Der Pariser Gesellschaftstheoretiker Brian Holmes moderierte, zusammen mit dem deutschen Leiter des Fachbereichs Multimedia & IT der bpb Thorsten Schilling, die Session 2: Embedding Fear – The Internet and The Spectacle of Hightened Alert auf der Transmediale 08.
Thema waren die Gefahren, die für Kultur und Identität enstehen, wenn die Freiheit der Kommunikation in einen Konflikt mit einem ‚war on terror‘ gerät.
Brian Holmes eröffnete das Panel mit der These, das die Gesellschaft ein so komplexes Model sei, dass man eine Art faithwork brauche, um ein Vertrauen in Systeme zu erzeugen, die der Einzelne nicht überprüfen kann. Als Beispiel nannte er das Vertrauen, das Menschen in Architektur haben, nicht weil sie den Architekten trauen, sondern dem Expertensystem des Architekturstudiums. Holmes Konklusion:
„Surveillance is an expert system to create faith and reembed humans into modern society“
Als nächstes kreierte der Künstler und Autor Naeem Mohaiemen eine Pseudo-Biographie mit dem Titel How A Google Search Ruined My Day.
Er sieht Airport Security als eine Art Performance Kunst, in der der Fluggast eine unauffällige und harmlose Person darstellen muss, um erfolgreich zu sein.
In Mohaiemens Fiktion googelt die Airport Security seinen Namen und erhält aufgrund seiner publizistischen Tätigkeit und der Freundschaft mit einem Araber, der wiederrum mit einem potentiellen Verdächtigen zur Schule ging, eine alarmierende Auskunft. Eine andere Suche fördert ein süsses Babyfoto von ihm zutage.
Mohaiemens führt hier vor, wie eine ausführliche Google-Recherche verschiedene Realitäten konstruieren kann. Naeem Mohaiemen betreibt auch ein eigenes Blog.
Der Berliner Journalist Yassin Musharbash, Autor des Buches Die neue Al-Qaida – Innenansichten eines lernenden Terrornetzwerks, berichtete über dich sich durch das Internet verändernde Struktur von al-Qaida.
Ein sehr amüsanter Fall seiner Recherche war das virtuelle Kidnapping eines US-Soldaten durch eine – bis dato unbekannten – Terrorgruppe. Das verwendet Beweisfoto wurde als Foto einer GI-Actionfigur entlarvt.
Die schwere Unterscheidbarkeit von Fake und Original im Internet wird laut Musharbash auch für al-Qaida gefährlich, da auch sie nie wissen können mit wem sie kommunizieren. Ironischerweise wurde dies intern durch Online-Schwur gelöst, dem die Muslime vertrauen!
Als letzte Teilnehmerin sprach Loretta Napoleoni, Autorin des Buches Die Ökonomie des Terrors, die u.a. Regierungen zu Anti-Terrorismus-Strategien berät.
Auch Napoleoni spricht von den politics of fear oder gar der industry of fear, also eine Verschwörung, die fiktionale Szenarios kreiert, um Angst zu erzeugen und dann eine konsumierbare Lösung zu präsentieren.
Als fast schon historisches Beispiel nannte sie den Duck And Cover Atom Bomb Film, der von United States Civil Defense produziert wurde, um – laut Napoleoni – „air raid sirens and fallout-shelter“ zu verkaufen.
Napoleoni belegte anschliessend anhand von Statistiken, dass Terrorimus in Europa und Nordamerika, im Vergleich zu anderen von Terrorismus heimgesuchten Regionen, fast überhaupt nicht stattfindet.
Ein IRC-Teilnehmer verwies an dieser Stelle auf den Film The Power Of Nightmares von Adam Curtis, der den Aufstieg des radikalen Islamismus mit dem der amerikanischen Neo-Con-Bewegung vergleicht und starke strukturelle Ähnlichkeiten herausarbeitet.
Anschließend an Napoleonis Ausführungen warf Thorsten Schilling ein, dass man die industry of fear nicht ausschliesslich bei den Politikern suchen dürfe, vielmehr würde das die Verschwörungstheorie unglaubhaft machen. Tony Blair habe schließlich seinen Job verloren, weil er ein Agent der politics of fear gewesen sei. Schilling wies auf die privaten Massenmedien hin, die weitaus mehr für eine Kultur der Angst verantwortlich seien.
Die Veranstaltung endete dann ein wenig konfus, da eine der TeilnehmerInnen sich vom neuen Barcode-Kassensystem der Transmediale in ihrer informationellen Selbstbestimmung gefährdet fühlte, was zu ausführlichen Statements führte.