andere, die in diese Richtung gehen. Mittlerweile geht das quer durch die Bank. Sogar DJs wie Andy C oder Hype, die dafür bekannt sind, einen schnellen, harten und vollen Sound aufzulegen, spielen inzwischen minimalere Sachen.

Debug: Der Krisenstimmung, die zurzeit in der Gesellschaft herrscht, kannst du zumindest im Drum and Bass also nichts abgewinnen?

Kemo: Drum and Bass stagnierte lang. Statt Lieder produzierten alle nur funktionale DJ-Tools und hatten Angst zu experimentieren. Doch die letzten zwei, drei Jahre gab es einen Aufschwung. Insofern hat der dunkle Zeitgeist unsere Musik positiv geprägt. Es gibt viele politische Tracks und deepere Sounds. Deshalb habe ich das eben auch als kleine Revolution bezeichnet. Wenn es diese Revolution auch in der Gesellschaft gäbe, würde unsere Zukunft wesentlich besser aussehen.

Debug: Nun ist ja eure Musik recht düster. Entspricht das auch eurer Persönlichkeit?

Kemo: Ich bin melancholisch und düster …, aber wie definiert man einen düsteren Menschen?

Debug: Eher ängstlich sein, Dinge negativ sehen …

Kemo: Das passt schon bei uns beiden. Wir bemühen uns, stets positiv und ausgeglichen zu sein. Aber auch nur, weil ich vor ein paar Jahren arge Probleme mit Angststörungen hatte. Gott sei Dank konnte ich mich voll darauf konzentrieren. Ich habe ungefähr sechs oder neun Monate nichts gemacht, also nicht gearbeitet, kaum rausgegangen. Seitdem mache ich es mir zur Lebensaufgabe, mich möglichst viel mit der seelischen oder spirituellen Welt zu beschäftigen. Bei mir im Haus leben zwei neugeborene Christen. Das ist zwar nicht mein Weg, aber ich respektiere das. Mich zieht es eher zum Thaoismus und Zen-Buddhismus. Ich lerne Wege, meine Gedanken zu kontrollieren und auch die Thematiken, mit denen ich mich beschäftige. Ich liebe düstere Sachen wie David Lynchs Filme oder düstere Serien und Bücher. Allerdings beschäftige ich mich nicht mehr zu viel damit.

Lynx & Kemo – The Raw Truth ist auf Soul:r erschienen

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phOkus – Dem All Shot – Teil 2

Fortsetzung von Teil 1

Das ist jetzt eine gute Zeit lang her. Wie schätzt du die Situation von Grime und Dubstep heute ein? Ist nicht Dubstep de facto ein Massenartikel geworden, dagegen Grime in seiner zumindest anfänglichen Außenseiterposition verhaftet geblieben? Und die bedrückendste aller Fragen: Herrscht Jahre nach dem Aufbruch bereits Ernüchterung?

Ich habe nicht das Gefühl. Eventuell muss man zwischen Dubstep und Grime unterscheiden, richtige Hammer-Grime-Tracks sind in letzter Zeit relativ schwer zu finden. Ich habe schon das Gefühl, dass die Grime-Szene 2006/2007 sehr viel mehr Interessantes hervorgebracht hat, was aber einfach zum großen Teil damit zusammenhängt, dass sich viele UK-Grime-Artists immer mehr im Chartspop-Bereich bewegen und immer weniger neue Dinge ausprobieren als noch vor zwei Jahren, sie im Gegenteil sogar Pop-Elemente in ihre Tracks übernehmen, damit sie im Charts-Kontext besser funktionieren.

Im Bereich Dubstep gibt es immer noch neue Entwicklungen, und die Leute probieren alles Mögliche aus. Darin besteht ja auch der große Reiz: Es ist möglich, nahezu alle musikalischen Einflüsse im Dubstep zusammenzuschmelzen. Und genau das passiert nach wie vor, wodurch immer noch ungehörte, neue Kombinationen entstehen.

PhOkus II

Photo by Marco Heinzmann

Welche Perspektiven eröffnen sich für Dubstep? − Welche Gefahren gibt es? Welche Chancen kannst du sehen? Kannst du Strategien erkennen, vielleicht sogar den unsäglichen Hype? Anders gefragt: Lässt sich so etwas wie Dubstep überhaupt hypen?

In letzter Zeit tauchen vermehrt Pop-Dubstep-Remixes auf. Natürlich besteht die Chance, dass es immer weiter wächst und mehr und mehr Leute Dubstep kennen und mögen, andererseits gibt es wie immer die Gefahr des großen Ausverkaufs. So wie einige Zeit in jedem zweiten Werbespot Drum ’n‘ Bass im Hintergrund lief. Nur die Drums, ohne die Basslines, weil man die im Fernsehen nicht hört. (schüttelt den Kopf)

Ich habe aber den Eindruck, dass sich die meisten Protagonisten der Szene einig sind, dass es Dubstep nicht gut tun würde, wenn auf einmal Verkaufszahlen und nicht die Innovation bzw. die Funktionalität auf dem Dancefloor zum schlagenden Argument werden. Die Dubstep-Szene selbst ist sehr stark über Internetforen, Instant Messenger und Social-Networking-Plattformen vernetzt, so dass es Außenstehenden schwer fallen dürfte, sich dort zu positionieren und einen Hype zu starten. Und auf den Fernseh-Sound bezogen: Wenn man bei Dubstep die Basslines und Subbässe weglässt, bleibt nicht mehr viel übrig. (grinst)

Was vom Dubstep übrig bleibt … Schauen wir in die Zukunft: Mit wem arbeitest du aktuell zusammen, welche Projekte verfolgst du, und wo kann man dich live/als DJ erleben?

Mit The Next aus meiner Hamburger Nachbarschaft arbeite ich seit Drum ’n‘ Bass-Zeiten zusammen. In letzter Zeit bin ich oft mit Mr. Boogie aus Potsdam mit b2b-DJ-Sets unterwegs, und wir haben auch einige gemeinsame Tunes produziert. Außerdem fertige ich Remixe für verschiedene Leute an, z.B. Jazzsteppa, Mahanee … oder Spillsbury, ein Mitglied meiner letzten Punkband. Ich plane im Augenblick mit MC Bandog von Killa Instinct, Grime-Tunes zu produzieren. Interessant, mal typische Britcore-Vocals mit Grime in Verbindung zu bringen … wir werden hören, ob es funktioniert (schmunzelt).

Diskographie:

Phokus feat. Tinchy Stryder & Dirty Danger: Dem All Shot (12″) 2006
Jazzsteppa: Five (Phokus-Remix) (12″) 2008
Phokus: Da Loot (12″) 2007
Phokus & The Next: Smoke Ganja (12″) 2008
Phokus & The Next: Inta (7″) 2008
Phokus: Mash Up Di Place (MP3) 2008
Mahanee feat. Solo Banton: No Joke Ting (Phokus-Remix) (12″) 2009
Phokus & MrBoogie & TKR: BigUp! (12″) 2009

Erscheint Juni 2009:
Phokus & Mr Boogie: The Infect (12″)

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phOkus – Dem All Shot – Teil 1

Prolog

Die Menschenschlange vor dem Berliner Berghain ist um halb vier Uhr morgens hunderte Meter lang, dabei ist der geräumige Club schon seit Stunden voll. Internationales Publikum, Internationale DJ-Sets, vor allem aus UK. Es geht hier um die zukunftsweisendste unter den aktuellen Musikrichtungen: Dubstep.

Der Begriff ist schnell definiert: Dubstep ist dem Namen nach eine Mischung aus Dub und 2step. Das Brisante, geradezu Revolutionäre liegt im Modellcharakter von Dubstep begründet: Diese Musikrichtung funktioniert nicht als ein in sich geschlossenes System, nicht als kohärentes, einheitliches Muster, wie es uns etwa im Bluesschema des Rock ’n‘ Roll begegnet – drei Akkorde, über Jahrzehnte Grundlage und Erkennungsmerkmal – oder wie es im House- und Technobeat aufscheint – dessen kleinster gemeinsamer Nenner die 4/4-Bassdrum bildet – gleichsam die Tradition der Disco-Ära.

Dubstep ist das Synonym für eine musikalische Entwicklung. Für eine Technik, die in einer Umgangsweise mit Musik begründet liegt, Dub genannt. Die Anwendung auf 2step ist dabei eine Möglichkeit, wenn auch nicht willkürlich. 2step steht für das Erbe urbaner Tanzmusik, ist Funk, Disco, House, gepaart mit der afro-amerikanischen Tradition des R ’n‘ B. Dub ist eine aus dem Reggae hervorgegangene mediale Reflexion, Rückführung auf das eigentlich Klingende, Minimierung, Substrahierung.

Fünf Uhr nachmittags in einem kleinen Straßencafé in der Mainzer Straße im Bezirk Berlin-Friedrichshain. Wenige Stunden vor seinem DJ-Set bei den Dubstep Standarts und am Vorabend von Bass The World begegne ich Phokus. Mir gegenüber sitzt ein entspannter Endzwanziger in der Sonne. Der Musikproduzent sorgt seit 2006 als Teil der deutschen Grime- und Dubstep-Szene für Aufsehen. Er ist im Verbund der WOBWOB!-Crew Hamburg zu einem der wichtigsten Protagonisten des kontinentalen Dubstep geworden.

Phokus I

Photo by Henrietta Langholz

Bei vielen Künstlern geht der Anfang ihres Schaffens einher mit einem besonderen Moment in der Erkenntnis ihrer Kunst. Oft ist das noch nicht einmal etwas Spektakuläres. Wie hast Du angefangen? Wie bist du zur Musik gekommen, oder ist die Musik zu Dir gekommen?

Solange ich zurück denken kann, hat Musik für mich eine Rolle gespielt. Aber ich möchte lieber nicht sagen, was ich früher mal für gute Musik gehalten habe. Jedenfalls habe ich irgendwann von einem Freund meines Bruders Schlagzeugunterricht genommen und in verschiedenen Bands als Drummer gespielt. Meist ging es dabei in Richtung Punk.

Als meine Eltern endlich einen Computer angeschafft hatten und ich mir im Winter auf einem alten Skateboarddeck im Schnee den Arm gebrochen hatte, besorgte ich mir von einem Kollegen so Sachen wie Fasttracker 2 und fing an, meine ersten Pfade in der elektronischen Musik zu beschreiten. Ich habe von Anfang an ausschließlich mit dem Computer produziert, was sich bis heute nicht geändert hat. Vor einigen Jahren habe ich zwar einem Kumpel, der sein Auto zu Schrott gefahren hatte, seinen Synthie abgekauft, der dient allerdings nur noch als MIDI-Keyboard. Natürlich habe ich verschiedene Arbeitsweisen und Tools ausprobiert, aber externe Gerätschaften oder sowas sind nicht dazugekommen. (zuckt die Achseln) Ich kenne es nicht anders, da vermisse ich das Drehen an echten Knöpfchen oder die „Seele“ von meinen Lieblingssynthies erst gar nicht.

Deine Anfänge verlieren sich im Dunkel der Kindheit, du hast Wurzeln im Punk, einem wichtigen Wegweiser der neuen elektronischen Musik seit den 80er Jahren. Als Drummer hattest du zudem wie selbstverständlich ein Bein auf dem Dancefloor. Wie hast du Zugang zu der Musik gefunden, die Du heute machst?

Bevor ich mich mit Musik um die 140 BPM beschäftigt habe, war ich eher schneller unterwegs. Genauer gesagt habe ich Drum ’n‘ Bass-Tracks produziert. Irgendwann hat sich der vorherrschende Drum ’n‘ Bass-Sound, jedenfalls der, den es in Hamburg auf den meisten Parties zu hören gab, in eine Richtung entwickelt, mit er ich nicht mehr all zuviel anfangen konnte. Die Elemente, die mich ursprünglich so für den Sound begeistert haben, sind sehr stark in den Hintergrund getreten, und die Stimmung ist immer aggressiver geworden.

Zu der Zeit habe ich relativ viel Internetradio gehört und bin als erstes auf Grime gestoßen, was in mir sofort ähnlich euphorische Gefühle ausgelöst hat wie die ersten Jungle-Tunes die ich gehört habe. Ich habe auch vorher schon immer mal wieder in solchen Geschwindigkeiten experimentiert und mich ab diesem Zeitpunkt völlig darauf konzentriert. Das erste Ergebnis war die 12″ auf MG77 (Dem All Shot).

Außerdem hatte ich seit einiger Zeit aufgehört mir Platten zu kaufen, was sich ab dem Moment schlagartig änderte. Ich habe dann viel Grime- und Dubstepmaxis gekauft und angefangen, alle miteinander zu mixen, was mir einen riesen Spaß gemacht hat!

Fortsetzung folgt…

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Netlabel-Update 2009: Kompromiss mit Zukunft

Unkommerzielle Netlabel mit kostenlosem Musikangebot oder Digitallabel mit Bezahl-Download? Im Netz entbrennt die ideologische Schlacht. Währenddessen ebnen Kompromissmodelle den Weg in die Zukunft.

Bastian Thüne in De:Bug 131

Bis vor kurzem schien die Technolabel-Welt noch relativ klar aufgeteilt. Auf der einen Seite gab es Vinyl-, auf der anderen Netlabels. Klar gibt es schon länger iTunes für den digitalen Gebrauch der breiten Masse, auch Downloadportale für DJ-orientierte Musik sind nichts Neues und auflegbare MP3s kursieren schon lange im Netz – ob als zweckentfremdete Promos oder als öffentlich zugänglich gemachte Sicherheitskopien. Aber das war fast ausschließlich Musik, die es auch physisch ohne Internet gegeben hätte. Netlabels konnten sich ihrem vermeintlichen Alleinstellungsmerkmal im virtuellen Raum sicher sein. Doch mit dem langsamen Durchbruch der Digitallabels (siehe De:Bug 129) gerät die Netlabel-Welt schwer ins Wanken. Gedrosselter Output und/oder Umstellung auf Bezahl-Downloads … das war 2008.

Das bekannteste unter ihnen ist sicherlich Thinner. Sebastian Redenz, der Betreiber von Thinner und dem eingestellten Sublabel Autoplate, sorgte im Dezember vergangenen Jahres für großes Aufsehen innerhalb der Community, als er auf seinem Blog bekanntgab, Thinner demnächst als Hybrid-Label mit einer Mischung aus kostenloser – unter creative commons lizenzierter – Musik und eben kommerziellen Releases zu führen.

Das hat natürlich erst einmal gesessen. Manch einer mag am liebsten laut “Kommerzialisierung!” schreien, andere sehen schon Dollarzeichen aus ihrem Router blitzen. Doch so binär-prekär sieht die Lage bei den Netlabels nicht aus. Genauso unterschiedlich wie die Qualität der Musik im Netz sind auch die Ansätze und Ansichten der verschiedenen Macher. Und am Ende wird vielleicht doch wieder alles gut in der Netzwelt. Legten doch Netlabels ein innovatives Modell vor, das inzwischen vom Mainstream gefeiert wird, so Pheek, der das ehemalige Net- und heutige Hybridlabel Archipel betreibt: „Ich musste schon lachen, als jeder jubelte: ‘Radiohead hat das bahnbrechende Business-Modell erfunden.’ Das ist zwar toll, aber wir machen das schon seit Jahren.“ Zeit also für einen klärenden Blick.

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Pro vs. Contra
Netlabels sind die einfachste und finanziell sicherste Art ein Label zu betreiben. Im Minimalmodus langt ein Account bei einem der Blog-Anbieter: Die Musik kann auf Seiten wie archive.org gespeichert werden und mit der Creative-Commons-Lizenz, die kürzlich ihren 6. Geburtstag feierte, ist die rechtliche Unsicherheit beseitigt. Gerade für Leute, die ihre ersten Gehversuche wagen wollen, sind das ideale Bedingungen.

„Ich sehe den riesigen Vorteil von Netlabels gerade darin, dass man innerhalb einer sehr kurzen Zeit sehr viel mehr Leute erreicht als mit Vinyl oder digital. Der Aspekt, dass die Releases kostenlos zu laden sind, spielt eine sehr große Rolle. Des weiteren ist man mit einem Netlabel sehr unabhängig, was Vertrieb, Promotion, Design etc. angeht. Auch kann man viel schneller neue Musik releasen, da es einfach unkomplizierter ist als auf Vinyl“, so Markus Masuhr von Insectorama.

Als Untergrundbewegung können Netlabels auch an den Sounds von morgen basteln und eigene Klangästhetiken verfolgen, ohne Abhängigkeit von Markt und Käufer. Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Doch gibt es kein Yang ohne ein Ying. Martin Donath von Stadtgruen zeigt die negativen Aspekte auf: “Jeder, der drei, vier Leute kennt, die Musik machen, kann bei Blogspot einen Blog einrichten, haut die Musik raus und nennt sich Netlabel. Dadurch gibt es viel Schrott.“ Den gab es zwar schon in den 90ern, aber damals gab es Plattenläden und Vertriebe als zentrale Instanzen, die filterten. Auch überlegten es sich Labelmacher zweimal, ob die jeweilige Musik es wert war, Geld in eine Pressung zu investieren.

Zu den generellen Problemen kommen durch andere Akteure neue hinzu, so Martin. „Immer mehr Digitallabels etablieren sich. Für die Künstler ist das attraktiv, weil hier kein finanzielles Risiko im Spiel ist, gleichzeitig das Netzwerk gut organisiert ist und die Musiker davon ausgehen können, dass sich ihre Tracks schnell verbreiten. Denen geht es vielleicht auch nicht ums Geldverdienen, aber sie wollen gehört werden.“

Geld spielt natürlich doch eine Rolle, die ernsthafte Bedrohung entsteht durch die GEMA. Einmal Mitglied in der Verwertungsgesellschaft, darf kein Stück mehr unter Creative Commons zur Verfügung gestellt werden, d.h. das Netlabel müsste pro Download eines GEMA-Künstlers knapp 20 Cent pro Song abführen und wäre durch fehlende Einnahmen gezwungen, seine Hörer zu subventionieren. Das gilt sogar für Musik, die vor der Mitgliedschaft entstanden ist.

Neusortierung
Das Hybridlabel mit einer Mischung aus freien und kommerziellen Veröffentlichungen ist eine mögliche Lösung für dieses Dilemma. Archipel waren die ersten, die dieses Prinzip einführten, erzählt Pheek: „Im September 2006 stiegen wir auf Bezahl-Downloads um. Anfangs verkauften wir einen Release und verschenkten ihn gleichzeitig mit einer niedrigen Bitrate. Das funktionierte aber nicht so gut, also veröffentlichten wir ihn zuerst als Bezahl-Download, um ihn dann nach zwei, drei Monaten kostenlos herzugeben. Diejenigen, die Musik bei Beatport kaufen, sind normalerweise DJs, die neue Musik wollen und auch bereit sind, dafür zu zahlen. Viele derjenigen, die darauf warten, dass die VÖs kostenlos werden, sind Liebhaber, die hier und da runterladen, aber denen es nicht so wichtig ist, ob die Musik neu ist oder nicht.“

Für Thinner, die als Netlabel alles erreicht haben, was möglich ist, ist es vor allem auch die Neugier „ob wir von 200 Downloads sprechen oder 2000 oder von 20. Es zählt, dass wir neue, interessante Ziele haben und wir aus der ’Mottenkiste’ Netlabel, die sie vor allem in der Außenwirkung ist, rauskommen. Durch diese Entscheidung hat sich für uns viel geändert.“ Einfach war die Entscheidung für Sebastian nicht.

„Wir haben uns nur schwer mit den Bezahl-Downloads angefreundet und sind uns auch völlig klar, woher wir kommen, worauf der Mythos Thinner beruht. Nämlich nicht auf den Künstlern, sondern auf dem Konzept, der Marke Thinner. Von daher werden wir viele Leute vor den Kopf stoßen. Andererseits gab es aber auch oft Leute oder Künstler von uns, die fragten, wann eine Platte kommt. Gerade für Künstler wie Marko Fürstenberg, der auf den angesagtesten Labels Platten rausbringen kann, macht das keinen Sinn, seine Musik weiter zu verschenken. Es ist schade für uns, wenn wir jahrelang Künstler wie ihn aufbauen, er uns cool findet, ihm aber die Business-Grundlage fehlt. Diese Künstler möchten wir nicht verlieren. Deswegen waren wir auch aus dieser Perspektive gezwungen zu handeln.“

Matthias Schubert von Statik Entertainment startete seinerzeit das Netlabel Instabil, um „Tracks zu veröffentlichen, die es auch auf Vinyl geschafft hätten, aber aufgrund der Masse bei Statik erst spät hätten berücksichtigt werden können.“ Für ihn war es ein schwerer Schritt, sich von Creative Commons zu verabschieden und zum reinen Digitallabel überzugehen. „Aber es ist letztendlich eine faire Geschichte für den Artist, der nun für seine Mühen und geistige Urheberschaft einen Profit generieren kann.“

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Bei Insectorama sieht man der Zukunft gelassen entgegen und forciert auch weiterhin die freie und durch Creative Commons gestützte Musikkultur. „Es ist die Philosophie meines Labels, die Tracks zum kostenlosen Download anzubieten. Somit kann es jedem, der Zugang zum Internet hat, ermöglicht werden, sich sehr hochwertige, gute Musik anzuhören.“ Das Tempo der Veröffentlichungen ging auch bei Stadtgruen herunter, das liegt jedoch mehr an Zeit- als an Motivationsproblemen.

„Ich studiere, arbeite, mache selber noch Musik. Da muss das Label, das man quasi als Open Source nebenbei macht, als erstes zurückstehen. Wir machen das hobbymäßig weiter, auch weil wir uns in der Szene einen relativ guten Namen gemacht haben. Es wäre schade, das Ganze versauern zu lassen. Und wenn wir Künstler finden, die sich mit uns identifizieren können und ihre Musik kostenlos zur Verfügung stellen, dann machen wir das.“

Paradoxe Produzenten, gute Aussichten
Warum jedoch Vinyl heute noch so einen extrem hohen Stellenwert hat, ist nicht immer ganz klar, fügt Matthias hinzu. „Das Paradoxe ist: Es kauft kaum noch jemand Schallplatten, aber dem Künstler ist es trotzdem wichtig Vinyl zu veröffentlichen. Das ist als Qualitätsmaßstab immer noch das Nonplusultra.“ Sebastian differenziert das und zeigt, dass Netlabels auch in der Zukunft eine Sache sein werden, die nicht einfach ersetzbar ist.

„Eine EP von uns lädt sich im Schnitt 15.000 Mal innerhalb der ersten drei Monate runter. Selbst wenn sich das nur jeder dritte komplett anhört, sind das immer noch 5000. Eigentlich ist jeder Release von uns ein Hit. Für viele Künstler der größte überhaupt. Nur kommt davon nicht die Butter aufs Brot (lacht). Das ist absurd. Künstler denken da oft zu kurzfristig. Gerade für eine langfristige Künstlerstrategie sind Netlabel ein absolut zentrales Tool, weil diese Releases Bestand haben. Wenn es auf einem guten Netlabel herauskommt, wird das häufig heruntergeladen und es zementiert sich im Netz. Aber viele Künstler schließen das aus. Für die macht es mehr Sinn, eine 300er- oder 500er-Auflage Vinyl herauszubringen, als mehrere zehntausend Mal heruntergeladen zu werden. Da wird noch ein bisschen kurzfristig gedacht. Schau dir mal an, wer momentan die interessantesten Artists sind. Johnny D, Sascha Dive, bei Ornaments Marko Fürstenberg und Sven Tasnadi, Daniel Stefanik. Das sind alles junge Künstler einer neuen Generation, die ihre ersten Gehversuche im Netz gemacht und begriffen hat, dass man das auch gut für sich nutzen kann.“

Links:
Insectorama
Stadtgruen
Thinner; Thinnerism
Archipel
Instabil

Fotos under cc by MarcoSZ; Alpha Six

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Draußen Sonne, drinnen Italo

Für mich war Italo der Sound des letzten Sommers, für Subliminal_Kid und JanJ startet er dieses Jahr erst so richtig durch. Welche Seite Recht hat, ist tendenziell auch egal. Hatte die Groove doch schon vor 4/5 Jahren mit einem Bericht über Bernhard Mikulskis Trash- und Kult-Label Zyx eine Italowelle ausgelöst, die für Zuspätgeborene durch den feinen Katalog des Rotterdammer Labels Clone Records entsprechend nachgeholt werden konnte.

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Eine schicke Best Of von Italo-Ikone Fred Ventura, die von den Beneluxnern um Clone (Alden Tyrell, I-F,…) sehr behutsam veredelt wurde, zeigt die extrem schmalzige Facette des italienischen Synthie-Schlagers, was man Fred und Alden auf dem Foto aber nicht ansieht.

DJ Serge mixte bereits vor drei Jahren eine schnieke Compilation, die auch Chicago und Düsseldorf auf den Riminiurlaub einlädt. Und so wird in Den Haag dazu getanzt:

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Heute morgen beglückte uns dann vollends Lina Goldberg mit einer Liste voll Italo Hammers. Mit dabei mein Alltime-Favourite „Plastic Doll“ des One-Hit-und-danach-never-heard-of-Wonders Dharma, der selbst für Lost-Verhältnisse zu abstrus erscheint um als Namensgeber der Initiative herzuhalten.

Pics under cc via & via

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Chicago Hip House Documentary [1989]

Bei manchen Dokumentationen wünscht man sich ja geradezu sie selbst gedreht zu haben. Im Falle der Chicago Hip House-Doku gilt außnahmsweise die Ausrede der zu späten Geburt, denn damals war ich sogar zu jung um diese Musik überhaupt wahrnehmen zu können. Umso exzessiver habe ich einige Jahre später die Meilensteine dieses extrem tanzbaren Crossover aus House und Hip Hop von u.v.a. Fast Eddie, Tyree Cooper und DJ International Records gesammelt.

Die Doku featured diese Künstler sowie Bill Coleman, KC Flightt, Precious, Sundance und viele mehr…


Chicago Hip House Documentary 1989

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School of Stylez [Vol.2 – Dub, Grime, Dubstep] – Teil 1

Ein Gespenst geht um in Europa: Dub, Grime, Dubstep. Seit den frühen 90er Jahren mit Techno, Breakbeat und TripHop, so wage ich zu behaupten, hat es keinen derart neuen Sound in der Popmusik gegeben. Was ist Dub? Was ist Grime? Was ist Dubstep?!

Sie mögen sich nun, liebe Leser, zurückgelehnt haben und zu sich selbst sagen: „Törichtes Gedröhne! Muss ich mir das antun? Musik von Underclass-Kids mit mangelhafter Bildung und Migrationshintergrund, aus Großstadtghettos, mit Gewaltpotential … da ist ja nicht mal ne richtige Melodie bei.“ Und Sie mögen damit recht haben. Aber Tatsache ist: Das Zeug rockt wie die Hölle.

Ich werde mich an einer Darstellung der Phänomene Dub, Grime, Dubstep versuchen, die sich an folgenden drei Disziplinen der Musikwissenschaft orientiert: Musikgeschichte, Musiktheorie, Musikethnologie. Welche historischen Wurzeln hat Dub? Lässt sich eine Theorie des Grime formulieren? Wie hat man sich eine Ethnie Dubstep vorzustellen, also einen Stamm, der Dubstep produziert und konsumiert?

Ich suche das Gespräch und fahre mit der Straßenbahn nach Berlin-Friedrichshain. Mein Weg führt mich in die Mainzer Straße zum Plattenladen Tricky Tunes. Sie werden es schon ahnen, liebe Leserinnen und Leser, es handelt sich hier um den wahrscheinlich coolsten Plattenladen der Stadt. „Bassline Provider“ steht auf dem Ladenschild geschrieben, und der Mann, den ich hier treffe, kann mit Fug und Recht „Koryphäe“ genannt werden. Dean Bagar alias Tricky D, seines Zeichens DJ, Besitzer von Tricky Tunes und Owner des gleichnamigen Labels. Seinen Laden betreibt er seit sieben Jahren. Seit Anfang der 90er lebt er in Berlin, davor war er ein paar Jahre in London. Geboren und aufgewachsen ist er im heutigen Kroatien, und gerade kommt er von einer Reihe von Veranstaltungen in europäischen Ländern zurück, bei denen Dean als Tricky D mit seinem Soundsystem mitgewirkt hat.

„Dub entwickelt sich. Es ist wirklich eine sehr, sehr breite musikalische Richtung, wenn es um Dub geht. Die Wurzeln liegen auf jeden Fall im Reggae.“

Zu Beginn der goldenen 70er Jahre wurde in Jamaika eine Musikproduktionstechnik entwickelt, die in den folgenden Jahrzehnten eine ungeahnte Wirkung auf die gesamte Ästhetik der Popmusik haben sollte. Es war eine sanfte Revolution, die hier in den Tonstudios der Karibik ihren Ausgang nahm. Sie bestand im schlichten Weglassen der meisten Tonspuren eines Reggae-Songs, bis nur noch Rhythmus und Basslinie übrig blieben. Aus dieser rhythmisch-harmonischen Verdichtung konnten im zweiten Schritt neue Klangräume erschlossen werden.

Durch Ein- und Ausblenden, Zu- und Wegschalten der Gesangs- und Instrumentalspuren mit reichlich Hall und Echo. Der Akt der Umwälzung vollzog sich also auf medialer Ebene: Das Mischpult im Tonstudio wurde zum Musikinstrument. Von der Dub-Technik zum „Musikant mit Taschenrechner in der Hand“ war es nur noch ein Schritt.

Der Einfluss des Dub, der inzwischen eine eigene musikalische Richtung geworden ist, ist stilübergreifend und international. Seinen Niederschlag fand er zweifelsohne in der neuen Elektronischen Musik der Gruppe Kraftwerk, deren „Trans Europa Express“ wiederum den frühen amerikanischen HipHop geprägt hat, der seinerseits im Funk eines James Brown wurzelt.

So entwickelte sich ein Sound für die Zukunft: Dub-Ästhetik, Mensch-Maschinen, Funkyness und die Power der Deklassierten.

Fortsetzung folgt…

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Italo Disco 2.0 – Sound Of The Season

Wenn es um die Vorausahnung von musikalischen Trends geht, habe ich mich meist süffisant grinsend zurückgelehnt und dem geharrt, was da wohl kommen werde. Entgegen dieser Gewohnheit wage ich in diesem Post einen hellseherischen Ausblick auf den musikalischen Trend im Frühling/Sommer 2009. Sollten die Vorhersagen nicht eintreffen, werde ich diesen Post selbstreden und stillschweigend löschen und alles gesagte abstreiten, aber es sollte mich doch sehr wundern, wenn wir nicht kurz vor einem Italo Disco-Relaunch stehen.

Kurz zur Begriffsbestimmung: Italo Disco ist ein Subgenre der elektronischen Musik der 80er Jahre und insofern auch ein Subphänomen des 80er-Jahre-Revivals. Zum Einsatz kamen zeitgemäße Instrumente wie Synthesizer, Keyboards und Drumcomputer – in einer vielleicht am ehesten als laff oder lasch zu bezeichenden Spielart.

Aus der Dialektik produktionsökonomischer Notwendigkeit (die Disco-Produktionen der 70er Jahre waren durch die vielen Studiomusiker extrem teuer) und der Experimentier- und Feierwut der Musiker, entstand der hedonistische, leichte, sphärische Sound mit eingängigen, leicht tanzbaren und nicht ins Extreme gehenden Beats.

In den besten Momenten erreichte Italo Disco den Glanz eines Post-Parliament-Funks (mehr Vodka-Red Bull als Ecstasy).

Durch verschwenderischen Einsatz von Popsternchen mit Samantha Fox-Stimme kam zusätzlich eine fast Punk zu nennende materialästhetische Komponente: die von vorne herein mit einer Halbwertszeit von wenigen Wochen kokettierende 12″-Single und die oft von mindertalentierten Comiczeichnern entworfenen Cover, eine Art naiver Generation-Golf-Neo-Impressionismus bzw. Surrealismus.

Anthonys Games – Silent Smiles
Anthonys Games - Silent Smiles

Peter And The Wolf – Dito
Peter And The Wolf

[via webdjsitalodisco.ch]

Der Ur-Sound findet sich auf der laut.fm-Station Italo Disco, eine Flasche Lambrusco sollte bereitstehen:


Was nun Italo Disco 2.0 angeht, dieser Sound formiert sich gerade – in einer zeitgemäßen ’stripped-to-the-bones‘ Variante – im Netz in Form von Mixen und myspace-Releases, wie z.B. der unlängst gepostete mysteriöse Mark E auf Jiscomusic, der grossartige (der Name ist Programm) mit seinen euphorisierenden Dubs und Edits längst vergessener Hits, das Label Glossy Edits und meinetwegen auch die Endorphinmachine Erobique.

Schublade auf, Style rein, viel Spaß beim Feiern!

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jahtari.org – 8Bit Dub

Was hat ein C64 mit Dub zu tun?

Für Follower der wahren Lehre von King Tubby, Scientist oder Lee ‚Scratch‘ Perry wahrscheinlich gar nichts, bis auf eine zufällige chronologische Überschneidung der Entwicklungsperiode. Wer aber – wie ich – das Wort Dub zum ersten Mal auf einer 88er Acid-12″ gelesen hat und eine minimalistische und roughe Dekonstruktion der klassischen Vers/Refrain-Struktur damit verbindet, dem leuchtet vermutlich die materialästhetische Verwandtschaft eher ein.

Die Struktur eines Dub-Tracks basiert auf dem Minimalismus von Riddim, Bass und Sound und ein ähnlich reduziertes Setup stand auch den C64-Soundchip-Pionieren und 4-Spur-Trackerprogrammen auf Atari 1040 ST und Amiga 500 zur Verfügung. Was läge da näher als die programmatische Rezeptur von Dub (die im klassischen Sinne Deepness erzeugt) mit den technischen Grenzen von digitaler Musikproduktion im 8bit-Zeitalter zu kreuzen?

Das Leipziger Digital Laptop Reggae-Label jahtari.org definiert das selbstentwickelte Genre folgendermaßen: DLR ist strikt Riddim-basiert, wird mit nichts als einem Laptop produziert und ist folglich 100% digital. Laut jahtari.org-Vordenker disrupt ist die ständige Spannung und Unvorhersagbarkeit von Dub das konstitutive Element.

disrupt, der vom Digital Hardcore und Drum n‘ Bass kommt, hat mit seiner Net-EP A Fistful Of Dub auf phonocake.org der Legende nach den Digital Laptop Reggae sogar erfunden.

Auf dem LoFi-Stück Argument zeigt disrupt, was mit dem Subgenre Dub Chiptunez gemeint sein könnte, wenn er einen deepen, dubby Riddim auf C64-Soundchip-Bleeps treffen lässt und damit die Schnittstelle zwischen 8Bit und Dub definiert oder eben den klassischen Reggae in die digitale Kultur überführt.

[audio:http://www.archive.org/download/phoke24/phoke24-_-03-_-disrupt-_-argument.mp3]
disrupt – Argument

A fistful of dub

Download A Fistful Of Dub

Nun mag der aufmerksame Leser einwenden, dass in der modernen Laptop-Welt von technologischen Grenzen keine Rede mehr sein kann, doch wird bei der Produktion von Digital Laptop Reggae – trotz oder gerade wegen Ableton Live – Reduktion und emulierter 8Bit-Sound großgeschrieben. So haben zum Beispiel Bo Marley, Volfoniq und disrupt auf der EP Jam’in Sauce einen grossartigen Impro-Jam in Montpellier mit lediglich einem Roland SH-1, eiem alten Korg Organ, einem Boss Dr. Rhythm, zwei Laptops und ein paar Controllern hingelegt.

Download Jam’in Sauce

Ein tolles Netaudio-Mixtape mit Digital Laptop Reggae hat das Kraftfuttermischwerk im letzten Jahr herausgebracht und die scheinen von jahtari.org ähnlich begeistert zu sein wie ich:

[audio:http://www.kraftfuttermischwerk.de/mixtapes/drei/das_kfmw_%20-_%20netaudio_mixtape3_-_digital_laptop_reggae.mp3]
Netaudio-Mixtape III – Digital Laptop Reggae
[via kraftfuttermischwerk]