Artikel
0 Kommentare

Von Köln nach Merzouga (und zurück) – Tag 5 bis 8

Tag 5 bis 7

Kurz bevor wir in Martil aufbrachen erzählte mir Mustafa noch, dass am Strand das Militär Streife geht, um die Fischer davon
abzuhalten mit ihren Booten einfach nach Spanien abzudüsen. Für seine Gesellschaft bat er um eine Flasche Rotwein und eine weitere Fortuna, um sie dann in sein Zimmerchen mitzunehmen und zu verstecken. Wir fuhren eine Serpentinenstrasse entlang nach Et Tetla de Oued Laou auf einen weiteren Campingplatz. In einem Restaurant bekamen wir unglaubliche Mengen frittierter Calamari und Scampi mit Fritten und wurden unsere Meinung nach beim Preis total beschissen. Am Strand lernte ich einen neuen Mustafa (sic!) kennen, der ununterbrochen Kif rauchte und die Vorteile von Kif und Haschisch aus dem Rif-Gebirge pries. Da wir alle clean sind, interessierte uns das Verkaufsgespräch nicht, und wir schauten den Fischern bei ihrem merkwürdigen Treiben zu. Dann ab ins Auto und weiter nach Fès über die Gebirgsstadt Chefchaouen.

Hier scheinen alle Marokkaner aus der Kyffhäuserstrasse in Köln geboren zu sein. Wir bekamen circa 25 mal frisches Haschisch oder Kif angeboten … Netter Ort!

Da wir aber auf Extrem-Sightseeing-Tour sind – im vierten Gang durch Marokko (!!!) – fahren wir wie die Irren weiter nach Ouezzane und dann auf eine von Erika Därr – dazu später – und Stefan favorisierte „Erlebnisstraße“ mit Stausee, wo man laut Stefan baden können soll. Die abgewrackte Geröllpiste spottete jeder Beschreibung. Wir vergurkten uns total auf Strassen die nicht mal unsere ultragenaue Karte kannte und die GPS-Koordinaten brachten uns außer einem wilden Zahlenwirrwarr auch nicht weiter. Es wurde dunkel und wir kamen in einen Ort, der gleichzeitig eine Sackgasse war. Plötzlich tauchte ein Sammy-Davis-Jr. Marokkaner auf und fragte auf Französisch wo wir hinwollen. Eine Sekunde später standen 45 Marokkaner aus drei Generationen um den Bus rum, die mit Brocken Deutsch, Englisch, Arabisch und Französisch auf uns einlaberten. Überall an den Fenstern tauchten grinsende Gesichter auf und ich kriegte im Busheck voll den Affen.

Ich dachte gerade: „Gleich grillen die uns auf dem Dorfplatz!“, als ich höre wie Guido mit Sammy-Davis-Jr. ausmacht, dass wir bei ihm schlafen können.

Ich schrie ihn an weiterzufahren, wohl ein kleiner Hardcore-Kulturschock, aber man kann sich kaum vorstellen wie 45 Marokkaner im Dunkeln im Rif-Gebirge wirken. Nach viel „Salam!“ und „Ouacha!“ und „Au revoir!“ fuhren wir endlich weiter durch dunkle Pfade. Als wir ein paar saufende Maroks an einem Mercedes – ein Fahrzeug zu dem die Marokkaner ein fetischistisches Verhältnis haben – am Wegesrand sahen, stellten wir uns ein paar Meter weiter dazu.

Am nächsten Morgen weckten uns ein paar Kühe und Hirten und wir fuhren weiter. Der „idyllische“ Stausee war natürlich vom Militär bewacht, was Stefan „vergessen“ hatte zu erwähnen. Über eine Buckelpiste tasteten wir uns schließlich an Fès heran. In Spanien hatte wir Bonbons und Weingummi für die „Pänz“ gekauft, die wir nun an die Kinder verteilten, die uns beim Frühstueck neugierig und ängstlich beäugten. Diese schienen über eine Art telepathisches Fernmeldesystem zu verfügen, denn aus jedem Grashalm schoß ein süßes Kindergesicht – halb in gefälschten Markenprodukten, halb in Trachten gewandet – hervor.

Ich verteilte „Kamelle“ und als sie zu gierig wurden rief ich: „Der Prinz kütt!“ und die Kinder zuckten zusammen und nahmen reißaus. So wirkt Kölsch auf Marokkanerkinder.

Die Strasse wurde besser und wir erreichten – nicht ohne den einen oder anderen Nervenzusammenbruch – tatsächlich Fès, den Campingplatz Diamant Vert und haben nun einen Pool. Morgen gehts in die riesige und laut Daniel C. wunderschöne Medina von Fès.

Erika Därr ist übrigens die Autorin unseres Standardreiseführers und jeder deutsche „Marokko-Kenner“ den wir bisher trafen, kannte „Erika“ angeblich persönlich, da alle sie im vertraut-tuenden Stil mit Vornamen nannten. Guido ging absichtlich nicht auf das Name-Dropping ein und auch ich versuchte die Traveller-Schnalle – die „den Mick“ – ja, Mick Jagger – in der „geilen Location“ Agadir getroffen hat und „Erikas“ Reiseführer kritisierte – so gut wie möglich zu ignorieren. Deutsche Traveller, ein Volk für sich!

Tag 8

2002-01-25-480

Als ich gestern aus dem Internetcafé herauskam, bettelte gerade ein agressiver Junge Guido und Stefan an und plötzlich tauchte ein alter Mann mit einem Stock auf und schlug dem Kind volle Möhre auf den Arsch! Außerdem fuhren überall Guides mit Rollern rum, die Bettler und Schnorrer verjagten. Marokko lebt von zwei Dingen: agriculture et tourisme. Der König von Marokko hat daher die Direktive herausgegeben die Touristen gut zu behandeln, da sie Geld ins Land bringen … Außerdem sind wir Deutschen wegen drei Dingen sehr beliebt in Marokko: Eine Sache hat mit einem wenig ruhmreichen Kapitel unserer Geschichte zu tun, die Zweite ist der Mercedes Benz und die Dritte die Tatsache, dass wir den „Coup du Monde“ austragen.

Heute morgen bin ich früh aufgestanden um im Pool zu schwimmen und die leichte Lektüre „Quantenphysik fuer Anfänger“ zu lesen, die Guido mitgenommen hatte. Zwischen der Heisenbergschen Unschärferelation und dem Doppelspaltexperiment mit Photonen, briet ich in der Morgensonne.

Um 10:30 Uhr wartete unser inoffizieller Medina-Guide auf uns. Wir besichtigten eine Keramikfabrik und die Medina von Fès, in der überall gehandelt wird. Das interessierte mich persönlich überhaupt nicht, da ich mir vorkam wie in einem Einkaufszentrum – nur anders. Ich hatte mir die Medina und die Koranschulen irgendwie anders vorgestellt … Interessant fand ich aber den Fakt, das einige Türen zwei Türklopfer haben. Da manche Marokkaner zwei Frauen haben, gibt es diese Dinger. Freunde und Verwandten die eine bestimmte Frau plus Anhang sehen wollen, suchen sich den entsprechenden Klopfer aus. Das erspart viele Missverständnisse und wäre meines Erachtens ein lohnenswerter Import aus dem Islam.

Ein weniger schöner Import wäre der inoffizielle Touristenguide, der zwar sehr nett war, aber plötzlich von der Gendarmerie durch die Stadt gejagt wurde, da er keine Lizenz hatte.

Es begann ein wildes Katz-und-Maus-Spiel mit offziellen Führern, Ladenbesitzern, Gendarmerie, uns und dem Guide, das jeder Louis-de-Funes-Klamotte das Wasser reichen konnte.

Immer wieder sperrten zwei oder drei Walkie-Talkie-Träger das Gebiet ab, unser Guide verschwand und tauchte an anderer Stelle wieder auf. Nach dem dritten Mal gaben wir ihm 70 Dirham – statt den vereinbarten 120 – und verzogen uns. Zumindest wollten wir das, aber man kann sich als Anfänger wirklich nicht in der Medina von Fès alleine zurecht finden. Es gleicht viel mehr einem wilden Spiessrutenlauf mit Ladenbesitzern, selbsternannten Guides und Kindern, die eine zu einem „petit taxi“ bringen wollen. Ich verlor völlig die Nerven und nach einer Stunde wilden Herumgerenne fanden wir ein Kind, dass uns zu einem Taxistand brachte. Guido und Stefan hatten immer noch nicht genug und sind zu dieser Stunde wieder im Labyrinth des Minotaurus verschwunden. Und zwar ohne Ariadnefaden! Ich schreibe diese Zeilen aus einem kleinen Internetcafé und werde gleich sehen das ich zum Campingplatz komme. Heute abend oder morgen folgt der zweite Versuch in Fès … Wenn ich Guido und Stefan jemals wiedersehen sollte …

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.