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Ars Gratia Artis? – Part IV

Für einen kreativen Umgang mit Original, Imitation, Copyright und Starsystem

(Fortsetzung von Part III)

Erhängt den letzten Star an den Eingeweiden des letzten Originals

Wer plant als Kulturproduzent_in ein anständiges Leben zu führen, sollte es von Anfang an ablehnen seine Arbeit umsonst anzubieten, auch wenn es eine stetig nachwachsende Armee von willigen Praktikant_innen gibt, die diese Lektion noch schmerzhaft lernen muss. Jede(r), der einem kommerziellen Provider ein Kulturprodukt umsonst überlässt, verschlechtert die eigene ökonomische Situation, die Verhandlungsposition anderer Kulturproduzent_innen und den Tauschwert der Ware Kultur. Solange die Konzepte zur alternativen Kompensation von Künstler_innen noch in den Kinderschuhen stecken, ist die Kulturindustrie und ihr Copyright-System ein unvermeidbarer Verhandlungspartner. Trotzdem müssen die Kulturproduzent_innen das Ideal einer sich frei und ungehindert entwickelnden Kultur nicht aufgeben. Es ist möglich die Arbeit anderer als Grundlage für die eigene Produktion zu nutzen und trotzdem das Recht dieser auf ihr geistiges Eigentum zu respektieren.

Die Non-Profit Organisation Creative Commons bietet ein ganzes Bündel an alternativen Lizenzen für Kulturproduzent_innen. Ein Beispiel für eine Creative Commons basierte Community-Plattform ist jamendo.com, auf der Kulturproduzent_innen ihre Arbeiten zur nicht-kommerziellen Verwendung anbieten können und mit Hilfe diverser Software-Optionen Einnahmen erzielen können. Ein kostenloser Podcast kann beispielsweise die angebotenen Tracks ohne Rücksprache verwenden, aber ein kommerzieller Dienstleister muss sich zuerst die Rechte sichern.

Die Künstler entscheiden (…) selbst, was mit ihrer Musik gemacht werden darf und unter welchen Bedingungen sie genutzt werden kann. (Link)

Für Gewerbetreibende die Jamendo für Hintergrundmusik nutzen wollen kostet ein Stream für 12 Monate bei einer Grundfläche von unter 100 m² 96 Euro, ein vergleichbares Angebot bei der GEMA zwischen 206,52 und 371,76 Euro. (Link)
Wer die kommerzielle Nutzung von vornherein erlaubt kann natürlich nicht mehr mit der Kulturindustrie verhandeln und wer die kommerzielle Nutzung untersagt macht sein Werk für lange Zeit anderen Künstler_innen gegenüber (kommerziell) unzugänglich. Dies entspricht streng genommen nicht dem Ideal einer gemeinbasierten Produktion. Der Begriff der Commons stammt ursprünglich aus der Landwirtschaft und „ist jener Teil des Gemeindevermögens, der nicht unmittelbar im Interesse der ganzen Gemeinde zur Bestreitung derer Ausgaben verwandt wird, sondern an dem alle Gemeindemitglieder das Recht zur Nutzung haben“ (Link) und somit auch das Recht ihren Unterhalt damit zu verdienen.

Will man die (kommerzielle) kreative Transformation und Verbreitung eines Werkes erlauben, ohne dass der/die Lizenzinhaber_in explizit um Erlaubnis gefragt werden muss, empfiehlt sich z.B. die CC BY-Lizenz.

Wie Mark Hosler, Mitglied der kalifornischen Band Negativland, in einem YouTube-Video darlegt, ist diese Lizenz jedoch nur die halbe Miete, da sie der Werbe- und Kulturindustrie Tür und Tor zur kostenlosen Verwendung kreativer Arbeit öffnet:

(…) we ended up coming up with an exception to the sampling license we wrote, which says that anyone can use anything (…) except for advertising (…) advertising maybe artistic and artful and creative, but it’s not art. It’s not free speech, advertising is paid speech (…)

So entstand, in Zusammenarbeit mit Negativland, die Sampling Plus-Lizenz mit dem Zusatz: „You may not use this work to advertise for or promote anything but the work you create from it.“
Ich habe das für arte Creative produzierte Format Collage culturel größtenteils mit Tracks vertont die unter der Sampling Plus-Lizenz stehen. Das war mir möglich, da die Lizenz es vorsieht, das entsprechende Werk für kreative Transformation kommerziell zu nutzen. Es wäre allerdings nicht möglich eine bloße Kopie dieses Werkes kommerziell zu vertreiben. (1)

Auch Dmytri Kleiner, der aus den schlechten Erfahrungen mit dem Copyleft-Gedanken im Softwarebereich (2) gelernt hat, schlägt einen marxistischen Twist für die Creative Commons vor:

(…) a license cannot have a single set of terms for all users, but rather must have different rules for different classes. (…) A copyfarleft license should make it possible for producers to share freely and to retain the value of their labour product, in otherwords it must be possible for workers to make money by applying their own labour to mutual property, but impossible for owners of private property to make money using wage labour. (…) A worker-owned printing cooperative could be free to reproduce, distribute, and modify the common stock as they like, but a privately owned publishing company would be prevented from having free access.
Dmytri Kleiner

Das könnte natürlich nur durch eine Community oder Kooperative geschehen, da sich „private property“ Produzent_innen schlecht juristisch definieren lassen. Es bräuchte also eine Art „anarchistische GEMA“, die den Zugang und die Lizenzen für verschiedene Nutzer_innen selektiv regelt. Natürlich liegen die Probleme eines solchen Modells auf der Hand: Welche Nutzung, durch wen, ist „entfremdet“ und welche nicht? Was geschieht, wenn eine Firma eine(n) Kulturproduzent_in als Agent_in beauftragt ein Copyfarleft-Original „nicht-entfremdet“ zu bearbeiten und danach an sie zu verkaufen? (3)

Von diesen offensichtlichen Schwächen abgesehen sind die Copyfarleft– und Sampling Plus-Lizenzmodelle meiner Ansicht nach am besten geeignet, den Schutz des geistigen Eigentums von Kulturproduzent_innen zu gewährleisten und gleichzeitig eine Kultur der kreativen Partizipation zu fördern.
Nur mit diesen Modellen werden die produzierten Kulturressourcen für lohnabhängige Kolleg_innen in einem restriktiven System nutzbar gemacht. Gleichzeitig sollten Kulturproduzent_innen im gegenwärtigen System auf sinnvollen und strikten Maßnahmen zum Schutz des durch die Kulturindustrie kommerziell verwerteten geistigen Eigentums beharren. Auch der eigene Verzicht auf illegale Downloads dieser Werke gehört dann dazu.
Werden diese Lizenzmodelle optimiert, ernst genommen und konsequent genutzt, könnte es langfristig keine schöpferische Leistung mehr geben, die für die Dauer des Urheberrechts (4) für die Nutzung durch lohnabhängige Kreative gesperrt ist und trotzdem wäre es für diese immer wieder möglich mit der Kulturindustrie auf Basis dieser Lizenz ins Geschäft zu kommen. (5)

Footnotes:

(1) Kurz nach Fertigstellung dieses Textes stellte ich fest, dass Creative Commons die Sampling Plus-Lizenz zum 12.09.2011 fallen ließ. Die Begründung lautet vorerst diese Lizenz sei zu wenig nachgefragt und nicht kompatibel mit anderen CC-Lizenzen. Nachdem die DevNations-Lizenz, die Entwicklungsländern einen Sonderstatus einräumte, schon 2006 eingestellt wurde gibt es nun keine nutzerspezifischen Lizenzen mehr. Das Remixen kann zwar verboten, aber nicht als ausschließliche kommerzielle Nutzung erlaubt werden. Allerdings versicherte mir Mike Linksvayer von CC, dass man die Sampling Plus-Lizenz trotzdem weiterhin nutzen könne.
(2) „If everyone is free to do what they want with the work, then one thing they can do with it in a society which has strong intellectual property laws is to claim it for themselves, appropriating all of the effort that has gone into the project.“
Terry Hancock: „Rule #1: Hold On Loosely“ in: Free Software Magazine
(3) Mehr hierzu und zu den möglichen Problemen von Copyfarleft auf http://knowfuture.wordpress.com/2007/11/22/copyfarleft-an-anarchist-gema/
(4) Derzeit beträgt diese Frist ca. 70 Jahre nach dem Tod eines maßgeblichen Urhebers (siehe §64ff UrhG)
(5) Eine marxistisch-wertkritische Anmerkung zur Copyfarleft-Lizenz hat Stefan Meretz auf http://www.keimform.de/2007/copyfarleft-eine-kritik/ veröffentlicht, eine ausführliche Diskussion dazu gibt es hier: http://oekonux.org/list-en/archive/msg04129.html

CC-Sampling Plus 1.0

(Zuerst erschienen in testcard #21 – Überleben.)

Layout 1

testcard #21: Überleben. Pop und Anti-Pop in Zeiten des Weniger

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