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The Greying Of The Commons

Der Autor und Kulturtheoretiker Felix Stalder und der Soziologe und Medienforscher Volker Grassmuck moderierten die Session 03: Greying of The Commons: IP, The Law and The Street auf der Transmediale 08.

Transmediale Session 3

Als erste Teilnehmerin sprach Eva Lichtenberger, die für die österreichischen Die Grünen im Europäischen Parlament als Abgeordnete sitzt und Mitglied der Initative Open Mind – Open Source – Open Europe ist.

Als größtes Problem nannte Lichtenberger den Umstand, dass die EU versuche den Unterschied zwischen materiellen Gütern und nicht-materiellen Gütern wie Software, Musik und Video zu verwischen. Dies geschehe oft aus Unkenntnis seitens der darüber entscheidenden Politiker über die sozialen Praxen in der jüngeren Generation. Von der Gleichsetzung materieller und nicht-materieller Güter, sei der Schritt zu einer Kriminalisierung von Peer2Peer-Usern nicht mehr weit.
Die Kampagne: I Wouldn’t Steal, I Share soll hier aufklären.

Intellectual Property Rights stehen laut Lichtenberger, durchaus im Fokus des EU-Parlaments, u.a. auch als neues Machtinstrument der sog. entwickelten Welt gegenüber der sog. Dritten Welt.

Der für Binnenmarkt und Dienstleistung zuständige EU-Kommissar Charlie McCreevy sähe die Massenklagen gegen Downloader gar als neue Einkommensquelle. Lichtenberger machte dagegen den Vorschlag, private User aus dem Strafrecht auszuklammern. Die Legislative müsse dringend darauf hingewiesen werden, das Rechtsprechung nicht gegen die herrschende soziale Praxis erfolgen könne.

Als nächster Teilnehmer sprach Rasmus Fleischer vom schwedischen Piratenradio Piratbyran. Er berichtete zunächst über den merkwürdigen Umstand, dass ein Index-Archiv für frei erhältliche Files im Internet – wie PirateBay – von den schwedischen Behörden gesperrt werden soll, während ein kommerzieller Anbieter wie rapidshare illegalen digitalen Content zum Download gegen Geld anbietet und bis heute unangetastet blieb. Auch Google würde schließlich Piraten-Files indizieren und verlinken.

Die File Sharing Debatte bezeichnete Fleischer als

„strange theatre where nobody knows where’s the stage or who are the actors“

Weiter berichtete er von der geplanten ISP-Responsibility, also der Verantwortung der Internet Service Provider bestimmte Inhalte zu blocken oder zu filtern. Dies würde bedeuten, dass die ISPs gezwungen werden, Filesharern den Zugang zum Internet zu verweigern und in letzter Konsequenz eine Blacklist zu veröffentlichen, die an alle ISPs weitergegeben wird.

Fleischer schloß seinen Beitrag mit der Frage ob man wirklich in das Spektakel der Debatte um Copyright Issues einsteigen solle, oder ob es nicht eher darauf ankäme, genauere Gesetze zu schaffen, die die verschiedenen Kontexte kultureller Produktion berücksichtigen.

Der Chef des Musiklabels Hausmusik, Wolfgang Petters, dessen Label aufgrund der Einbußen durch illegale Downloads dichtmachen mußte, sprach von einem Verkauf von 600 Millionen physikalischen Tonträgern im Jahre 2007 und somit einem Rückgang von 40% seit 2003. Der digitale Download sei aber keine Lösung oder Ersatz für physikalische Tonträger. Die neue Generation habe noch nie Geld für Musik ausgegeben und private Musikpiraterie würde deshalb irgendwann zwangsläufig legal werden müssen. Die geschäftliche Nutzung werde aber zu bezahlen sein.

Für die Musiker ist das laut Petters jedoch keine Katastrophe, da diese nur eine Homepage, einen Merchandiser, ein Mailoderlisting, einen Downloadanbieter und einen Konzertveranstalter bräuchten, um sogar mehr Geld zu verdienen als vorher. Der Erlös durch den Verkauf von Tonträgern sei früher eh von Vertrieb, Label usw. aufgefressen worden.

Als Beispiel nannte Petters Madonna, die durch den Verkauf von 1,7 Mio Einheiten ihrer letzten Platte ca. 2 Mio US$ verdient haben dürfte. Dem gegenüber stünden 200 Mio US$ durch den Erlös aus dem Verkauf von Konzertkarten.

Wieder sprach er von einer Legalisierung des privaten Gebrauchs und einer kostenpflichtigen kommerziellen Nutzung, wozu durchaus auch werbefinanzierte Seiten wie myspace gehören sollten.

Abschließend erwähnte er noch den Download-Anbieter Qtrax, der mit 25 Mio. Tracks zum freien Download wirbt und sich durch Werbebanner finanziert. Qtrax behauptete Veträge mit allen Rechteinhabern geschlossen zu haben, was aber bereits heftig dementiert wurde.

Der Regisseur Alan Toner, der die Filme Steal This Film I und II produziert hat, sprach als nächster Teilnehmer.

Toner berichtete aus dem fiktiven Tagebuch eines p2p-Users. Dabei bestand auch er auf einem großen Unterschied zwischen Direct Download-Anbietern wie rapidshare und megaupload und p2p-Netzwerken.

Den Umstand, dass es 32.000 Stunden Videomaterial im Netzwerk gebe, bezeichnete er als philosophisches Problem, da kein Mensch dies alles sichten, geschweige denn verarbeiten könne. Abschließend erwähnte er noch die – seiner Ansicht nach – bereits erfolgte Demokratisierung der Produktion, Distribution und Aufführung von Film, exemplarisch am Berliner Projekt pirate cinema.

Steal This Film II

Volker Grassmuck, der als Respondent fungierte, führte, als Lösung für das debattierte Problem, das Modell der Content Flatrate ins Feld. Da die Industrie habe lernen müssen, dass Datenkrytographie von Massenkonsumwaren sinnlos ist (die Softwareindustrie in den 80iger und die Musikindustrie in den 00er Jahren), sei dies das einzig realistische Modell. Viele Internet-User seien bereit eine monatliche Gebühr für eine Content-Flatrate zu bezahlen.

Als kleinen Erfolg wertete er das neue Copyright-Gesetz in Deutschland vom 1ten Januar 2008, das DRM geschützte Werke aus der Teilhabe an der Gebühr ausschließt, die allgemein auf den Verkauf von leeren Datenträgern wie CD und DVD erhoben wird. Dies zwänge die Content-Provider sich zwischen DRM oder den Einnahmen aus Mediumverkäufen zu entscheiden.

Tim Renner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Universal Music Group, habe erst kürzlich gesagt, das eine Flatrate das Modell sei, das dem Internet und seinem Spirit am ehesten gerecht werde. Argumente für eine Flatrate fänden sich auch auf der Site songwriter.ca.

Die Lösung von Nokia, die mit der neuen M-Serie eine Flatrate für Universal Content anbieten (wofür sie 5$ pro Monat und Kunden an Universal bezahlen), nannte Grassmuck als Negativbeispiel, da der Erlös einer Flatrate gerecht aufgeschlüsselt werden müsse.

Als ich nach dem Transmediale-Tag nach Hause fuhr, beobachtet ich drei ca. 14jährige Jugendliche beim gemeinsamen Hören ihrer mp3-Bibliothek. Das Mädchen entschuldigte sich bei ihren Freunden mit folgenden Worten:

„Die Lieder sind alle ein bisschen alt, weil ich nichts mehr aus dem Internet runterlade. Ich hatte Angst, dass die mich erwischen und da habe ich alle Programme von meinem Computer gelöscht.“

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