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Von Köln nach Merzouga (und zurück) – Tag 25 bis 30

Tag 25 und 26

Der Tag des Abschieds ist gekommen. Der Fährhafen in Tanger ist das reinste Chaos. Die Abfertigung für Europäer ist recht lax, aber man sollte keinesfalls jedem einfach die Passports und seine Fährkarten in die Hand drücken. Sonst verschwindet der Typ nämlich, man kriegt einen halben Herzinfarkt und dann taucht er irgendwann mit einem ollen Zettel wieder auf und will Dirham oder Euroscheine oder Souvenirs.

Niemand weiss wann und wo unsere Fähre abfährt, wir kurven wild auf dem Gelände rum und finden heraus, dass wir vier Stunden auf die lahme Fähre warten müssen. Als wir uns aus Versehen in die falsche Schlange einordnen, bekommen wir ungefragt ein Billet für die Schnellfähre und ein älterer Herr versichert uns mit einem Augenzwinkern, dass das schon in Ordnung sei so. Als wir auf die Fähre fahren, schaut er unauffällig weg und wir machen auf das Schiff drauf, dass normalerweise circa 150 Euro mehr kostet. Ein netter Marokkaner quatscht mich an, die lustigen Hafenarbeiter haben seine Mappe mit den Ausreisepapieren versteckt und machen sich über seine Panik lustig. Irgendwann taucht die Mappe wieder auf und der nette Marokkaner kickt sie aus Wut durch den halben Hafen. Wildes Gebrüll, dann Schulterklopfen und Gelächter. Lustiges Land!

Als Tanger am Horizont im Dunst versinkt, überkommt mich eine Mischung aus Wehmut und Erleichterung und die Worte Hassan des Zweiten gehen mir durch den Kopf: „Marokko gleicht einem Baum: genährt von Wurzeln tief in der Erde Afrikas, atmet er durch Blattwerk, das in Europas Winden rauscht.“ Schöner – oder euphemistischer – kann man es nicht sagen. Ich bin erst mal froh wieder im Blattwerk zu sein, werde aber bestimmt wiederkommen …

Europäisches Blattwerk bedeutet Strand, Cerveza und Chicas in Massen, die wir in Alicante beschliessen kennenzulernen. Auf der Fahrt dahin versagen zwar Motor, Kühlanlage und Reifenventil in schöner Folge, aber wir schaffen es dennoch. Wir fahren einfach in die Werkstatt eines Spaniers, benutzen seinen Wagenheber, wechseln den Reifen und brausen wieder ab. Morgens ein Strand in San Palo, mittags Alicante. Leider sind alle hier Studentinnen aus ganz Spanien und haben feste Freunde. Ist aber trotzdem nett, sie mögen unser schüchterne Art, denn offenbar ist es in Alicante Usus, Frauen auf der Strasse direkt zu fragen ob sie f***en wollen. Abends hat wohl Barcelona ein Spiel gewonnen – ¿Champions League? – und es kommt zu Riots auf einem grossen Platz. Wir mittendrin, es kommt zu Übergriffen auf die Guardia Civil, die mit Tränengas und Knüppeln vorrückt. Hier bin ich ausnahmsweise der Mutigste, bin mitten in der Menge und mache haufenweise Fotos, bis mich Herr B. und Herr H. wegholen. Danach mit dem nimmermüden Spaniern und Partytouristen bis vier Uhr nachts in die Clubs. Europa auch du bist wunderbar!

Tag 27 bis 30
Nachdem die beiden Herren ihren Kater ausgeschlafen haben – ich war schon zwei Stunden baden, essen und im Internetcafé – wollen wir endlich ins ersehnte Barcelona fahren. Die Stimmung ist gut, wir kriegen Geschwindigkeit, erreichen die Startbahn, schalten Erika – wie unserer neuerwachte Navi-Zicke jetzt als Ode an Erika Därr heisst – ein und … die Motortemperatur steigt auf 140°! Wir stehen an einer ollen Tankstelle und müssen diesmal den ADAC über den Umweg Barcelona-Büro und Madrid-Büro rufen.

Wir warten bereits 2 1/2 Stunden als ein spanisches Rudi-Völler-Imitat mit blondem Miniplie und Abschleppwagen auftaucht. Er labert schlechtgelaunt auf Spanisch, telefoniert auf Stefans Handy stundenlang mit Madrid und legt dann einfach auf, ohne das wir wissen was los ist.

Ein weisser Wagen erscheint mit einem jungen Typen, der nach Estefan fragt. Wir halten ihn fuer einen Dolmetscher, da er ein wenig Englisch spricht. Mittlerweile hat Guido herausgefunden, dass sich unser Kühlwasser durch einen Riss im Schlauch, an dem die Lichtmaschine schleift, verabschiedet hat. Mit einem kurzen Schlauch ist das leicht zu reparieren. Wir haben aber keinen Schlauch. Ein Taxi taucht auf, dessen Fahrer uns auch volllabert, es stellt sich heraus, dass uns das Taxi für 50 Euro zu einer Werkstatt fahren will. Nach langem Hin und Her machen wir dem ADAC klar, das wir nur einen Autoteilehändler brauchen. Der Mitarbeiter kennt aber nur eine Autowerkstatt in Benidorm, die noch offen hat. Wir beschliessen zähneknirschend mitzufahren, als uns der Abschlepper eröffnet, dass der Bus zu gross für seinen Wagen sei und ein anderer kommen muss. Stefan hatte dem ADAC MEHRMALS alle Daten mitgeteilt und der Taxifahrer will jetzt 10 Euro fürs Warten. Der Dolmetscher entpuppt sich als Angestellter des Taxifahrers, ich bekomme einen Lachkrampf und beschliesse mir ein San Miguel aufzumachen. Nach einer weiteren Stunde setzt sich unser Tross in Bewegung Richtung Benidorm.

Dort werden wir um 20 Uhr abend zwischen Bordellen und Möbelhäusern vor einer geschlossenen Mercedes-Werkstatt abgestellt. Als ich ein wenig umherwandere finde ich durch Zufall eine kleine Werkstatt mit grossem Schild „Deutscher KFZ-Meister“. Ein verhutzelter Mann erscheint und mit letzter Kraft frage ich ihn ob er einen Kühlerschlauch hat. „Ja, freilich, holen sie mal den alten her!“ Ich hüpfe zu Stefan und Guido und bin ganz außer mir.

Es stellt sich heraus, dass der Mann auf uns gewartet hat, der Abschleppdienst aber nicht wusste, wo er wohnt und uns einfach irgendwo abgesetzt hat. Drei Wochen Marokko und dann entpuppt sich Spanien als das Land der Verpeilten! Schnell repariert und weiter nach Peniscola, wo wir die Nacht in einem Olivenhain verbringen.

In Barcelona fahren wir direkt auf den Stadtstrand und Guido organisiert einen Freund namens Björn, der uns netterweise in das Nachtleben einführen will. Als er erfährt wo wir mit unserem Bus stehen, staunt er gross und warnt vor komischem Volk. Dann gehts in viele schöne Bars, wo uns die atemberaubenden Chicas von Barcelona gefallen. In einem grossen Club tritt Namosh, eine White-Trash-Gurke aus Berlin auf, ich komme als einziger mit Unterhemd und Che-Guevara-Kappe rein und fühle mich wohl. Leider kippt die Musik nach dem Konzert in blöde Touri-Mucke und wir ziehen weiter in einen Techno-Club Marke Liquid Sky. Guido verabschiedet sich schon um 5 Uhr und ruft um 6:30 Uhr an: Unsere vordere Seitenscheibe ist eingeschlagen und meine Carhartt-Tasche, meine Brille, mein Haustürschlüssel und mein Terminkalender sind weg. Blöd, aber es hätte schlimmer kommen können. 3 Wochen Marokko und dann entpuppt sich Spanien als das Land der Verbrecher!

3 Stunden Schlaf und dann wieder an den Strand, ins Meer, „Hola Chica!“ hier und da, „Barcelona Te Quiero!“
Mein Phantasiespanisch kommt gut an, ich will auch noch da bleiben, aber die Vernunft treibt uns gegen Nachmittag ins Auto und ab nach Frankreich.

An einer Peage kurz vor Nimes verliert Guido ein letztes Mal die Contenance: Als der Angestellte sagt: „Vingt Euro, cinquante“, bellt er ihn vom Beifahrersitz auf Kölsch an: “ Zweiundzwanzig Fünfzig??? Finden se dat jerechtfertigt? Und dat wo wir hier das Geld nach Frankreich reinbringen … „

Der Mann öffnet verdutzt die Schranke und der Bus bleibt natürlich direkt hinter der Schranke liegen. Die Deutschen kommen! Diesmal nur ein kleiner Fehler, der Motor zieht Luft! Die letzte Nacht im Bus verbringen wir in Belleville, kurz vor Macon, finden es entsetzlich kalt, Guido bekommt plötzlich 39° Fieber – was sich aber unglaublich schnell wieder erledigt – und nach einem weiteren anstrengenden Tag fahren wir um 19:30 Uhr in Köln ein. Die Lichtmaschine hatte unbemerkt den Geist aufgegeben, Batterie leer und Toni – unser Bus – bleibt nach circa 9000 Kilometern vor meiner Haustür endgültig liegen …
Am Ende der Reise erwarten jetzt viele vermutlich ein tiefsinniges Resumee, aber nach 4 Tagen Spanien ist mein poetisches Inneres vorübergehend gelöscht, wie man vielleicht schon gemerkt hat und deshalb hier vorerst nur noch die zwei möglichen Titel, die das Buch haben wird, das ich über Marokko dereinst schreiben werde:

„Für ein Hand voll Dirham“ Oder „Wenn der Dirhahn zweimal kräht – Unterwegs im Land des Shukran“

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