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Von Köln nach Merzouga (und zurück) – Tag 9 bis 13

Tag 9

Stefan und Guido haben die Medina von Fès überlebt und kommen im Dunklen auf unserem Campingplatz zurück, obwohl ich Stefan per Handschlag an einen kleinen Jungen verkauft habe …
Am nächsten Tag brechen wir Richtung Ifrane bzw. Azrou auf, wo man die grösste Zeder der Welt und die Höhlen der Bruderschaft der Sidi Abdesallam besuchen kann, die angeblich alle direkte Vorfahren von Mohammed dem Propheten sind. Bei den „Höhlen“ angekommen treffen wir nur einen älteren Mann dessen Französisch jeder Beschreibung spottet.

Er sagt eine Nacht in seinem Hotel kostet „cinquante plus“ Dirham und führt uns in einen verlotterten Stall unter dem sich tatsächlich eine Höhle befindet. Auf meine Frage wieviele es von den Höhlen gibt, antwortet er: „cinquante plus“.

Dann lädt er uns zum „Whisky Berber“ (Pfefferminztee) ein und berichtet auf meine Fragen, dass er ein stolzer Berber sei und seine Pension „cinquante plus“ Millionen Dirham gekostet hat. Die Berber gäbe es schon vor dem Einfall der Römer vor „cinquante plus“ tausend Jahren. Sein jüngster Sohn taucht auf und guckt in einer Mordslautstärke japanische Mangas, was die Kommunikation nicht gerade einfacher macht. Als wir uns gerade wegkomplimentieren wollen, tauchen mehrere andere Berber auf, die mir mitteilen, dass Abdullah gleich kommen würde, worauf wir ja so gar nicht gewartet haben. Abdullah erscheint dann auch und mit ihm ein fetter reicher Marokkaner aus Meknes mit seinen beiden Schicksen. Die Mädels flirten hemmungslos mit uns und der Dicke trägt hektoliterweise Wein und marokkanisches Bier auf, wobei er dauernd seinen Lancia-Schlüssel wedeln lässt.

Nach einem Bier fragt er uns ob wir mit einem der Mädels ins Bett gehen wollen oder wir haben seine Gesten völlig falsch gedeutet. Alle lachen! Unser Verdacht, dass hier irgendwas nicht stimmt, erhärtet sich und wir stehen auf und versuchen zu gehen.


Die eine der beiden Berberschönheiten will Guido noch ein Foto von sich zustecken, der lehnt aber dankend ab, er sei glücklich vergeben.
Irgendwas schien in dem „Whisky Berber“ drin gewesen zu sein, denn ziemlich aufgedreht fahren wir weiter nach Azrou zur angeblich größten Zeder der Welt und einer Makakenaffen-Population. Es dämmert schon, als wir dort ankommen und wir treffen nur noch zwei Fossilienverkäufer-Berber an. Guido springt aus dem Auto und stellt sich an die Zeder und der eine Berber erzählt, dass die Zeder 800 Jahre alt sei.
Guido: „Ja, aber am Arsch… da hat doch einer drangepisst…. drüsches Dingen… warum schreibt denn die Erika dass nicht in den Reiseführer? … Und wo sind denn die Makaken? … Auch am Arsch, oder wat? … Kann ich mal da draufklettern? … Ne? … Warum nicht? Holy, oder wat?“
Auf dieses Stichwort hin springe ich aus dem Bus und versuchen auf die Zeder raufzuklettern … der eine Berber bringt mir eine Leiter und ich sitze rittlings auf der Zeder … Er nimmt die Leiter weg und ruft: „100 Dirham“, aber wohl eher zum Spaß …
Sie erlauben uns unser Nachtlager aufzuschlagen und wir laden sie zum Grillen ein. Sie wissen erstaunlich viel über Deutschland und Europa und erzählen uns, dass die Berber schon seit über 5000 Jahren den Maghreb bevölkern und die Araber im zweiten Weltkrieg Marokko an die Franzosen verkaufen wollten und die Berber Widerstandskämpfer waren. Jetzt gäbe es 75% Berber in Marokko aber die 25% Araber regieren sie … Irgenwann verabschieden sie sich in ihre Verkaufstände um dort zu übernachten und Stefan verabschiedet sich in den Wald zu den Makaken.

Tag 10 bis 12

Mit dem durchfallgeplagten Stefan geht es weiter über den mittleren und hohen Atlas Richtung Errachidia und zur Source Bleu de Meski. Guidos Theorie, dass Afrika geografisch gesehen erst hinter dem Atlasgebirge anfängt, wird insofern bekräftigt, als das die Menschen hier eindeutig afrikanischer aussehen, als der gemeine Marokkaner. Wir kommen uns vor wie ein UN-Transporter mit dem 39° Fieber-Stefan hinten im Bus. Dieser erlebt die Ankunft in der Source Bleu wohl auch nur im Fieberrausch und Guido und ich erkunden egoistisch das Terrain. Eine wundervolle Oase, eine riesige verfallen Kasbah und eine in Steintreppen eingefasste Quelle zum Baden …
Und: Mohammed …

Er lädt uns zum „Whisky Berber“ ein und Guido geht sofort mit. Ich beschliesse zu warten, doch als er nicht wieder auftaucht, gehe ich in das „Depot des Nomades“ um nach ihm zu sehen … Dort sitzt Guido schon mit zerknirschter Miene inmitten von: Teppichen!

Mohammed holt eine Trommel, klopft ein paar Rhythmen und bringt uns seinen Tee, mit dem Hinweis, er mache ein bischen Schubidubi im Kopf. Nachdem wir ihn getrunken haben, beobachtet er uns, wie wir immer alberner und alberner werden und führt dann seine Teppich-Show vor.

Ich rette mich ganz schnell mit einem kleine Portemonnaie für dass ich mich interessiere und Guido muss sich für einen Teppich entscheiden, wenn er Mohammed nicht beleidigen will. Er begeht den Fehler einen schön zu finden und hat nach wilder Handelei einen angeblichen 210 Euro Teppich für 40 gekauft. Ich lache mich tot und überlege mir eine Preis für mein Portemonnaie … Als Mohammed mich fragt, sage ich „500 Dirham“ (50 Euro!) und er grinst und schlägt ein. Nach circa einer Minute wird mir klar, was ich da gesagt habe und ich werde bleich im Gesicht: 50 Euro für ein olles Portemonnaie … Jetzt lacht Guido sich schlapp, aber Mohammed bleibt fair und gibt mir das Dingen für 50 Dirham … Berauscht vom Whisky Berber ziehen wir ab, zischen ein paar Dosen Heineken auf dem Dach einer Baracke und schauen uns den Sonenuntergang an.

Nach einem Bad in der Source Bleu werde ich wie auf Kommando auch fiebrig und wir verbringen einen grauenhaften Tag im Sandsturm und Fieberwahn zu zweit im Lazarett-Bus.

Am nächsten Tag geht es mir wieder gut und Stefan auch etwas besser und da uns ein Leipziger Systemingenieur vom MDR, Mohammed und die Kamel-Aus-Palmenblättern-faltenden Kinder auf den Sack gehen, beschliessen wir Richtung ErfoudRissani weiterzufahren um die Erg Chebbi zu besichtigen.

Tag 13

Heute ist mir etwas über unsere Gruppe klargeworden: Nach meinem Selbststudium der Quantenphysik gelingt mir jetzt eine Beschreibung durch den quantenmechanischen Formalismus.

Wir drei verhalten uns wie verschränkte Quantenobjekte die sich in einem unbestimmten Zustand befinden: Keiner will was, allen ist alles egal. Sobald man jedoch eine Messung des Spins vornimmt – z.B. die Frage: „Wohin fahren wir?“ – und einer seine Meinung sagt, ändern die beiden anderen ihren Spin in die entgegengesetzte Richtung.

Danach fallen allen in den unbestimmten Zustand zurück und bei der nächsten Messung – „Wohin denn jetzt?“ – kann alles ganz anders sein. Sicher ist nur, dass mindestens ein Teilchen – z.B. Stefan – einen entgegengesetzten Spin hat. Wie man sich vielleicht denken kann, macht das die Entscheidungsfindung recht schwer …
Nachdem wir gestern doch noch bis Merzouga – an den Rand der Wüste – gefahren sind und unterwegs ausstiegen und „Erg Chebbi!“ in die Wüste riefen, um den Wüstendämon zu besänftigen, entdeckte Guido die Schönheit Marokkos. Beim 25ten Fossilien-/Mineralienladen brach es aus ihm heraus: „O guck mal! Ein Fossilienladen… Schöööööööön!“ und das ab jetzt jedes Mal.

In Merzouga nahmen wir uns den Parkplatz einer netten Kasbah – die Auberge „Le Pyramide“ – mit nettem, unaufdringlichem Personal. Eine Übernachtung: 20 Dirham – 1,80 Euro…! Die Tour mit einem 4×4 durch die Wüste war dafuer sauteuer: ca. 100 Euro !!! Unterwegs in der Erg Chebbi – was soviel heisst wie: Düne in der Steinwüste – sahen wir Maskara-Minen, wo aus Steinen das teure Maskara-Pigment gewonnen wurde – der metrosexuelle Höhepunkt unserer Reise! Die Mineralienarbeiter sahen jedoch nicht wirklich metrosexuell aus, sondern schuften vielmehr schwer – für 100 Dirham am Tag – in der prallen Sonne und im Staub.

Die Kinder die mit ihren Lockenköpfchen und Kleidchen mitten in der Wüste stehen und einem Fossilien oder Palmwedelkamele entgegenstrecken, können einem das Herz zerreissen, aber jedem etwas geben ist unmöglich.

Mitten in der Wüste sagt Guido dann zum Fahrer: „Mach mal Mc Drive!“ und zeigt auf ein Berberhüttchen. Der Fahrer versteht nur: „Make Drive!“ und fährt auf die Hütte zu. Als Guido ihm erklärt, er wolle drei Cheeseburger, Fritten und ne Coke, findet das der Fahrer meines Erachtens gar nicht sehr lustig… Als dann aber später eine europäische Blondine in einem Café auftaucht, hupen und flirten sie wieder wie bescheuert und erzählen uns, als die Dame hilfesuchend zu mir blickt, das sei eine Marokkanerin, bei der dürften wir nicht und fragen etwas später ob wir Präservative hätten. Etwas widersprüchliche Logik, wie ich finde …

Abends sind wir mit einer Flasche Wein in die Wüste gegangen, um von einer Düne aus den Sonnenuntergang zu beobachten. Ein Berber – un homme bleu – schliesst sich uns schweigend an, und wir wandern zu viert durch die Wüste.

Wie sich später herausstellt, heisst er Omar, kennt das Konzept des Nachnamens nicht, will auch etwas Wein und bietet uns zum Abschied noch halbherzig Fossillien an.

Mit einem Blick auf die – mit Militär gespickte – geschlossen Grenze nach Algerien, die durch ein Gebirge verläuft, trinken wir unseren Wein. In der Auberge gibt es dann noch gebratenes Fleisch am Spiess, Fritten, Salat und Melonen satt und das soll es dann auch erstmal wieder gewesen sein. Inschallah!

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