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Von Köln nach Merzouga (und zurück) – Tag 14 bis 18

Tag 14 und 15

Aus Merzouga brachen wir „früh“ morgens auf, in die sogenannten „Gähn“-Schluchten „Gorges du Todra“ und „Gorges du Dades“. Die Todra-Schlucht ist ein Naturschauspiel, dass gewöhnliche Touristen nur bis zur „antiken“ Souvenirstrasse zu sehen bekommen. Dort halten die Busse und man bekommt Kostbarkeiten wie z.B. Teppiche, Fossilien und Mineralien angeboten. Eine fotografierende Frau mittleren Alters will mitten auf der Strasse fotografieren, was von Guido mit den Worten: „Dann lassen wa die Alte mal schön ihr Foto machen“ kommentiert wird. Nur blöd, dass es eine Deutsche war …

Auf der weiteren Fahrt die Schlucht hinauf läuft in unserem MP3-Gewerke der Track „Can U Feel It?“ mit der gesampelten Stimme von Chuck Roberts … Daraufhin entspannt sich folgender Dialog:
Guido: „Was SINGT der da? I had a dream?“
Stefan: „Das ist doch die Rede von dem Neger!“
Gudio: „Mohammed Ali!“
Ich: „Wenn schon Martin Luther King!“
Stefan: „Ja, ich war noch nie so gut in Geografie …“*
Daran mag der geneigte Leser das intellektuelle Niveau erkennen, welches unsere Gruppe inzwischen erreicht hat …

Abends erreichten wir das Ende der Teerstrasse in der Todra-Schlucht und entschlossen uns – nach einem Blick auf die Schotterpiste – umzukehren.

Natürlich gab es einen Berber, der die geniale Geschäftsidee hatte, am Ende der Teerstrasse eine Herberge zu bauen. Der Junge der dort arbeitet heisst Larsin, ist Zwanzig und bewacht einsam und allein mit seinem Hund Linda die Auberge mit Minimalkomfort.


Er ist so unaufdringlich, dass wir ihn fast dazu überreden müssen Stefan ein Omelett zu machen. Larsin lernt Französisch aus einem Arabischen Wörterbuch, in dem ein Ingenieur ein Mann ist, der Künstler bei der Arbeit beaufsichtigt, und dementsprechend sind seine Sprachkenntnisse. Nach langem Hin und Her erklärt er uns, dass Marokko beim Coup du Monde gegen Libyen, Angola und Mauretanien spielen muss. Komische Gruppe!? Wir killen zwei Flaschen Wein und legen uns ab. In der Nacht weckt mich Guido auf, weil Linda wie bescheuert bellt und er jemanden gehört hat, der sich am Bus zu schaffen macht. Es fehlt aber nix.
Morgens taucht der Bruder von Larsin auf, inspiziert zuerst die Setzlinge an der kargen Lehmmauer und nähert sich dann in einer spiralförmigen Umlaufbahn unserem Frühstückstisch. Er hat Bauchschmerzen und will Tabletten – wir haben kein. Als Larsin einen Stein auf Linda schmeissen will, stoppt ihn Guido und nach vielem „Basslema“ und „Chougrane“ geht es weiter. Auf dem Weg aus der Schlucht nehmen wir eine bildhübsche marokkanische Lehrerin – Mitte Zwanzig – mit, die leider schon verheiratet ist. Nein, ihren Mann hat sich nicht auf der Uni kennengelernt – wie ich Idiot frage – sondern ihre Familie hat die Hochzeit arrangiert… Sowas! Sie träumt von einem Aufenthalt in Marseille und ist überhaupt entzückend.
In Tinerhir angekommen, kühlt sich ihre Freundlichkeit auf unter Null ab, als der erste Araber auftaucht. Schnell verabschiedet sie sich und verschwindet, nachdem sie Guido einen Teeladen gezeigt hat.

Ein Schlepper taucht auf, erzählt was von einem Berberfrauenmarkt und bringt uns zu einer Berberfamilie, die uns ganz uneigennützig zum Tee einlädt. Ich rieche den Braten, bleibe trotz mehrfacher Aufforderung vor der Tür und der Schlepper fragt Stefan ob ich ein Rassist sei!!!

Ich gehe zurück zum Bus. Natürlich gab es fuer Stefan und Guido „Whisky Berber“ und Teppiche en masse. Viele Marokkaner lügen wie gedruckt, erzählen einem alles was man hören will und schleppen einen dann in Teppich-Boutiquen. Weiter gehts zur Dades-Schlucht, wo wir anfangen Taxi zu spielen, teilweise sitzen wir zu siebt im Bus, mit Opa und Oma, einem Stinke-Berber-Bauer und einer Kopftuch-Tussi, die ausgerechnet nach „Simply Irresistible“ duftet. Erwischt!

Alle Mitfahrer fordern bestimmt wo man hinfahren muss, und der Opa will tatsächlich nicht nach Boulmane-du-Dades, wie angenommen, sondern ins 124 km entfernte Ouarzazate. Wir schmeissen ihn und seine Oma in El-Kelaa-des-Mougna raus, wo es ohnehin nicht weitergeht, da gerade Rosenfest ist.

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Auf den Strassen tobt das Leben, überall aus Telefonhörern und Megaphonen gebastelte Sprechanlagen und überhaupt klingt hier alles nach billigen Reggea-Soundsystem-Effekten. Ein Maroc hat sich aus einem Newtonmeter und drei 9V-Blöcken eine Mischung zwischen einem „Elektrisieren ist gesund!“ und „Teste deine Kraft!“-Teil gebaut und scheffelt Dirhams.

In einem kleinen Stadion tritt eine Art „Scorpions von Marokko“-Band auf, mit Balladen und Softrock. .. Igitt! Sowieso ein dröges Fest, kein Alkohol, fast ausschliesslich Männer und überall Militär und königliche Gendarmerie. Als ich mich gerade darüber aufrege, dass die Marokkos einfach keine Subkultur haben, entdecken wir ein Breakdance-Pit, wo junge Marokkaner zu laffen Breakbeats wirklich gute Moves vorweisen können. Wir sind in unserem Element. Auf der Suche nach einem Schlafplatz stellen wir fest, das der Rückwärtsgang im Arsch ist, was das Rumkurven in dunklen Gassen nicht unbedingt einfacher macht. In einer halb verfallenen Kasbah parken wir und genehmigen uns ein paar marokkanische Bier …

Tag 16 bis 18

Die verfallen Kasbah war letztendlich doch nicht so zerfallen und nach guter alter Wildcampen-Tradition steht morgens ein supersüüüüüüüüüüsses kleines Mädchen vor unserem Bus, traut sich kaum den Trotzkopf zu heben und bekommt von mir einen Stift, Kekse, Bonbons und ein Stück Seife. Da wir endlich zum Meer wollen bzw. hoffen in Ouarzazate einen Mechaniker für unsere schrotte „changement de vittesse“ zu finden, heizen wir wie die Irren in westlicher Richtung durch Marokko. In Ouarzazate haben alle Mechaniker zu, schliesslich ist Sonntag. Ein Guardien bietet an, uns zum Haus des Mechanikers zu bringen. Dieser ist nicht Zuhause sondern in der Innenstadt, weswegen wir dorthin fahren und auch niemanden finden.

Ebendort erzählt mir ein Marokkaner, der gerade zwei Italienern „Mafia, Mafia“ hinterhergeschrien hat, das Ouarzazate das Film- und Fernsehzentrum Marokkos ist. „Asterix“ und „Gladiator“ wurden hier gedreht.

Desweitern wird in einer alten Kasbah eine Art Big Brother bzw. Dschungelcamp produziert. Ich fühle mich sofort pudelwohl hier, wozu die süßen, italienischen Möchtergern-Starlets ihr Übriges tun. Während Guido und Stefan um olle Teekannen feilschen, spiele ich sehen und gesehen werden.

Weiter gehts nach Agadir, wo wir hoffen einen Mechaniker zu finden. Als ich aus dem Fenster schaue, sehe ich eine verfallene, amrikanische Tankstelle mit dem Schild „Gas Haven – Cold Beer – BBQ“ mitten in der Pampa. Ein paar amerikanische Autowracks stehen daneben, in einem läuft ein verstimmtes Radio. Hier wurde – laut einem Opa der plötzlich auftaucht und Dirhams für Fotos will – der Film „Deux Americans“ gedreht.

Beim Ölwechsel an einer Tankstelle im Nirgendwo entpuppt sich der Mechaniker, der zunächst zu faul war um einen Lappen zu holen, als Improvisationsgenie und repariert mittels eines Stück Drahtes, welches er nach intensivem Herumlaufen auf dem Hof entdeckt, unsere Gangschaltung.

Gesamtpreis der Generalüberholung: „Give me what you want“ = 50 Dirham!!! Somit konnten wir uns Agadir schenken und nach einer weiteren Übernachtung in der Steppe, samt morgendlicher Berberfrauenschar, gelangten wir an die Atlantikküste in Gestalt von Tifnite, einem winzigen Fischerdörfchen mit eigenem Technofestival im August.

Hier gelangte zum ersten Mal mein mittlerweile dick gewordenes Lügenfell zum Einsatz:

Der Marokkaner an sich wird einen nach „Bonjour“ und „Ça va?“ irgendwann die Gretchenfrage stellen: „C’est la premiere fois en Maroc?“ oder „First Time in Marocco?“. Antwortet man mit „Oui“, wird der Touristenverarschungsmodus initiiert, mit den Worten „Bienvenue au Maroc“ bzw. „Welcome to Marocco“ und einem blöden Grinsen. Danach landet man in einem Teppichladen oder einer Mineralienverklappungstelle.

Antwortet man „Non, la deuxieme fois“ wird man nach kurzem Rumgelaber in Ruhe gelassen. Funktionierte bis jetzt immer! Guido versuchte eine weitere raffinierte Tour, als er an einer Tankstelle wie ein Irrer aus dem Bus sprang mit einem ollen Stein in der Hand und dem Tankwart zurief: „You want Fossils? … Ten Dirham“. Auch dieser Witz fand wenig Anklang bei der Bevölkerung, aber die Mineraliendrisse kann einem auch echt auf den Zeiger gehen …

Erwähnenswert sind noch die berühmten Springziegen, die aus dem Stand auf Bäume springen und dort auf zwei Ästen rumstehen, was einfach ziemlich bescheuert aussieht. Weniger erwähnenswert ist der verteufelte Umstand, das durch die Temperaturunterschiede des Atlantiks und der Beinahe-Sahara in Sidi Ifni, alles eine diesige Suppe ist und zwar bereits circa 1 km vor dem Meer. Zum Land hin wird es schnell wieder sonnig und heiss und man hat somit die Wahl zwischen Brathähnchen und Waschküche. Erste Rufe nach einem Bonus-Aufenthalt in Spanien werden laut, aber morgen geht es erstmal einen letzten Schritt in die Sahara rein, zum Fort Bou Jerif, einem alten Wüstenfort.

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