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Live und dabeigewesen: Kultur Tanz Demo, Frankfurt, 6. 9. 2012

War Frankfurt einst die Stadt, in der Techno institutionell gegründet wurde, ging es die letzten zehn Jahre stark bergab. Verglichen mit der Zeit vor 20 Jahren wird hier kaum noch kulturelles Kapital geschaffen. Zwar gibt es noch das Tanzhaus West, aber das war es dann auch schon. (U60 interessiert mich nicht und trägt musikalisch auch nicht zur Vielfalt bei). Umso erstaunlicher was die Initiative Clubs am Main mithilfe der ganzen Posses aus dem Rhein-Main-Gebiet geleistet hat, obwohl es doch beim Ausgang aussah wie auf der ersten Loveparade…

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… nämlich weil echt nur gut 300 Leute und ein Laster zu sehen war, von dem ein langsamer Groove ausging. Doch die Sonne schien, das Programm war uns unbekannt und gegen 18.30h starteten die Reden. Und mit Talla 2xlc und DJ Dag (siehe Foto) waren auch zwei Prominente aus den goldenen Jahren dabei und es wurde angefangen zu reden. Völlig überraschend stand auf einmal Dr. Motte auf der Bühne und begann nach dem pathetischen Dutschke-Ende („Der Kampf geht weiter“) Ralf Schefflers (Batschkapp) seinen Vortrag. Ob ihn in Berlin keiner mehr hören will? Ist auch gewöhnungsbedürftig der stimmlichen Mischung aus Didi Hallervorden und einer harten Kampfsprache zuzuhören. Als die Musik losging, der Zug sich in Bewegung setzte und Motte überraschender gut auflegte (sogar am besten im Nachhinein) kamen die zum Vorschein, die sich vorher in den Seitengassen bei den 13 anderen Wagen aufhielten. So waren es plötzlich zwanzigmal so viele.

Im Kreis ging es um die Hauptwache, quasi am Omen vorbei (komisches Gefühl, da wieder zu tanzen) auf die Berliner Straße in Richtung Kurt-Schuhmacher-Ring. Die Menschen winkten freiwillig so aus dem Fenster, wie es sich Honecker wohl immer gewünscht hätte, und als Motte dann noch „The Age of Love“ spielte, war es beim Sonnenuntergang echt kitschig-schön. Gegen den Monza-Wagen mit seiner Mörder-PA kam keiner an. Das Tanzhaus West hingegen hatte die Konfetti-Kanone und die motiviertesten Tänzer und sorgte für die nötige Portion Nuller-Hedonismus (lila Foto), während die Intimbar mit ihrer Nano-Pritsche auch einen Druck in der PA hatte, der für die Größe des Wagens unglaubich war.

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Über Sachsenhausen zog sich der Zug am Museumsufer vorbei, wieder über den Main entlang des alten XS/Box und kam zur Abschlusskundgebung an der Hauptwache an. Und dann war auch endgültig die Frankfurter Feierwut zu spüren, als die Veranstalter meinten, dass knapp 8000 Menschen dagewesen wären und die Demo größer als in Hamburg und Berlin sei. (Ohne Touris scheint in Berlin wohl nichts mehr zu laufen 😛 ) Geredet wurde zum Glück nur zwei Minuten, damit das letzte Lied (ein 25-minütiger Megamix mit Tok Tok am Ende) laufen konnte.

Abschließend war es natürlich extrem geil. Wetter: T-Shirt bis zum Schluss. Stimmung: Rave. Spaß: mehr als vorhanden. Und das Publikum reichte von Technoclub-Veteranen der ersten Stunde bis hin zur jüngsten Generation an U-Bar-Ravern.

Nachtrag: Wirklich richtig schade war es, dass weder die Tageschau noch das heute journal darüber berichteten und auch in den Zeitungen fiel das Thema fast überall durch. (Ausnahme FR). Ob es an der Pressearbeit im Vorfeld durch die GEMA lag oder (speziell in Rhein-Main) durch den Flughafen-Streik, weiß ich nicht. Natürlich ist die Clubkultur als Wirtschaftsfaktor in Frankfurt lächerlich. Da scheffelt jede Bank rund um die Hauptwache Milliarden und die paar Millionen interessieren nicht. In Berlin hingegen: umgekehrt. Ohne die Clubs und den damit verbundenen Tourismus wäre die Stadt am Ende (finanziell ist sie es auch so). Was kann man beim nächsten Mal besser machen?

Nachtrag 2: Es geht nicht nur um die Feier-/Technokultur. Auch die Batschkapp hatte einen Wagen mit Punkrock und ein Reggae-/Ragga-/Dancehall-Toaster-Wagen gefiel mir außerordentlich. Aber als ravesozialisierter setze ich entsprechend meinen Schwerpunkt. Ist keine Abwertung.

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