@rumpusQ – 13.03.15 – 13:12 Uhr
Hi!
Essay über den Wandel der Unterhaltung klingt gut. Spontan fällt mir da schon folgender Titel ein: »Networking, Storytelling, Prosuming und kein Ende?«
– vielleicht ein etwas zu gigantomanisches Framing, aber du weisst ja, bei mir hängt immer alles mit allem zusammen … Trotzdem mal kurz zur Begriffsklärung:
Storytelling deswegen weil dies eine zentrale Kategorie in der menschlichen Kommunikation zu sein scheint. Habe erst kürzlich einen Artikel von so einem Kybernetik-Neuroscience-Zombie gelesen, der mit diesem Foto beginnt:
via
Das Ganze liest sich dann in etwa so:
»Brand managers must understand how consumers engage on an emotional level in order to accurately predict whether their advertising or any other media content will truly resonate … We’re not just sitting around a campfire quietly listening to stories anymore.«
Es geht diesen Menschen nicht darum die von dir erwähnten Zwecke (Legendenbildung, Sinnstiftung, News) zu bedienen, sondern um herauszufinden wie sich die Aufmerksamkeit eines Netzwerk-Teilnehmers ideal in Kohle umsetzen lässt:
Attention Span * Tausend-Kontakt-Preis = Revenue Stream
Dies ist umso schwieriger geworden, als der Mensch im Netzwerk öffentlich geworden ist. Ich denke, dass auch schon vor Hunderten von Jahren fast alle Menschen ihren Kindern und ihrer peer group Geschichten erzählt haben. Aber sie sind nicht in direkte Konkurrenz mit den von dir erwähnten professionellen Storytellern (Hofnarren, Jahrmarktsgaukler, Wahrsager) getreten. Tun sie aber heute, da sie zu Prosumern geworden sind. Im Netzwerk stehen sich die Teilnehmer erstmal gleichwertig* gegenüber (YouTube, facebook, Instagram, Twitter). Dies kann professionellen Storytellern nicht gefallen …
(Wie hätte ein Gaukler reagiert, wenn neben ihm 35 Amateure angefangen hätten Feuerspucken und Handlesen zu praktizieren? – Wahrscheinlich genauso wie heute die großen Zeitungsjournalisten gegenüber den Kapuzenjournalisten – mit Arroganz und Verleugnung)
Die Silicon Valley Giganten haben das schon vor ca. 15 Jahren erkannt und sind dazu übergegangen die Feuerstellen (Online-Plattformen) zu vermieten und mit Werbung vollzukleistern. Die Storyteller sind nur Rohmasse für eine Wertschöpfung an anderer Stelle.
Soweit also zu den Begriffen Storytelling, Network und Prosumer …
Demokratisch finde ich das nur im vulgärsten Wortsinn. Allerdings kann ich keinen Imperativ an die digital natives erkennen, ihre »Mitbewohner umsonst zu unterhalten, zu bilden, zu belehren« In meinen Augen ist es tatsächlich so, dass der Drang der Menschen sich mitzuteilen auf einen Aufmerksamkeitskrieg im Netzwerk trifft. Und dann wird kommunikativ aufgerüstet.
Das eigentliche Problem ist aber wahrscheinlich, dass diese Menschen kein echtes Feedback mehr bekommen (das Kind schläft nach der Geschichte ein, der Dorfkollege lernt wie seine Sippe entstanden ist, der Dorfälteste wird mit Respekt behandelt, am Lagerfeuer bekommt man das Bier umsonst). Da sowieso alle inzwischen Narzissten sind, schreien sich alle gegenseitig an und sind ständig gekränkt, nicht genug Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist das Geschäftsmodell der Sirenenserver (Instagram, Google, facebook, twitter, tumblr etc.)
Die von dir erwähnte »Zentralbank der Aufmerksamkeit« gibt es also tatsächlich, da sich Aufmerksamkeit (attention span) nach der oben genannten Formel in Kohle umsetzen lässt. Und die Zentralbanken facebook und Google lenken den »attention stream«, gewähren Aufmerksamkeitskredite und strafen auch schonmal ab, wenn jemand nicht nach ihren Regeln spielen will (vgl. Bild gegen Google)
Schlechte Zeiten für professionelle Storyteller würde ich sagen. Mindestens für die, die darunter mehr verstehen als optimierten audience flow und Zielgruppentargeting.
Überzeug mich davon, dass ich zu schwarz sehe …
Sub_Kid
(* Natürlich sorgen clevere Algorithmen dafür, dass dem nicht wirklich so ist. Aber der Ausgangszustand der Ideologie des Netzwerks war erst mal dieser, behaupte ich …)
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