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Ars Gratia Artis? – Part IV

Für einen kreativen Umgang mit Original, Imitation, Copyright und Starsystem

(Fortsetzung von Part III)

Erhängt den letzten Star an den Eingeweiden des letzten Originals

Wer plant als Kulturproduzent_in ein anständiges Leben zu führen, sollte es von Anfang an ablehnen seine Arbeit umsonst anzubieten, auch wenn es eine stetig nachwachsende Armee von willigen Praktikant_innen gibt, die diese Lektion noch schmerzhaft lernen muss. Jede(r), der einem kommerziellen Provider ein Kulturprodukt umsonst überlässt, verschlechtert die eigene ökonomische Situation, die Verhandlungsposition anderer Kulturproduzent_innen und den Tauschwert der Ware Kultur. Solange die Konzepte zur alternativen Kompensation von Künstler_innen noch in den Kinderschuhen stecken, ist die Kulturindustrie und ihr Copyright-System ein unvermeidbarer Verhandlungspartner. Trotzdem müssen die Kulturproduzent_innen das Ideal einer sich frei und ungehindert entwickelnden Kultur nicht aufgeben. Es ist möglich die Arbeit anderer als Grundlage für die eigene Produktion zu nutzen und trotzdem das Recht dieser auf ihr geistiges Eigentum zu respektieren.
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Ars Gratia Artis? – Part III

Für einen kreativen Umgang mit Original, Imitation, Copyright und Starsystem

(Fortsetzung von Part II)

Der Kult um den Star

Aber diese Punkte beantworten nicht die Frage, warum sich so viele Kulturproduzent_innen überhaupt mit dem Status der un(ter)bezahlten Contentproduzent_innen abgeben, wenn sie doch eigentlich davon leben wollen?
Der Sektor der Kulturproduktion ist, wie viele Branchen die von der Selbstausbeutung und Prekarisierung ihrer Produzent_innen leben, ein Starsystem. Dieses Starsystem entwickelte das warenproduzierende System laut Guy Debord aus dem historischen Umstand, dass „die Unzufriedenheit selbst zu einer Ware geworden ist“ (1), der arbeitende Mensch somit nach seiner „Selbstverwirklichung“ strebt, die gleichsam als Lebensziel an sich erscheint:

Die Stars sind da, um unterschiedliche Typen von Lebensstilen und Gesellschaftsauffassungen darzustellen, denen es global zu wirken freisteht. Sie verkörpern das unzugängliche Resultat der gesellschaftlichen Arbeit, indem sie Nebenprodukte dieser Arbeit mimen, die als deren Zweck magisch über sie erhoben werden: die Macht und die Ferien, die Entscheidung und der Konsum, (…)

Nur mit der Aussicht auf größere Macht, mehr Aufmerksamkeit und einem lebenswerteren Leben mit den Privilegien eines Stars (2), bzw. der erfolgreicheren und einflussreicheren Kulturarbeiter_innen im gleichen Arbeitsfeld, lässt sich die Bereitschaft erklären, temporär unter dem Lohnniveau (oder für kostenlosen Kaffee) zu arbeiten. Gewerkschaften und Tarifverträge erscheinen unter der Hypnose des Starsystems natürlich als restriktive Relikte einer vergangenen Zeit.
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Ars Gratia Artis? – Part II

Für einen kreativen Umgang mit Original, Imitation, Copyright und Starsystem

(Fortsetzung von Part I)

Die Gesellschaft des Zugangs

In Access beschreibt Rifkin den Umbau der klassischen Eigentumsökonomie in eine Ökonomie des Zugangs:

Netzwerke treten an die Stelle der Märkte, Verkäufer und Käufer werden zu Anbietern und Nutzern, und was bislang käuflich war, wird ‚zugänglich‘. (1)

Die von Rifkin seinerzeit nur erahnte Flut von sozialen Netzwerken, Content-Plattformen und Apps, die zumeist durch Werbung finanziert werden, und die zunehmende Trennung des Online-Datenstroms in funktionale Teilbereiche wie Video, Audio, VoIP und Gaming ist ein deutliches Merkmal dieser Entwicklung.

Geistiges Kapital (…) wird allerdings kaum ausgetauscht. Stattdessen steht es unter der Verfügung von Anbietern, die es potentiellen Nutzern zur begrenzten Verfügung verleihen oder in Lizenz vergeben. (…) Überall auf der Erde bauen transnationale Medienkonzerne weltumspannende Kommunikationsnetze auf und beuten lokale Ressourcen aus: neu verpackt als Unterhaltungsprodukte und Kulturware.

Und das Ernüchternde: Wir, die Kulturproduzent_innen, sind auf das Funktionieren dieses Systems angewiesen, wenn wir mit dem Ergebnis unserer immateriellen Arbeit einen Gewinn erzielen, also überleben, wollen. Trotzdem sollten wir uns nicht in die Debatte um den immanenten Wert von Original und Imitation verwickeln lassen, sondern möglichst nüchtern die Funktion immaterieller Rohmaterialien analysieren.
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Ars Gratia Artis? – Part I

Für einen kreativen Umgang mit Original, Imitation, Copyright und Starsystem

Originaltext erschienen in testcard #21

Selber als Autor und Regisseur tätig, beobachte ich eine zunehmende Bereitschaft von Kulturproduzent_innen (1) ihre Arbeit für geringe oder gar keine Entlohnung an die Kulturindustrie abzugeben, in der diffusen Hoffnung auf bezahlte Folgeaufträge oder mit dem abstrakten Wunsch „sich einen Namen“ zu machen. Dabei konkurrieren sie, anstatt sich als Klasse von immateriellen Produzent_innen zu begreifen, um die vermeintlich knappen finanziellen Mittel. Kein Sektor produziert mehr prekäre Arbeitsplätze als der kulturelle. Die Mehrheit der Kulturproduzent_innen erhält nicht einmal, wie im klassischen Erwerbsleben üblich, die Lebenshaltungskosten. (2) Laut den Statistiken der Künstlersozialkasse liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen von Bildenden Künstler_innen unter 40 bei 11.160 Euro, das von Musiker_innen bei 9.965 Euro. Autor_innen verdienen mit ca. 14.580 Euro im Jahr noch vergleichsweise gut.

„Leider arbeiten viele der 5 Millionen, die von der Kreativindustrie leben, in prekären Verhältnissen. Zweit- und Drittjobs sind keine Seltenheit, da ein Job zum Leben oft nicht ausreicht. Fehlende Kranken- und Rentenversicherung sind an der Tagesordnung. Arbeitsverträge sind meist unsicher und viele Kreativschaffende können kaum mehr als ein paar Monate im Voraus planen”, sagt die SPD-Beschäftigungsexpertin Jutta Steinruck auf ihrer Homepage.

Andererseits gibt es eine sehr kleine Gruppe von Kulturproduzent_innen, die extrem hohe Einnahmen erzielt. Dies hat eine ganze Reihe von Gründen, von denen der nicht unwichtigste das in der Kulturindustrie gängige Starsystem und der weitverbreitete Irrglaube ist, dass es darauf ankäme erst einmal in den eigenen Markennamen zu investieren, bis es sich für die Kulturindustrie lohnt, diesen zu verwerten. Diese beobachtet das natürlich mit wachsendem Vergnügen, spart man sich doch so das Marketingbudget und schöpft trotzdem den Mehrwert ab. (3)
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